Auf meine Liste der ausführlichsten Museen, die ich je besucht habe, kommt definitiv auch das jüdische Museum in Berlin. Geplant haben wir einen Besuch für etwa zwei Stunden. Letztendlich blieben wir beinahe vier Stunden und selbst danach liefen wir leider an einigen Infotafeln und Exponaten vorbei, da uns schlicht die Kraft fehlte mehr Input zu verarbeiten. Es wurden jegliche erdenkliche Medien genutzt, um bspw. über das Judentum, den Alltag von Juden u. Jüdinnen und Traditionen zu informieren: von Leinwänden, Virtual Reality, Hands-On Stationen, bemalten oder beschriebenen Wänden bis zu Hörräumen mit jiddischer Musik oder riesigen Kunstinstallationen. Bemerkenswert war auch die Architektur des Museums, vor allem auch zu Beginn der Dauerausstellung. Man läuft hierbei durch schräge Korridore, findet sich in einem riesigen leeren, dunklen und unnatürlich verkanteten Raum wieder und geht in einem schrägen und labyrinthartigen Garten spazieren (wobei das hier das falsche Wort ist).

Aufgeteilt ist die Ausstellung in mehrere historischen Abschnitte, beginnend bei den Anfängen des Judentums, weiter zu Emanzipationsbewegungen, Konflikten mit anderen Religionen, Holocaust Thematiken, bis hin zum Alltagsleben. Besonders beeindruckend und erdrückend zugleich ist die Kunst-Installation Schalechet („Gefallenes Laub“) von Menashe Kadishman. Ein langer grau-metallener Korridor, der sich weit in die Länge und Höhe zieht, dessen Boden mit über 10.000 aus Eisenplatten geschnittenen Gesichtern mit aufgerissenen Mündern bedeckt ist. Erinnern soll sie an das Leid und die Opfer von Kriegen. Zuerst kam mir überhaupt nicht in den Sinn, dass dieses Kunstwerk begehbar ist. Doch nach meinem zweiten Besuch im Museum, sah ich dann eine Menschenmenge darauf herumlaufen und zwar mit Erlaubnis oder doch nur Toleranz des Museums? Jedenfalls kam das für mich nicht in Frage. Wieso sollte ich auf so einer Installation laufen, während ich über Gesichter von Opfer schreite, soll ich ihnen respektvoll gedenken? Mich würde an dieser Stelle interessieren, was ihr davon haltet?

Ebenfalls in Erinnerung blieben mir die Gemälde von Jakob Steinhardt, ein deutsch-israelischer expressionistischer Maler und Grafiker der von 1887-1968 lebte. Studiert hat er in Berlin und gelernt bei Malern wie Hermann Struck und Henri Matisse. In seinen Werken legte er großen Fokus auf das Jüdische und biblische Motive. Somit zählt er neben Joseph Budko und Hermann Struck zu den Hauptvertretern jüdischer Kunst. Man sieht hier den Übergang über das rote Meer, Öl auf Leinwand aus dem Jahr 1911. Es finden sich noch einige weitere bekannte Bilder des Malers in der Ausstellung, wie beispielsweise das Gemälde “Der Sonntagsprediger”. Steinhardt wechselte im Alter von neun Jahren auf ein Gymnasium in Berlin. Doch die immer kritische Situation durch den Machtanstieg der Nationalsozialisten in Berlin zwang ihn zur Emigration nach Palästina. Überraschender Weise findet man in seinen Sujets kaum Stadtszenen. Sein Fokus orientiert sich, wie schon erwähnt, an dem Biblischen, und dem Kleinstädtischen. Diese Werke behandelten vor allem die jüdische Gemeinschaft in welcher der Maler aufgewachsen ist.  

Auch besuchten wir die momentane Sonderausstellung des jüdischen Museums: „Paris Magnétique 1905-1940“. Hier ging es, wohlgemerkt zum ersten Mal in Deutschland, um die Vorstellung jüdischer migrantischer Künstler/innen der Pariser Schule. In zehn Kapiteln bestaunten wir die über 120 Werke von Größen wie Chagall, Modigliani, Delaunay, Lipchitz und vielen mehr. Beeindruckend begleitet wurden die Gemälde von Büchern, Kunstzeitschriften, Filmausschnitten und Fotos dieser Zeit. Bei der Pariser Schule handelte es sich um eine kosmopolitische Kunstszene, die sich gegen nationalistische und fremdenfeindliche Meinungsbilder positionierte und viele kulturelle Einflüsse, vor allem auch aus Osteuropa, trug.

Hier möchte ich vorerst einen Schlussstrich ziehen und noch einmal betonen, wie sehenswert dieses Museum ist. Im zweiten Teil dieses Beitrages werde ich eine vertiefende Recherche zu der Entstehung und allgemeinen Geschichte des Museums präsentieren. Vielleicht haben einige der Leser und Leserinnen dieses Beitrages bis dahin auch das Museum besucht und sich ihre eigene Meinung zu der Ausstellung gebildet.