LMd-Artikel: Raue See

Quelle: Le Monde diplomatique (08/2020, S. 9), Adolf Buitenhuis

In der August-Augabe der Zeitung Le Monde diplomatique ist ein für unseren Seminarkontext sehr spannender und ausführlicher Artikel von Tom Stevenson mit dem Titel “Raue See. Die Geopolitik des maritimen Welthandels” abgedruckt. Darin geht es vor allem um die Politische Ökonomie der Handelsschifffahrt als zentraler Infrastruktur des gloablen Kapitalismus. Angesprochen wird u.a. das widersprüchliche Verhältnis von Staat und Markt bei den großen Reederein, das auch schon im letzten Podcast vom MdB Uwe Schmidt thematisiert wurde. Nicht nur die chinesische Container-Reederei COSCO ist, wie von Schmidt mehrfach betont, eng mit dem Staat verbunden, auch Maersk, CMA CGM und MSC erhalten viel Unterstützung von ihren jeweiligen europäischen Mutterländern. Diese 4 Unternehmen bilden im Grunde ein Oligopol im globalen Containerhandel. Der Autor arbeitet auch sehr gut die geopolitische Dimension der Handelsschiffahrt heraus. Zudem geht es auch um die Arbeitsbeziehungen in der Schiffahrt, die auch auf diesem Blog immer wieder Thema waren. Steveson schreibt von einer “Klassengesellschaft an Bord” und thematisiert die besonderen Probleme beim Crew Change während der Corona Pandemie.

Die Rolle Bremer Kaufleute bei der kolonialen Expansion

Das Wahlmotto der Bremer Kaufmannschaft: “Buten un binnen, wagen un winnen” ziert den Schütting

Die Geschichte Bremens und seiner Kaufleute ist eng mit der des Kolonialismus verwoben. So haben Bremer Kaufleute sowohl aktiv am Sklavenhandel teilgenommen (Rössler 2016, 83), sind als Pflanzer in Erscheinung getreten (Rössler 2016, 102–5), waren reichlich am Handel mit Kolonialwaren wie Kaffee, Kakao und Tabak beteiligt (Rössler 2016: 75) und mit Hilfe von Alfred Lüderitz wurde die erste deutsche Kolonie von einem Bremer Kaufmann gegründet (Conrad 2008: 26). Somit stand Bremen mit im Herzen des deutschen Kolonialhandels und war ein Ankerpunkt beim Aufbau der deutschen Kolonien, Schutzgebiete genannt. Gleichzeitig tut sich Bremen mit seinem kolonialen Erbe schwer, wie in diesem Beitrag nachgelesen werden kann. Weiterlesen

Kaffee – Vom Monopol Mokkas zum kolonialen Exportschlager

Beginnend mit dem 17. Jahrhundert wurde Kaffee von Seiten der Handelskompanien Aufmerksamkeit geschenkt und als Handelsgut in den Europäischen Raum transportiert. Schnell entwickelte sich die Stadt Mokka im Jemen zum zentralen Anlaufpunkt für den Kaffeeexport nach Europa (Chaudhuri 2010: 359), war doch Ihre Lage vorzüglich und sie seit jeher ein Knotenpunkt für den Indien-Handel (Chaudhuri 2010: 374). Problematisch für die europäischen Länder war hingegen, dass die eigenen Produkte kaum auf Resonanz gestoßen sind. So musste der Kaffee im Jemen mit Silber bezahlt werden, was zu großer Missgunst der Herrschenden führte (Krieger 2011: 190). Weiterlesen

Aufarbeitung der Bremer Kolonialgeschichte

Bremen spielte eine wichtige Rolle im deutschen Kolonialismus. Bremer Kaufleute wie Adolf Lüderitz und Heinrich Vogelsang waren stark in den Kolonialhandel involviert. Außerdem war Bremen als Hafenstadt generell ein zentraler wirtschaftlicher Akteur (buten un binnen 2019) und Umschlag- und Veredlungsort von kolonialen Waren wie Baumwolle, Kaffee und Tabak. Der vom Bremer Hermann Heinrich Meier (nach dem bis heute die H.-H.-Meier-Allee benannt ist) mitgegründete Norddeutsche Lloyd (baute außerdem die Verbindung nach West- und Südafrika aus und legte damit die Basis für die systematische Unterwerfung der dortigen Bevölkerung (buten und binnen 2019). Daher war es kein Zufall, dass im Jahr 1931 das Reichskolonialehrendenkmal (Gustafsson 2003: 308)  – heute das Antikolonialdenkmal – in Bremen errichtet wurde. Während des NS-Regimes trug Bremen sogar den Titel „Stadt der Kolonien“, was der Bedeutung der Stadt im deutschen Kolonialismus Ausdruck verleihen sollte. Im Folgenden wird der Stand der Aufarbeitung der Bremer Kolonialvergangenheit dargestellt, wobei der besondere Fokus auf dem „Bremischen Erinnerungskonzept Kolonialismus“ liegt. Weiterlesen

God Save the Trade: die Bremischen Häfen und der Brexit

Am 23. Juni 2016 wurde im Vereinigten Königreich das Referendum über den Verbleib in der Europäischen Union angestrebt. Mit fast 51,9% (Cieschinger et al. 2019) der Stimmen wurde für den Austritt gewählt. Noch sind die Folgen die sich daraus ergeben ungewiss. Hiermit wird ein kurzer Überblick über mögliche Szenarien und damit Folgen für die Bremischen Häfen gegeben. Weiterlesen

Zur Lage ausländischer Seeleute im Deutschen Kaiserreich

Heutzutage ist es selbstverständlich, dass auf Handelsschiffen größtenteils Seeleute arbeiten, die nicht die Staatsangehörigkeit der Reederei oder der gehissten Flagge des Schiffes tragen. Das Prinzip der Ausflaggungen mit geringer Regulierung trägt zu dieser Begebenheit bei. Nach Schätzungen der International Chamber of Shipping sind China, die Philippinen, Indonesien, Russland und die Ukraine die 5 größten Seefahrer Nationen, d.h. diese Staaten stellen die meisten Seeleute (Offiziere und sogenannte ratings) für den globalen Seehandel. Genaue Zahlen und Nationalitätsangaben für die Besatzung von Handelsschiffen, sind sehr schwer zu ermitteln. Es kann aber mit Sicherheit davon ausgegangen werden, dass auch auf deutschen Handelsschiffen multinationale Schiffscrews beschäftigt sind. Weiterlesen

Die Bremischen Häfen im europäischen Wettbewerb

Im Jahr 2019 wurden in den Bremischen Häfen 69 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen (Hafenspiegel 2019: 9). Dies ist keine Selbstverständlichkeit. Frachtlinien und -mengen müssen im Wettbewerb mit anderen Häfen gewonnen werden. Dieser Hafenwettbewerb findet dabei auf vier unterschiedlichen Ebenen statt: (1) Zwischen unterschiedlichen Fahrtrouten und Hafengebieten (ranges), (2) zwischen Häfen einer Zielregion, (3) zwischen regional benachbarten Häfen, sowie (4) zwischen verschiedenen Hafenwirtschaftsakteuren innerhalb eines Hafens (Buss 2018: 45-46). In diesem Blogbeitrag wird auf die zweite Ebene des Wettbewerbs eingegangen. Ziel ist es aufzuzeigen, wie sich die Position der Bremischen Häfen im Wettbewerb mit anderen Häfen der (klassischen) Nordrange durch die Wirtschafts- und Finanzkrise 2009 verändert hat. Der Fokus liegt hierbei auf dem aus bremischer Sicht wichtigsten Marktsegment, dem Containerhandel (Hafenspiegel 2019). Weiterlesen

Die Ewigen Konkurrenten – Die Bremer Häfen und der Hamburg Hafen im internationalen Vergleich

Die Bremer Häfen und der Hamburger Hafen sind die beiden größten Seehäfen Deutschlands, beides Mitglieder der sogenannten Nordrange und damit Teil der vier größten Häfen Europas und unter den 27 wichtigsten Häfen der Welt im Jahre 2018 (Llyod’s List 2019), sowie Konkurrenten untereinander. Was sind ihre Gemeinsamkeiten und ihre wichtigsten Handelsregionen? Welche Probleme haben die verschiedenen Standorte? Hiermit soll ein kleiner Einblick der beiden Häfen untereinander und global stattfinden. Weiterlesen

Unter welcher Flagge fährt es sich am günstigsten? – Die Geschichte des Ausflaggens

Im Oktober 2018 machte das Schiff „Aquarius“ der Bremer Reederei Jasmund Shipping Schlagzeilen. Nachdem erst Gibraltar das Schiff der Seenotrettungsorganisation SOS Mediterranee aus seinem Schiffsregister gestrichen hatte, entzog auch der neue Flaggenstaat Panama dem Schiff das Recht unter seiner Flagge zu fahren. Die „Aquarius“ verkehrte zuvor zwischen Libyen und Italien und rettete über 30.000 Menschen das Leben. Italien, das sich mit der Aufnahme der geretteten Menschen der „Aquarius“ konfrontiert sah, drohte Panama (dem Flaggenstaat) damit, dass Schiffe unter panamaischer Flagge keine europäischen Häfen mehr anlaufen dürften.

Rettungsschiff “Aquarius”. Quelle: SOS Mediterranee.

Diese Drohung verfehlte ihre Wirkung nicht und das mittelamerikanische Land handelte und entzog der „Aquarius“ die Flagge. Der Schritt von Panama war ungewöhnlich, ebenso die vorherige Ausflaggung durch Gibraltar meint Christoph Hempel, bei dessen Reederei die Seenotrettungsorganisation das Schiff im Jahr 2016 gechartert hatte. Im Dezember 2018 beendete die SOS Mediterranee schließlich den Einsatz des Schiffes, da das Flaggenproblem nicht gelöst werden konnte. Weiterlesen

Auswirkungen der neuen Seidenstraße auf die Bremischen Häfen

Im September 2013 verkündete Chinas Präsident Xi Jinping die „Belt and Road Initiative“ (BRI; auch: „Neue Seidenstraße“, früher: „One Belt One Road“). Hierbei handelt es sich um eine langfristig angelegte Initiative der chinesischen Regierung zur Förderung regionaler sozio-ökonomischer Beziehungen zwischen China und den BRI-Staaten. Kernbestandteil der Initiative sind Infrastrukturprogramme mit einem Gesamtumfang von einer Billion US-Dollar (OECD 2018: 62). Die BRI umfasst derzeit den Aufbau von sechs Landrouten sowie eines maritimen Wirtschaftskorridors – der sogenannten maritimen Seidenstraße (ifo 2019: 6-10). Sie sollen zur Stärkung des Handels zwischen Asien und Europa, sowohl auf dem Land- als auch auf dem Seeweg, beitragen. Chinesische Unternehmen investieren im Rahmen der BRI unter anderem in Häfen entlang der maritimen Seidenstraße sowie in daran angeschlossene Infrastruktur, was nicht nur Auswirkungen auf die unmittelbar betroffenen Häfen, sondern auch den weltweiten Seehandel hat. In diesem Blogbeitrag wird aufgezeigt, welche Auswirkungen diese Investitionen auf die Bremischen Häfen haben bzw. haben könnten.

Übersichtskarte der “Belt and Road Initiative”. Quelle: Mercator Institute for China Studies (MERICS)

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Der Container – Eine Box begibt sich auf große Fahrt

Am 3. Mai 1966 steuerte die Fairland, eines der ersten Containerschiffe, die in den 1950er einen europäischen Hafen anliefen, die Weser an. Geladen hatten es große Versandbehälter, die Container, von denen 100 im Neustädter Hafen mit dem bordeigene Geschirr der Fairland gelöscht (entladen) wurden (Heidbrink 2005). Somit wurde Bremen zum ersten deutschen Containerhafen und es sollte nicht das letzte Containerschiff sein, welches seine Container in den Bremischen Häfen löscht oder umschlägt. Doch wie kam es dazu, dass sich dieser große Versandbehälter zu einem der wichtigsten und unentbehrlichsten Transportbehälter entwickeln sollte? Weiterlesen

Die Bremische „Container Story“

Über Jahrhunderte wurde in den Bremischen Häfen vorwiegend konventionelles Stückgut umgeschlagen. Waren wurden einzeln, in Säcken oder zusammengefasst auf Paletten transportiert. Dies änderte sich mit der Einführung und Verbreitung des Containers ab den 1960er Jahren. Heute dominiert der Container. Jährlich werden insgesamt rund 5 Millionen TEU (Twenty-foot Equivalent Unit; Zwanzig-Fuß-Standardcontainer) in Bremen und Bremerhaven umgeschlagen (Hafenspiegel 2019: 20). Die Bremischen Häfen bilden damit den viertgrößten Containerhafen in Europa und liegen auf Platz 27 weltweit (Lloyd’s List 2019). Die rasante Ausbreitung des Containers revolutionierte den Warenverkehr und brachte diverse strukturelle Veränderungen mit sich. Ziel dieses Blogbeitrages ist es die Veränderung der Bremischen Hafenwelt durch den Container aufzuzeigen und hierbei auch negative Auswirkungen zu berücksichtigen. Weiterlesen

Lerneinheit 4: Handel & Schifffahrt

Wie wir schon in den letzten beiden Lerneinheiten gesehen haben, kann man die Entwicklung der Bremischen Häfen nicht ohne einen Blick auf globale Entwicklungsdynamiken verstehen. Schließlich sind die Häfen die zentrale physische Infrastruktur des Welthandels und entwickeln sich vielerorts im Wettlauf mit den Schiffsgrößen. 90% des globalen Güterhandels erfolgt heutzutage per Schiff (Khalili 2020). Deshalb sind Handel und Schifffahrt untrennbar miteinander verbunden. Aber wie haben sie sich entwickelt? Welchen Logiken folgen sie? Wie werden sie reguliert? Wer profitiert von ihnen? Diese Fragen lassen sich am besten aus dem disziplinären Blickwickel der Internationalen Politischen Ökonomie (IPÖ) betrachten. Und in dieser Lerneinheit haben wir mit Sebastian Botzem einen sehr kompetenten Politiökonomen zu Gast, mit dem ich im im Lernvideo 4b über aktuelle Entwicklungen im Welthandel und Datenrecherche spreche.

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Lerneinheit 3: Die Container-Revolution

Am 6. Mai 1966 kamen mit dem Schiff „Fairland“ der Reederei SeaLand die ersten Container in Bremen an. Damit war Bremen nach Rotterdam der zweite europäische Hafen, der diese neue Transportkiste begrüßte. Die Geschichte des Containers in Bremen begann allerdings mit einem Knall:  Die zweite Box, die vom Schiff an Land verladen wurde, löste sich aus der Verankerung und krachte auf einen LKW (Preuß 2007: 95). Das war aber nichts gegen den Knall, den der Container in den kommenden Jahren auslösen würde, eine regelrechte Revolution in Schifffahrt, Logistik und Hafenwirtschaft (Cudahy 2006, Levinson 2006, Preuß 2007).

Etwas unscheinbar, aber dennoch revolutionär: Der Container kann per Schiff, auf der Schiene und auf der Straße transportiert werden (Multimodalität)

Alfred Baird (1996: 145) beschriebt die Containerisierung als „radical transformation of existing technologies which not only dramatically altered the processes in the ports and shipping industry but also pervaded the entire socio-economic system“. Wir haben es also tatsächlich mit einer Revolution zu tun, der Container-Revolution, die die Globalisierung und Fragmentierung von Wertschöpfungsketten durch massive Senkung der Transportkosten erst möglich gemacht hat (Nuhn 2010). Der Container ist daher ein Geburtshelfer des globalisierten Kapitalismus. Weiterlesen

Arte-Doku zu Seehandel

Das geopolitische Magazin “Mit offenen Karten” von Arte veröffentlichte vor einigen Tagen einen sehr interessanten Beitrag unter dem Titel “Handel – die Eroberung der Meere”. Dieser zeigt die globale Ausweitung des Welthandels und die Anpassung von Seewegen (z. B. Bau des Suezkanals). Der Fokus liegt hierbei auf der Bedeutung der maritimen Routen für China. Der Beitrag stellt sehr deutlich die Relevanz von Schifffahrt, Welthandel und maritimen Versorgungswegen heraus. Weiterlesen

Häfen & Hafenpolitik im Krisenmodus

Die Coronakrise hat die Weltwirtschaft und damit auch den Welthandel in den letzten Wochen und Monaten massiv augebremst. Die Prognosen von WTO und IWF deuten auf eine starke Rezession in diesem Jahr hin. Das geht natürlich auch an der Hafenwirtschaft nicht spurlos vorbei. In der bremenports Reihe “Drei Fragen an” spricht die Hafensenatorin über die Auswirkungen auf die Bremischen Häfen. Claudia Schilling betont die Bedeutung der Häfen als kritische Infrastruktur gerade in der aktuellen Krise und mobilisiert dabei implizit auch das gängige Narrativ von den Häfen als Motor für die Stadtentwicklung, das wir im Seminar etwas genauer unter die Lupe nehmen werden. Weiterlesen

Welthandel in der Krise

Angesichts der aktuellen Coronavirus Pandemie und der damit verbundenen teilweisen Stilllegung der wirtschaftlichen Aktivität geht die Welthandelorganisation (WTO) von einem starken Einbruch des Welthandels aus. In einer heute veröffentlichten Studie wird für das laufende Jahr ein Rückgang des Handelsvolumen zwischen 13% (optimistisches Szenario) und 32% (pessimistisches Szenario) prognostiziert. Von dem Einbruch werden alle Weltregionen und Sektoren betroffen sein. Was bedeuten dieses Aussichten für Bremen? Weiterlesen