Geschichte des Norddeutschen Lloyd

Die Hapag-Lloyd ist bekannt als weltweit führende Linienreederei, das heißt, dass sie insbesondere für den Güterverkehr zuständig ist. Sie ist ein Unternehmen mit mittlerweile 239 modernen Containerschiffen, einem Transportvolumen von 12,0 Millionen 20 Fuß Containern (TEU, Standardcontainer) im Jahr, rund 13.000 MitarbeiterInnen in 392 Büros in 129 Ländern (Hapag-Lloyd 2019). Doch Hapag-Lloyd war nicht immer ein weltweit führender Anbieter. Bis zur Fusion der Reedereien Norddeutscher Lloyd und der Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) im Jahr 1970 war es ein langer Weg – ebenso wie die Gründung des Norddeutschen Lloyd selbst.

Einladung zur 25-jährigen Jubiläumsfeier am 20. Februar 1882 (Quelle: Focke, Ostersehlte, Peters 2010: 187).

So wurde die Idee des Bremer Kaufmannes Carl Keugten eine Gemeinschaftsreederei bzw. eine Aktiengesellschaft nach englischem Vorbild zu gründen, schnell verworfen (Engelsing 1957: 80). Das lag daran, dass am Ende des 18. Jahrhunderts die Bereederung vom Schiffer auf den Kaufmann überging und damit der Kaufmann seine Güter selbstständig verschiffte (Engelsing 1960: 40). Die heute übliche Form, dass Reedereien von beispielsweise Aktiengesellschaften geführt werden, war früher verpönt und diente lediglich als letztes Mittel. Erst durch den Generationenwechsel in den 1840er und 50er Jahren gelang es mit Hilfe des im Jahre 1802 geborenen Kaufmannes Duckwitz die Ocean Stream Navigation Company im Jahr 1847 zu gründen (Engelsing 1957: 88); sie kann als Vorläufer des Norddeutschen Lloyd angesehen werden.

Als 1853 das Dampfschiff das herrschende Verkehrsmittel wird, hinkt Bremen gegenüber Antwerpen (Compagnie Transatlantique Belge) und Hamburg (Hapag) stark hinterher (Engelsing 1957: 94-95). Aus diesem gegebenen Umstand gründeten im Jahr 1857 Hermann Henrich Meier mit dem Berliner Eduard Crüsemann den Norddeutschen Lloyd in Bremen. Beiden gelang es die Bremer Wirtschaft zu überzeugen und sich einer transatlantischen Dampfschifffahrtslinie anzuschließen.

Links zu sehen H. H. Meier und rechts Eduard Crüsemann im Jahr 1957 (Quelle: Engelsing 1957).

Am 12. Juni 1858 fährt damit der erste Lloyd-Dampfer die Unterweser hinab mit dazugehörigem Lloyd-Wappen: Ein vom Eichenkranz umschlossener Anker, den ein Schlüssel kreuzt (Hapag-Lloyd 2019: 6). Während dieser Zeit begann die Übersee-Dampfschifffahrt als Linien- und Personenschifffahrt – ein lukratives Geschäft angesichts der deutschen Auswanderung nach Nordamerika (Engelsing 1960: 44). Dabei wurden sowohl Räumlichkeiten für die luxuriöse Oberschicht angeboten als auch eine zweite und dritte Klasse für die weniger wohlhabenden Passagiere (Köllig 2019). Die zuerst nach Nordamerika bestehenden Verbindungen werden ab 1885 durch einen Regierungszuschlag für neue Reichspostdampflinien nach Ostasien und Australien erweitert und ab dem Jahr 1925 engagiert sich Lloyd auch in der Zivilluftfahrt (Hapag-Lloyd 2019: 20).

Ballsaal des Dampfschiffs Bremen (Quelle: Schellhass, Meier-Hüsing 2018).

Doch der Beginn der Norddeutschen Lloyd ist von Anfang an durch den Konkurrenzdruck mit der im Jahr 1847 gegründeten Hapag aus Hamburg geprägt und auch in einer wirtschaftlich schlechten Position, als drei der vier Lloyd-Dampfer im Jahr 1859 ausfallen, sodass hohe Verluste und auch ein schlechtes Images das Unternehmen begleiten. Der Erfolgsbeginn für das bremische Unternehmen beginnt erst, als die Postverwaltung der Vereinigten Staaten Hapag und Lloyd die gesamte Postbeförderung zwischen New York und Southampton überträgt (Hapag-Lloyd 2019: 6). Schon im Jahr 1863 kann der Lloyd sein erstes krisenfreies Geschäftsjahr verzeichnen und auch der Konkurrenzdruck mit Hapag nimmt ab, da sich beide z.B. auf wechselnde Abfahrtstage einigen (Hapag-Lloyd 2019: 7).

Der Lloyd überstand seit seiner Gründung wechselnde politische Umstände, die sich unterschiedlich stark auf dessen Wirtschaftlichkeit auswirkten. So ist zu Beginn seiner Zeit, als im Jahr 1871 der deutsch-französische Krieg gewonnen und der erste deutsche Kaiser gekrönt wird, der Lloyd im Besitz von 16 Transatlantikdampfern und befördert zu diesem Zeitpunkt über 40.000 Menschen (Hapag-Lloyd 2019: 8). Im Jahr 1897 wird dem Lloyd das Blaue Band, eine Trophäe für die schnellste, zivile Atlantiküberquerung und ein Zeichen für neue, moderne und schnelle Schiffstypen verliehen (Hadel 2011). Ende des 19. Jahrhunderts muss der Lloyd eine schwere Fehlentscheidung seines Direktors Lohmann verkraften, der überwiegend an einem veralteten Einschrauben-Typ festhält und damit die technische Überlegenheit gegenüber der Hapag aufs Spiel setzt (Hapag-Lloyd 2019: 12). Lloyd überwindet die Fehlentscheidung und befährt zu Beginn des 20. Jahrhunderts Liniennetze auf der gesamten Welt und befördert die meisten Passagiere weltweit.

Diesen Triumph verliert Lloyd jedoch nach Ende des zweiten Weltkrieges durch die Unterzeichnung des Versailler Vertrages im Jahr 1919. Alle deutschen Schiffe von über 1600 Bruttoregistertonnen (BRT) mussten den Siegermächten übergeben werden, wodurch Lloyd keine Flotte mehr hatte. Drei Jahre später konnte sie durch das Colombus-Abkommen, ein Tauschgeschäft, 6 Dampfer zurückgewinnen (Hapag-Lloyd 2019: 19).

Zur Zeit des zweiten Weltkrieges musste der im teilweise Staatsbesitz befindende Lloyd erneut schwere Verluste bei der Passagierfahrt einstecken, da z.B. Schiffe unter Hakenkreuzflagge von internationalem Publikum gemieden wurden. Erst im Jahre 1950 wurden die strengen Restriktionen für die deutsche Schifffahrt gelockert und erst zehn Jahre nach Kriegsende konnte der Lloyd wieder alle Dienste in nahezu der ganzen Welt aufnehmen. Diese Rentabilität konnte keine andere Reederei nach dem Zweiten Weltkrieg aufzeigen (siehe Focke 2008; Hapag-Lloyd 2019: 26).

Am 1. September 1970 fusionieren die Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft und der Norddeutsche Lloyd aufgrund des Containerverkehrs Ende der 60er Jahre, um insbesondere mit der ausländischen Konkurrenz aus z.B. Japan oder Taiwan mitzuhalten (Preuß 2007: 79). Dies kennzeichnete den Beginn der größten deutschen Reederei, der Hapag-Lloyd AG mit Sitz in Hamburg und Bremen. Das veränderte auch die Ausrichtung des Unternehmens, denn statt „First-Class-Kunden und Massen von Auswanderern werden seither Kreuzfahrt-Passagiere und Container über die Weltmeere befördert“ (Westdeutscher Rundfunk 2017).

Literatur

  • Engelsing, Rolf (1957): Die Vorgeschichte der Gründung des Norddeutschen Lloyd. In: Zeitschrift für Firmengeschichte und Unternehmerbiographie, 2 (1), 77-103.
  • Engelsing, Rolf (1960): Zur Geschichte der deutschen Handelsschifffahrt. In: Zeitschrift für Firmengeschichte und Unternehmensbiographie, 5 (1), 39-48.
  • Focke, Harald (2008): Gute Schiffe, schlechte Zahlen? Zur Rentabilität der Transatlantikliner des Norddeutschen Lloyd nach dem Zweiten Weltkrieg. In: Deutsches Schifffahrtsarchiv, 31. 125-184. Text abrufbar unter: https://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/65933 (Zugriff am 1.05.2020).
  • Focke, Harald / Ostersehlte, Christian / Peters, Dirk J. (2010): Bibliographie zum Norddeutschen Lloyd seit 2000. In: Deutsches Schiffahrtsarchiv, 33. 385-407. Text abrufbar unter: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:0168-ssoar-49616-2 (Zugriff am 5.05.2020).
  • Hapag-Lloyd (2019): Schifffahrt made in Hamburg. Die Geschichte der Hapag-Lloyd. Text abrufbar unter: https://www.hapag-lloyd.com/en/about- us.html#anchor_24ae92 (Zugriff am 1.05.2020).
  • Köllig, Volker (2019): Die erste „Bremen“: Schiffbruch statt Legendenbildung. In: buten und binnen am 18.12.2017. Text abrufbar unter: https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/gesellschaft/dampfsegler-bremen- 100.html (Zugriff am 1.05.2020).
  • Preuß, Olaf (2007): Eine Kiste erobert die Welt. Der Siegeszug einer einfachen Erfindung. Hamburg: Murmann Verlag. Westdeutscher Rundfunk (2017): 20. Februar 1857 – Gründung des Norddeutschen Lloyd. In: WDR am 20.02.2017. Text abrufbar unter: https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-norddeutscher-lloyd-gruendung-100.html (Zugriff am 1.05.2020).
  • Schellhass, Jens / Meier-Hüsing, Peter (2018): Wie Hermann Henrich Meier den Norddeutschen Lloyd gründete. In: buten und binnen am 17.11.2018. Text abrufbar unter: https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/gesellschaft/todestag- hermann-henrich-meier-100.html (Zugriff am 5.05.2020).

2 Gedanken zu „Geschichte des Norddeutschen Lloyd

  1. Wer mehr über den Norddeutschen Lloyd erfahren möchte, hat heute spontan die Chance dazu! Um 16 Uhr läuft bei Radio Weser.TV die Dokumentation “Geschichte NDL – Dampfer ‘Bremen'” von Dieter Albers.

  2. Danke für diesen interessanten Beitrag! Besonders spannend ist aus meiner Sicht, dass sich die berüchtigte Konkurrenz zwischen Bremen und Hamburg auch im Bereich der Reederein lange zurückverfolgen lässt. Gleichtzeitig zeigen aber die Zusammenarbeit (und schließlich Fusion) von Lloyd und HAPAG auch wichtiges Merkmal des in Deutschland etablierten koordinierten Kapitalimus: Kooperation innerhalb und zwischen von Branchen ist durchaus sehr üblich. Das galt schon für die Gründung des Lloyd, in der sich auch die traditionelle deutsche Skepsis gegenüber der neuen Unternehmens- bzw. Finanzierungsform AG im 19.Jh. zeigt. Im Lernvideo 3 kommt ein ehemaliger Lloyd Vorstand zu Wort, der über die Schwierigkeiten bei der Umstellung auf Container berichtet. Aber tatsächlich war das Passagier- und Postgeschäft sehr lange das Hauptstandbein des Lloyd.

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