von Vivienne Vent, ergänzt im März 2022

Abb.1: Das Abschmelzen der Gletscher ist eine der Folgen des Klimawandels Foto: dassel/Pixabay

Der IPCC (engl. The Intergovernmental Panel on Climate Change) hat seinen sechsten Bericht zum aktuellen Stand des Klimawandels veröffentlicht und die Nachrichten explodieren. Erneut stellen sich grundsätzliche Fragen zu unserer modernen Lebensweise, die sich doch so stark auf unsere Umwelt auswirkt. Der IPCC-Bericht enthält Informationen, die für alle wichtig sind, doch nicht jeder hat Zeit, sich den vollständigen Bericht durchzulesen. Hier haben wir die wichtigsten Aussagen des Berichts für euch in aller Kürze zusammengefasst.

Der Artikel wurde im März 2022 um die Kernaussagen des Berichts vom Februar 2022 ergänzt. Die Ergänzungen finden sich im Anschluss an den Artikel.

Der Bericht AR6 vom 07. August 2021 ist der erste Teil des sechsten IPCC-Berichts, der eine Einschätzung zum aktuellen Stand der Klimaforschung beinhalten soll. Die Kernaussagen der Summary for Policymakers sind im Folgenden übersichtlich zusammengefasst.

 

Was ist der IPCC?

Der IPCC (The Intergovernmental Panel on Climate Change, zu Deutsch auch Weltklimarat) ist ein internationales Komitee aus freiwilligen Wissenschaftler*innen, das die Forschung zum globalen Klimawandel zusammenträgt und auswertet. Er wurde 1988 von der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) und dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) gegründet. Heute umfasst der Weltklimarat 195 Mitglieder aus allen UN-Staaten, unter anderem auch die Wissenschaftler*innen des Alfred-Wegener-Instituts.

Der IPCC untergliedert sich in drei Arbeitsgruppen. Arbeitsgruppe I trägt die Forschung zur naturwissenschaftlichen Basis des Klimawandels zusammen, während Arbeitsgruppe II die Auswirkungen, Anpassungen und Schäden der Umwelt im Bezug auf den Klimawandel untersucht. Arbeitsgruppe III erarbeitet Lösungsvorschläge zur Entschärfung des Klimawandels.

 

Was enthalten die IPCC-Berichte?

Die Berichte des IPCC sollen eine wissenschaftliche Basis für die globale Klimapolitik bieten. Sie enthalten Vorschläge für die Politik, agieren selbst jedoch auf rein wissenschaftlicher Grundlage und enthalten daher keine Gesetzesentwürfe o.ä.

Das Verfassen der Berichte ist transparent und durchläuft mehrere Korrekturverfahren, womit sie die Berichte des IPCC eines der wichtigsten wissenschaftlich basierten Dokumente im Kampf gegen den Klimawandel sind.

 

Anmerkung der Redaktion: Alle hier genannten Fakten und Zahlen entstammen dem sechsten IPCC-Sachstandsbericht (AR6) der Arbeitsgruppe I vom 07. August 2021. Mögliche Zukunftsszenarien und Hypothesen sind ebenfalls dem Bericht entnommen und basieren nicht auf Spekulationen der Science Blog-Redaktion.

Der Status quo: So sieht´s aus

Der anthropogene Einfluss hat zu massiven und weitreichenden Veränderungen in der Atmosphäre, Kryosphäre und Biosphäre sowie in den Ozeanen geführt und bereits schwere Umschwünge in Wetter- und Klimaextremen zur Folge gehabt.

  1. Seit 2011 ist der durchschnittliche Wert des freien CO2 in der Atmosphäre kontinuierlich angestiegen. Die erschreckenden Zahlen: 2019 war die CO2-Konzentration in der Atmosphäre so hoch wie seit 2 Millionen Jahren nicht mehr. Ebenso wurde der höchste Wert für Methan und Distickstoffmonoxid seit 800.000 Jahren gemessen.
  2. Die globale Oberflächentemperatur lag zwischen 2011-2021 1,09°C höher als zu Beginn der industriellen Revolution (1850-1900), wobei sie seit den 1970er Jahren schneller angestiegen ist als in jeder 50-jährigen Periode der letzten 2000 Jahre. Die Erwärmung wird durch erhöhte Strahleneinwirkung aus dem Weltraum verstärkt.
  3. Folgen der globalen Erwärmung und CO2-Emissionen: Ansäuerung der Meere, Erwärmung der oberen Meeresschichten (bis 700 m) und Sauerstoffverlust der Ozeane.
  4. Zwischen 1901-2018 ist der globale Meeresspiegel um 0,2 m angestiegen. 50 % lassen sich auf die thermale Ausbreitung des Wassers zurückführen, 22 % auf das Abschmelzen der Gletscher, 20 % auf das Abschmelzen der restlichen Eismassen und 8 % auf Veränderungen in gespeicherten Landwassermassen.
  5. Seit den 1950er Jahren treten Warmwetterextreme und hohe Niederschläge  deutlich häufiger und intensiver auf.

 

Abb.2: Ein Anstieg des Meeresspiegels bedeutet nicht nur, dass Menschen in Küstenregionen betroffen sind. Foto: distelAPPArath/Pixabay

Es ist mehrfach nachgewiesen, dass die beschriebenen Veränderungen auf anthropogene Einflüsse, wie etwa erhöhte CO2-Emissionen durch Transport, zurückzuführen sind. Der IPCC betont, dass der human-induzierte Klimawandel bereits jede bewohnte Region der Erde beeinflusst.

Unsere Zukunft: mehr als nur ein Gedankenexperiment

Basierend auf Zahlen aus den Jahren 1850-1900 und heute, haben die Wissenschaftler*innen  des IPCC fünf Zukunftsszenarien entwickelt: Auswirkungen des Klimawandels abhängig von einer sehr geringen, geringen, mittleren, hohen und sehr hohen GHG-Emission (GHG = greenhouse gases, z.B. CO2, Methan, Distickstoffmonoxid) (für eine ausführliche Darstellung der Szenarien s. Box SPM.1). Die Zukunft, die dieser Bericht zeichnet, ist ernüchternd, zeigt jedoch, dass eine Kehrtwende immer noch möglich ist.

  1. Die Szenarios zeigen ganz deutlich: Egal, wie viel oder wenig Treibhausgase in die Atmosphäre entlassen werden, die globale Oberflächentemperatur wird bis Mitte des Jahrhunderts ansteigen (2041-2060). Entscheidend sind die Jahrzehnte danach: Wenn zukünftige GHG-Emissionen sehr gering gehalten werden, wird zwischen 2081-2100 eine globale Erwärmung von max. 1-1,8°C erreicht. Sollte der Verbrauch jedoch weiterhin sehr hoch bleiben, wird sich die Erdoberfläche um 3,3-5,7°C erwärmen. Zum Vergleich: Eine Erwärmung um 2,5°C in Relation zu 1850-1900 gab es das letzte Mal vor 3 Millionen Jahren.
  2. Je höher die Erwärmung, desto stärker die Extreme: Mit jeden zusätzlichen 0,5°C Erwärmung steigt die Intensität und Frequenz der Extreme in Verbindung mit Hitze (Hitzewellen, extremer Niederschlag und extreme Dürren). Bei Erwärmung um 1°C würden sich tägliche Niederschläge um 7 % intensivieren (gut veranschaulicht in Fig. SPM.5).
  3. Der Klimawandel wird sich längerfristig auch auf den globalen Wasserzyklus auswirken, was eine Intensivierung der Veränderungen des Zyklus´, der Monsun-Zyklen sowie der Ausprägung von Trockenheits- und Niederschlagsereignissen zur Folge hat. Am meisten betroffen sind Monsun-Regionen (z.B. Süd- und Südostasien) und solche, in denen das Wetter stark von Jahreszeiten abhängig ist.
  4. Je höher die CO2-Emissionen, desto ineffektiver werden die Kohlenstoffsenken (d.h. natürliche Kohlenstoffspeicher, wie z.B. Wälder). Dies führt zu einer erhöhten CO2-Konzentration in der Atmosphäre, die nicht mehr verarbeitet bzw. gespeichert werden kann. Dieser Effekt wird durch bereits bestehende Städte und fortlaufende Urbanisierung verstärkt.
  5. Viele Klimaprozesse werden Jahrzehnte bis Jahrhunderte brauchen, um sich zu erholen. Besonders betroffen sind die Meere: Die Ansäuerung, der Sauerstoffverlust der Ozeane und der erhöhte Meeresspiegel werden wahrscheinlich sogar bis Ende des 21. Jahrhunderts weiter ansteigen. Bergschnee und Gletscher werden weiter abschmelzen, vor allem die grönländische Eisschicht ist betroffen. Die Forschenden gehen hier sogar von einem totalen Verlust aus.

 

Abb.3: Städte erleichtern unser Leben, wirken sich längerfristig jedoch negativ auf die Luftqualität aus. Foto: FotoRabe/Pixabay

Schlussfolgerungen und Vorschläge

Auf Basis der Erkenntnisse zum aktuellen Stand der Klimaforschung enthält der Bericht weiterführende Überlegungen und Vorschläge für politische Entscheidungsträger, um ein bestmögliches reales Zukunftsszenario zu erschaffen:

  1. Neben anthropogenen Einflüssen spielen auch natürliche Veränderungen eine Rolle. Sie können bereits bestehende human-induzierte klimatische Veränderungen vor allem auf regionaler Ebene und in naher Zukunft beeinflussen (z.B. Verstärken). Ein solcher Umstand muss bei der Planung von (politischen) Veränderungen beachtet werden.
  2. Bis heute eher unwahrscheinliche Ereignisse wie den totalen Verlust der Eismassen, abrupte Unterbrechung der Ozeanströmungen und regionale Extremereignisse werden mit steigender globaler Oberflächentemperatur und GHG-Emissionen immer wahrscheinlicher und sollten auch in der (politischen) Planung nicht außer Acht gelassen werden. Auch ein massiver Verlust des (bis jetzt) weitgehend erhaltenen antarktischen Eises sowie großflächiger Wälder ist nicht auszuschließen.
  3. Die Netto CO2-Emission muss nahezu null erreichen, dies gilt ebenso für andere Treibhausgase, wie z.B. Methan. Darin bestärkt der Bericht die Befunde des vorigen IPCC-Bericht AR5. Es gibt einen überdeutlichen Zusammenhang zwischen anthropogenen CO2-Emissionen und globaler Erwärmung. Eine Netto CO2-Emission von nahezu null muss erreicht werden, um die Erhöhung der globalen Oberflächentemperatur zu stabilisieren.
  4. Es sollten Methoden zur Beseitigung bzw. Speicherung von atmosphärischem CO2 entwickelt werden (sogenannte CDRs = CO2 removals). Hierdurch könnte z.B. die Ozeanversauerung umgekehrt werden, doch muss auch beachtet werden, dass sich viele Prozesse weiterhin verschlechtern werden (siehe oben).
  5. Wenn die GHG-Emissionen gering gehalten werden, würde sich dies ab 2040 auch auf Regionen, die von starker Luftverschmutzung betroffen sind, positiv auswirken. In nicht so stark betroffenen Regionen könnte sich die Luftqualität bereits bis 2040 deutlich verbessern.

Eine vollständige Version der Summary for Policymakers findet ihr unter dem Artikel. Die Abbildungen in dem Bericht sind leicht zu verstehen und ergänzen die obenstehende Zusammenfassung visuell.

Verweis auf Bremer Forschung und zukünftige IPCC-Berichte

Voraussichtlich im Februar 2022 wird die Arbeitsgruppe II ihre Einschätzung zum Klimawandel veröffentlichen. Zu dieser Arbeitsgruppe gehört unter anderem das IPCC-Büro des Alfred-Wegener-Instituts. Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe II ist Prof. Dr. Hans-Otto Pörtner, welcher unter anderem Vorlesungen im Bereich Meeresbiologie an der Uni Bremen hält. Der Bericht wird die globalen und regionalen Auswirkungen des Klimawandels auf Ökosysteme und Biodiversität sowie auf Kulturen und Lebensweisen des Menschen zusammenfassen.

Im März 2022 wird voraussichtlich der Bericht der Arbeitsgruppe III folgen.

Nachtrag zum IPCC-Bericht vom 27.02.2022

Die Arbeitsgruppe II des Weltklimarats hat am 27. Februar 2022 ein ergänzendes Dokument zu dem Bericht herausgegeben. Hier eine kurze Übersicht über die Kernaussagen:

  1. Mehr als 3,3 Mrd. Menschen leben derzeit in Regionen, die vom Klimawandel betroffen sind. Dabei bestehen teils starke lokale Unterschiede.
  2. Seit den letzten Berichten des IPCC haben sich die Auswirkungen des Klimawandels weiter verschlechtert. Die Voraussagen des IPCC in den vergangenen Berichten sind in fast allen Fällen eingetreten, allerdings früher, als erwartet.
  3. Anpassungen an den Klimawandel sind begrenzt. Damit ist sowohl die natürliche Anpassung (Adaptation), als auch die technische und finanzielle Anpassung des Menschen gemeint. Je stärker die Auswirkungen, desto schwieriger wird es, mit Technik und Finanzen gegenzusteuern. Besonders betroffen sind Regionen, die bereits sehr arm sind.

Der Bericht zeigt vor allem, wie vielschichtig der Klimawandel ist und dass er nicht nur die natürlichen Ökosysteme betrifft, sondern sich auch zeitnah stärker auf menschliche Strukturen auswirken wird.

Und vor allem zeigt er, dass der Klimawandel ein dynamischer Prozess ist: Es gibt keinen Punkt, an dem der Klimawandel “am schlimmsten” sein wird. Selbst wenn wir das 1,5°C-Ziel erreichen, werden die Auswirkungen bereits sehr hoch sein. Doch je weiter wir uns von diesem Ziel entfernen, desto stärker werden auch die Auswirkungen und ihre Bekämpfung sein.

Weiter Informationen zu dem Bericht in den Empfehlungen und den Links (s. unten).

Empfehlungen

Einen kritischen Blick auf den IPCC und den Bericht bietet der Podcast „Klimazentrale – Der Talk zu Klima & Umwelt“ des SWR (in der ARD Audiothek, Google Podcast, Spotify und Apple Podcasts) – Folge Weltklimarat – Was kommt laut IPCC-Bericht auf uns zu? (13.08.2021).

Auch zu dem neuen Bericht gibt es eine Podcast-Folge in der ARD-Audiothek: Klimaanpassung – Gelingt der Schutz vor den Folgen des Klimawandels? (04.03.2022)

Empfohlen wird auch der interaktive Atlas des IPCC, in dem verschiedene Klimaszenarien und ihre Auswirkungen simuliert werden können.

Links

Offizielle Website des IPCC:   https://www.ipcc.ch

 

Sechster IPCC-Sachstandsbericht 2021 (AR6), Summary for Policymakers (Englisch)

Alle im Text erwähnten Abbildung sind in dieser Version zu finden

https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg1/

 

Bericht Climate Change 2022, Summary for Policymakers (Englisch)

https://www.ipcc.ch/report/ar6/wg2/ 

 

Website des IPCC-Büros des Alfred-Wegener-Instituts

https://www.awi.de/ueber-uns/transfer/ipcc-buero.html