-Ausdrücklich betont sei, bevor es in den Hauptteil des Blogartikels geht, dass meine Intention nicht diese der Kritik, noch jene des vollkommenen Lobes dieser Bewegung ist. Ich selbst habe vor einiger Zeit begonnen an Demonstrationen verschiedenster Gruppierungen teilzunehmen, sowie verschiedene Aktionen mitzuplanen. Primär ging es mir darum, einen Weg zu finden, mein Gefühl der Ohnmacht, in Anbetracht der politisch unzureichenden Handlungen bezüglich der Klimakrise zu bewältigen. Somit hoffe ich, mit diesem Beitrag einen Eindruck verschaffen zu können, wie Klimaaktivismus aussehen kann.

Extinction Rebellion ist eine mittlerweile internationale, ursprünglich aus Großbritannien stammende, Klimagerechtigkeits-/Graswurzelbewegung. Hier geht’s zur Homepage: https://extinctionrebellion.de 

  1. Sagt die Wahrheit, 2. Handelt jetzt, 3. Politik neu leben

Drei zentrale Grundprinzipien von Extinction Rebellion, welche aus dem britischen Königreich eine europaweite und später auch weltweite Reise unternahm und Menschen allen Alters unter einem Dach, mit einem Ziel, vereinte: Die Kommunikation der Dringlichkeit des Handlungsbedarfes bezüglich des anthropogen befeuerten Klimawandels auf politischer, sozialer, sowie gesellschaftlicher Ebene mit konkret formulierten Forderungen: 1. den Klimanotstand ausrufen; 2. sich zu Netto-Null-Treibhausgasemissionen bis 2025 verpflichten; und 3. eine Bürgerversammlung für Klima- und ökologische Gerechtigkeit einrichten, die ihrerseits Gesetze für Maßnahmen zur Erreichung des Netto-Null-Ziels schaffen wird.

Mit einer starken Mobilisierung junger Erwachsener, aber auch älterer Aktivisten, die noch aus der Zeit der „Friends of the Earth“ und Greenpeace-Demonstrationen stammen, soll in der Öffentlichkeit genug politischer Druck erzeugt werden, zu Beginn der Bewegung durch gezielte Massenfestnahmen[1]. Seitdem hat sich einiges bewegt. Die Problematik der Erderhitzung wird weitestgehend als solche akzeptiert, jedoch scheint sich ein Tuch der Passivität über die Welt zu legen, durch welches wir die Krise betrachten, ohne genügend Maßnahmen in Bewegung zu setzen, die sich tatsächlich an den bspw. Zielen des Pariser Abkommens orientieren (was nun nicht mehr originalgetreu einhaltbar ist). Dies spiegelte sich auch in den aktuellen Demonstrationen zahlreicher Organisationen/Verbände in Glasgow zum COP26 wider, auf dessen Ergebnisse und Konsequenzen ich in meinem vorherigen Artikel eingegangen bin.

[1] Sowohl Hallam als auch Read erklären, dass die Strategie der Massenverhaftungen von früheren, hoch angesehenen sozialen Bewegungen für groß angelegte Veränderungen abgeleitet wurde, die gewaltlosen zivilen Ungehorsam als ihren Hauptmechanismus verwendeten. Beide verweisen auch auf neuere sozialwissenschaftliche Forschungen, die zeigen, dass, wenn 3,5 Prozent einer Bevölkerung sich aktiv für eine Sache einsetzen und an gewaltfreien Protesten teilnehmen, diese weitestgehend garantiert erfolgreich sind, um somit politische Veränderungen zu erreichen.

 

Diesen Schleier der Ohnmacht, im Angesicht eines schwer erfassbaren Problems, versuchen die Aktivisten von Fridays for Future, Extinction Rebellion und Ende Gelände (Letztere nur in Deutschland) und viele Weitere zu entwirren, um die internationale Politik sowie auch Wirtschaftseliten zum Handeln zu bewegen und vor allem Emissionen zu senken. Für Extinction Rebellion spielt neben herkömmlichen Demonstrationen der zivile Ungehorsam, in Anlehnung an die passive Protestform vieler sozialer Graswurzelbewegungen[1] für soziale Gerechtigkeit, eine große Rolle.

Straßenblockaden, öffentliche Theaterperformances und Kunstinstallationen können Teil dieser Protestform sein (siehe:  zweite Ausgabe von “The Politics of Nonviolent Action” von Gene Sharp; 198 Methods of Nonviolent Action). Dem Aktivisten mögen all diese Performances, Möglichkeiten der öffentlichen Provokation und friedlichen Form des Protests, himmlisch erscheinen, beinahe wie ein Manifest. Jedoch nimmt die Öffentlichkeit die verschiedenen Aktionen oft anders wahr als intendiert

[1] Neben anderen die amerikanische Bürgerrechtsbewegung, angeführt von Persönlichkeiten wie Martin Luther King, sowie die indische Unabhängigkeitsbewegung gegen die britische Herrschaft, geleitet von Mahatma Gandhi.

Damit kommen wir zu der ersten Problematik der Bewegung. Die langzeitige Aufrechterhaltung/öffentliche Repräsentation einer nicht hierarchischen Bewegung. Die Organisation und Planung von Aktionen erfolgt in dezentralisierten Kleingruppen, die sich untereinander vernetzen. Hierin besteht zum einen, wie vorhin erwähnt, die Schwierigkeit der Aufrechterhaltung dieser Strukturen und zum anderen ist die Verdrängung der natürlichen demokratischen Debatte, die letztendlich ebenso eine Hierarchie schafft, Indikator einer politischen Schwäche innerhalb der Bewegung (M. Fotaki).

Wohlbemerkt gibt es Prinzipien, an die sich jeder halten muss, doch auch hier tritt die Frage nach der subjektiven Interpretation einzelner Individuen und Kleingruppen auf. In Deutschland hat es bis jetzt keine größeren Skandale gegeben, in Großbritannien dagegen sehr wohl. Beispielsweise gab es eine Aktion, bei welcher Aktivisten auf das Dach einer U-Bahn geklettert sind, um so den Verkehr zu behindern und auf die „Krise aufmerksam zu machen“. Passanten reagierten unter anderem gewalttätig und zerrten Aktivisten auf den Bahnsteig. Von der Mehrheit der, damals aktiven, Aktivisten in Großbritannien wurde die Aktion vor ihrer Durchführung abgelehnt, dennoch fand sie statt. Somit hat eine Minderheit den öffentlichen Ruf der Bewegung stark negativiert.

In der deutschen Öffentlichkeit ist der Ruf der Bewegung als sehr durchmischt zu bewerten. Viele Menschen, darunter auch Pressemitarbeiter, wissen teilweise nicht genau, weshalb demonstriert wird[1]. Forderungen scheinen auf den Internetseiten gut formuliert und nachvollziehbar, jedoch tendieren sie dazu, in Aktionen auf der Straße die Klarheit zu verlieren, der es bedarf, um eine demokratische Debatte anzuregen. Daher auch oft die Kritik in den öffentlichen Medien über die ziellose Radikalität[2] von Extinction Rebellion.

Unter anderem habe ich XR in den Fokus genommen, da ich selbst daran teilgenommen habe, zum anderen da es einen europabezogenen Einschnitt in die Bewegung gab. In der größten Kontroverse, die diese Bewegung ertragen musste. Roger Hallam (inoffizieller Mitbegründer) und Leitfigur der aktivistischen Gruppe, vor allem in Großbritannien, äußerte sich am 20. November 2019 in der Zeit mit einem Statement, das beinahe das Ende der Bewegung herbeiführte. Er relativierte den Holocaust und bestritt dessen Singularität. Des Weiteren hält er die deutsche Haltung zum Holocaust für schädlich und lähmend. Im Verlauf des Interviews bezieht sich Hallam auf unterschiedliche Genozide, beschreibt es als beinahe normales Phänomen, dass in verschiedenen zeitlichen Abschnitten massenweise Menschen umgebracht werden, und erntet daraufhin nicht nur heftige internationale Kritik, sondern verliert auch einen Vertrag mit dem Deutschen Buchverlag (Ullstein Verlage), der sein Buch mit dem Titel: „Common Sense – Die gewaltfreie Rebellion gegen die Klimakatastrophe und für das Überleben der Menschheit“ zu publizieren plante.

(Kompletter Artikel: https://www.zeit.de/2019/48/extinction-rebellion-roger-hallam-klimaaktivist )

Alle Ableger der Bewegung weltweit distanzierten sich von Hallams Statement, so auch Extinction Rebellion Deutschland. Was danach zu beobachten war, war ein Verlust des gemeinsamen Handelns, des Konsens, der sich über Grenzen bewegte. Nun schienen alle ihr „eigenes Ding“ zu machen, da kein Bezug mehr zum Ursprung bestand. Mit einer gewissen Ziellosigkeit versuchte man neue Strukturen aufzubauen und neue Möglichkeiten zu erkunden, Proteste an die richtigen Adressaten zu richten.

[1] Anonymes Statement einer Aktivistin, die der Presse während eines Interviews Gegenfragen zu XR stellte.

[2] https://www.zeit.de/campus/2019-10/extinction-rebellion-klimaaktivisten-camp-berlin-ziviler-ungehorsam/seite-2