Das Jüdische Viertel, auch Josefov oder Josefsstadt genannt, liegt im Herzen der bezaubernden Stadt Prag und ist ein Ort, an dem Geschichte, Kultur und Religion auf ganz besondere Weise aufeinandertreffen. Dieses Viertel hat eine einzigartige und tiefgreifende Bedeutung für die Geschichte der Stadt und bietet einen Einblick in einen Teil des Jahrhunderte alten europäischen jüdischen Erbes und bezeugt auch seine Widerstandsfähigkeit. Im vergangenen Sommer verbrachte ich meinen Urlaub in Prague und hatte so die Möglichkeit das jüdische Viertel zu erkunden. Mit diesem Artikel möchte ich einen Einblick über den Ort, der sich nach meiner Prag Reise am stärksten in meine Erinnerung eingeprägte, darbieten.
Ein Erbe des Überlebens: Tatsächlich reicht die Geschichte des „Prager Judenviertels“ bis ins 13. Jahrhundert zurück. Auch wenn es schon im 10. Jahrhundert Erwähnungen von Juden in Prag in Schriften eines jüdisch-arabischen Kaufmannes gibt, bleiben diese Berichte eher vage. Laut einer Sage heißt es, Juden seien direkt nach der Zerstörung des Jerusalemer Tempels nach Tschechien gegangen; wohl auch zu Regionen in und um Prag. Juden byzantinischen Ursprungs kamen aus dem Osten und ließen sich in der Umgebung der heutigen „Dusni ulice“ nieder. Juden aus dem Westen trafen einige Zeit später ein und siedelten sich im Gebiet der Prager Altstadt an (dort, wo heute die Altneusynagoge steht). Hier liegen uns dann auch ab dem 13. Jahrhundert eindeutige Berichte über die Erbauung des ehemaligen Prager Ghettos vor. Somit erlitt die jüdische Gemeinde auch hier, in der Hoffnung auf ein neues Leben, Leid, Feindseligkeit und Totschlag. Dies ist zum Beispiel an Schriften über ein Pogrom zu Ostern des Jahres 1389 festzumachen. Trotz Verfolgung und Diskriminierung hat die jüdische Gemeinde hier überlebt und einen unauslöschlichen Stempel in der Geschichte der Stadt hinterlassen.
Bessere Zeiten kündigten sich erst im 16. und 17. Jahrhundert an. Synagogen in voller Pracht fanden ihre Bauvollendung und es gab eine Jeschiwa mit zahlreichen jüdischen Gelehrten. Aber erst ab 1848 durch die Etablierung von allgemeinen Bürgerrechten für Juden in Böhmen, wurde es für alle Juden möglich sich in ganz Prag niederzulassen. Daraufhin entnahm man dem Viertel auch die Ghettobezeichnung und nannte es, in Anlehnung an Kaiser Joseph und sein Toleranzpatent für Juden 1781, Josefstadt.
Nach der Etablierung der allgemeinen Bürgerrechte zogen wohlhabendere Familien aus dem Viertel, was zu einer Verwahrlosung vieler Häuser führte. Hinzu kam, dass zwischen 1893 – 1913 der Großteil des Ghettos abgerissen wurde. Neubauten an diesen Orten orientierten sich am Jugendstil (mit Paris als Vorbild). Bürgerproteste setzten sich somit erfolgreich für den Erhalt der auch heute noch bestehenden sechs Synagogen, des jüdischen Rathauses und des jüdischen Friedhofs ein. Dieser ist der älteste jüdische Friedhof Europas und man findet dort auch den berüchtigten Grabstein des Rabbi Judah Loew (über dessen Legende vom Prager Golem könnt ihr hier lesen). Heute sind all diese Orte Teil des Jüdischen Museumkomplexes und verfügen über eine der weltweit größten Sammlungen an jüdischen Artefakten. Diese beherbergt eine beeindruckende Sammlung von Artefakten, Manuskripten und Kunstwerken, die von der jüdischen Erfahrung in der Stadt erzählen. Es gibt ebenfalls eine sehr informative Ausstellung von Kinderzeichnungen aus Theresienstadt. Das Ticket, das ihr dort erwerbt, ermöglicht den Eintritt in alle oben genannten Gebäude und Sehenswürdigkeiten. Es ist wirklich von Vorteil, sich die Besuche aufzuteilen. Denn das Ticket ermöglicht den Eintritt für die nächsten 4 Tage, somit bleibt einem genügend Zeit, alles in Ruhe und mit genügend Reflexionszeit zu besuchen.
Die beeindruckenden Synagogen des Viertels bieten nicht nur einen Einblick in das verzierte Innere dieser religiösen Orte, sondern zeigen auch viele jüdische Artefakte. Für historisch Interessierte gibt es ebenso zahlreiche Texttafeln. Die Spanische Synagoge, die Alt-Neue Synagoge (die älteste aktive Synagoge Europas) und die Maisel-Synagoge zeichnen sich alle durch ihren einzigartigen Baustil und ihre religiöse Bedeutung aus. Die Pinkas-Synagoge, die zeitgleich als Holocaust-Denkmal fungiert, war wohl die bedrückendste Erfahrung des Rundganges im jüdischen Viertel in Prag, aber auch wichtiger Teil der Respektbezeugung während des Besuches. Denn die Wände der, als Gedenkstätte für die Opfer des Holocaust dienende Synagoge, sind mit den Namen, Geburts-, sowie Todesdaten von über 77.000 jüdischen Opfern aus Böhmen und Mähren eingraviert. Darunter fanden sich sehr viele Kinder und junge Menschen. Die Hohe Synagoge und die Klausen-Synagoge sind ebenso sehr beeindruckende Bauten. Neben Letzterer steht auch direkt der jüdische Friedhof. Der Friedhof mag auf dem ersten Blick etwas chaotisch aussehen, da die ca. 12.000 Grabsteine aus Platzmangel übereinandergestapelt sind und es sehr hügelig erscheint. Das liegt daran, dass man aus Platzmangel die Verstorbenen in bis zu zwölf Schichten begrub.
Neben diesen historischen Sehenswürdigkeiten besteht auch die Möglichkeit, zeitgenössische jüdische Kultur in Prag kennenzulernen. Unter anderem gibt es die Möglichkeit, die authentische jüdische Küche in einem der vielen koscheren Restaurants in der Umgebung kennenzulernen. Empfehlenswert sind hier traditionelle Gerichte wie Matzekugelsuppe und Gefilte Fisch. Gefilte Fisch beispielsweise ist ein Gericht, das aus einer pochierten Mischung von entgrätetem Fisch, wie Karpfen, Felchen oder Hecht, besteht. Es wird in aschkenasischen jüdischen Haushalten traditionell als Vorspeise serviert. Er ist am Schabbat und an jüdischen Feiertagen wie Pessach beliebt, kann aber auch das ganze Jahr über verzehrt werden. Zudem gibt es rund ums Jahr Feste und Veranstaltungen, die häufig im Viertel stattfinden, darunter Musikkonzerte, Ausstellungen und Vorträge zu unterschiedlichsten Themen.
Das Jüdische Viertel in Prag ist nicht nur eine historische Stätte, sondern auch ein lebendiges Zeugnis für den ungebrochenen Geist einer Gemeinschaft, die sich im Laufe der Jahrhunderte unzähligen Herausforderungen gestellt hat. Wenn man durch die engen Gassen schlendert, die prächtigen Synagogen besichtigt und in die vielfältige Kultur des Viertels eintaucht, wird man ein fundierteres Verständnis für die tiefgreifende und unverwüstliche Geschichte des jüdischen Volkes in Prag entwickeln. Plant also euren Besuch in diesem bezaubernden Viertel und begebt euch auf eine Reise durch Zeit und Tradition, die ihr nie vergessen werdet!