Über Eisbohrkerne Teil II
Im ersten Artikel über Eisbohrkerne haben wir erfahren, warum im Eis uralte Geschichten schlummern. Wir sind zur eisigen Bibliothek gelangt und haben uns angeschaut, wie die Geschichten in Form von Eisbohrkernen geborgen werden können. Jetzt wird es darum gehen, wie wir dem Eiskern seine Geschichten entlocken können. Dafür müssen wir die verschiedenen Sprachen des Eises verstehen.
Dies ist der zweite Teil der Reihe „Über Eisbohrkerne“. Zum ersten Teil geht es hier.
Das Studium der historischen Bücher aus Eis
Nun haben wir alle Kapitel des eisigen Buchs an die Oberfläche geholt. Und nun? Das Lesen in dem Eiskern ist aufwändig. Einige Teile der Sprache konnten schon entschlüsselt werden, aber Lesen können wir trotzdem auf den ersten Blick kaum etwas. Dafür brauchen wir eine Übersetzung. Diese übernehmen zum Beispiel Messinstrumente. Die meisten Messinstrumente konnten wir aber nicht mit auf den Gletscher nehmen, sie stehen in den Laboren in den Instituten. Wir nehmen also den Eiskern mit. Wir leihen uns ein Buch aus der Bibliothek aus. Wobei, wir werden den Eiskern nicht zurückbringen können, nachdem wir in ihm gelesen haben, denn zum Lesen müssen wir das Eis teilweise schmelzen. Das ist dann schon etwas anderes als Ausleihen.
Das Geheimnis der Luftbläschen
Unser Eiskern spricht tatsächlich sogar mehrere Sprachen gleichzeitig, denn das Eis, was aus hunderten Metern Tiefe stammt, besteht nicht nur aus gefrorenem Wasser. Es sind auch kleine Luftbläschen in dem Eis eingeschlossen. Diese Luftbläschen enthalten eine der Sprachen. Denn diese Luftbläschen enthalten Luft, die schon tausende Jahre alt sein kann.
Wie das kommt? Frisch gefallener Schnee ist ganz locker. Zwischen den filigranen Flocken befindet sich ganz viel Luft. Mit den Jahren verdichtet sich der Schnee immer mehr und neue Lagen Schnee legen sich obendrauf.
Aus dem Schnee wird Firn (der verdichtete, grobkörnige Schnee). In den Zwischenräumen der Eiskörnchen ist noch immer Luft. Die Firn-Körnchen rücken immer näher zusammen. Schließlich frieren sie zusammen und die eingeschlossene Luft kann nicht mehr entweichen. Es kann auch keine neue hinzuströmen. Somit ist jedes Luftbläschen ein winzig kleines Stück Atmosphäre und repräsentiert die Atmosphäre zu der Zeit, als die Luft dort eingeschlossen wurde. Das ist, ohne zu übertreiben, eine fantastische Sache! Denn mit diesen Luftbläschen haben wir die Möglichkeit, direkt zu messen, wie die Atmosphäre vor tausenden von Jahren zusammengesetzt war. Wie viel CO2 enthielt sie in Zeiten als es besonders kalt oder besonders warm war? Wie schnell hat sich der CO2-Gehalt verändert? War der Anteil von Sauerstoff in der Atmosphäre immer gleich hoch? Wie sieht es mit Methan aus? Die Luftbläschen enthalten also die Sprache, die uns die Bestandteile der Atmosphäre aus der Vergangenheit mitteilt.
Um Eisbohrkerne und ihre kleinen Luftbläschen mal aus der Nähe betrachten zu können, begeben wir uns in einen riesigen Gefrierschrank. Im folgenden Video von Terra X werden wir in ein Eislabor am Alfred-Wegener-Institut mitgenommen.
CC BY 4.0, ZDF/Terra X/Gruppe 5/Luise Wagner, Jonas Sichert
Eis kann Temperaturen speichern
Das Eis selbst kann auch sprechen. Es kann uns etwas über die Temperatur sagen, die herrschte als sich dieses Eis gebildet hat. Klingt merkwürdig? Eis kann doch nicht einfach die Temperatur von vor tausenden von Jahren halten. Stimmt! Aber die Zusammensetzung des Eises verrät uns etwas über die Temperatur.
Wasser – H2O – Das H steht für Wasserstoff und das O für Sauerstoff. Es gibt den „normalen“ Sauerstoff und „schweren“ Sauerstoff. Um den Unterschied der beiden zu verstehen, müssen wir verstehen, wie Atome aufgebaut sind.
Eine genauere Beschreibung zu Atomen gibt es hier:
Atome und Isotope
Der Name Atom kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet „unteilbar“. Bei der Namensgebung wurde angenommen, dass Atome die kleinstmöglichen Teilchen waren. Wie Wissenschaftler*innen jedoch später herausfanden, sind Atome keineswegs unteilbare Teilchen. Atome bestehen aus noch kleineren Teilchen. Nämlich aus…
- … winzig kleinen und leichten Elektronen (rot). Diese befinden sich in verschiedenen „Schalen“, die den Kern des Atoms umschließen (repräsentiert der Einfachheit halber durch die weißen Ringe). Elektronen sind elektrisch geladen. Sie haben alle die gleiche Ladung. Diese ist als negativ definiert.
- … schwereren Protonen (blau). Sie sind viel schwerer als Elektronen. Ihre Ladung ist gleich stark wie die der Elektronen, aber sie ist positiv.
- … neutralen Neutronen (gelb). Sie sind genauso schwer wie die Protonen, haben aber keine elektrische Ladung – sie sind neutral.
Protonen und Neutronen bilden zusammen den Kern des Atoms. Wie schwer das Atom ist, hängt von der Anzahl der Protonen und Neutronen ab (die Elektronen sind im Vergleich so leicht, dass wir ihr Gewicht vernachlässigen können). Heißt, um das Gewicht eines Atoms zu bestimmen, zählen wir Protonen und Neutronen und multiplizieren sie mit ihrer Masse (die ja gleich ist).
Die meisten „klassischen“ Atome besitzen gleich viele Protonen und Neutronen im Kern. Von dieser Anzahl hängt es ab, ob wir das Atom z.B. dem Element „Sauerstoff“ (8 Protonen + 8 Neutronen) oder „Silber“ (47+47) zuordnen.
Die Anzahl der Neutronen kann aber auch variieren. Dann sprechen wir von verschiedenen Isotopen desselben Elements. Um diese auseinanderhalten zu können, schreiben wir die Summe von Protonen- und Neutronenanzahl vor das Element, z.B. 16O für den „klassischen“ Sauerstoff.
Es gibt den „normalen“ Sauerstoff (16O), dessen Kern besteht aus 8 Protonen und genauso vielen Neutronen, wie das bei einem „klassischen“ Atom eben so ist. Es gibt aber auch weitere stabile Formen des Sauerstoffs wie den „schweren“ Sauerstoff. Dieser hat auch 8 Protonen, aber 10 Neutronen (also 2 Neutronen mehr). Dieser Sauerstoff ist also schwerer.
In Wasser – H20 – kann sowohl der „normale“ als auch der schwere Sauerstoff enthalten sein. Eine interessante Eigenschaft von Wasser mit schwerem Sauerstoff, die wir jetzt ausnutzen, ist, dass dieses schwerere Wasser auch „schwerer“ verdunstet.
Das Eis auf dem Eisschild bildet sich aus dem Schnee, der darauf gefallen ist. Der Schnee kommt aus Wolken und das Wasser und Eis in den Wolken kommt vor allem aus den Ozeanen. Das Wasser der Ozeanoberfläche verdunstet und steigt auf. Wenn es kalt ist, verdunstet hauptsächlich das Wasser mit dem leichteren Sauerstoff. Je wärmer es aber wird, desto mehr verdunstet auch das Wasser mit dem schweren Sauerstoff. Wenn es warm ist, landet also auch besonders viel schwerer Sauerstoff auf dem Eis. Und wenn wir in einer Schicht im Eis dann viel schweren Sauerstoff finden, dann fiel der Schnee wohl in einer warmen Klimaperiode.
Eine wichtige Information fehlt noch
Ok, nun verstehen wir die Sprache der Luftbläschen und die der Temperatur im Eis. Das ist super interessant und verrät uns ganz viel über das Klima der Vergangenheit. Wir können uns auch anschauen, welche Zusammensetzung der Atmosphäre mit welcher Temperatur zusammenhängt. Mega spannend! So können wir auch etwas über unser heutiges Klima lernen und haben Anhaltspunkte, wie sich das Klima in Zukunft entwickeln könnte.
Doch etwas Wichtiges fehlt noch. Was wir bisher wissen: „Irgendwann vor tausenden von Jahren herrschte diese Temperatur und die Atmosphäre setzte sich so und so zusammen“. Jetzt wollen wir natürlich wissen, wann genau eigentlich?
Wie wir dem Eis auch diese Information noch entlocken können, erfahren wir im letzten Artikel (Part III) der Eisbohrkern-Reihe.
Quellen/Weiterführende Links
Die Artikel-Reihe „Über Eisbohrkerne“ basiert auf dem Podcast-Adventskalender „Eis hoch 24“ aus dem Jahr 2020.
Youtube: https://www.youtube.com/channel/UC8ZphUO3AC8Xbt4SwXd589A
Die Themen dieses Artikels werden ausführlicher insbesondere in Folge 4 (Klimarekonstruktion) & Folge 11 (Was sind eigentlich Gletscher?) behandelt.
Klimarekonstruktion
https://www.iceandclimate.nbi.ku.dk/research/drill_analysing/
Atome
Isotope
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