Nachdem ich einen persönlichen Blogbeitrag zu meinem Besuch des jüdischen Museums in Berlin veröffentlicht habe, möchte ich in diesem Beitrag fortsetzend die dazugehörige Geschichte dieses größten jüdischen Museums Europas präsentieren.

Zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt wurde im Januar 1933, eine Woche vor Hitlers Amtsantritt, das erste jüdische Museum in einer Reihe von Ausstellungshallen in der Oranienburger Straße in Berlin eröffnet. Dort befanden sich zu der Zeit auch eine Synagoge, eine jüdische Bibliothek und die jüdische Gemeinde. Zu den ersten Ausstellern/Austellerinnen gehörten bspw. die Berliner Sezessionisten, mit dem deutsch-jüdischen Künstler Max Liebermann als deren Gesicht. (Die Villa Liebermanns mit einer permanenten Ausstellung und einem wirklich hervorragenden Garten am Wannsee ist besonders im Sommer einen Besuch wert).

Viele assimilierte Juden dieser Zeit äußerten sich kritisch gegenüber der Idee eines jüdischen Museums. Fragen drehten sich vor allem um die Ausstellungsgegenstände; ob auch nicht-jüdische Kunst dort Platz findet und wie religiös die Ausstellungen sein sollten. Diese Fragen fanden ein Ende durch die Nürnberger Gesetze der Nazis und dem Verbot für das Museum „deutsche“ Kunst auszustellen; sowie „deutsche“ Gäste zu empfangen. Jegliche jüdische Kunst, die sich in dem Museum befand, wurde von den Nazis als „entartete“ Kunst erklärt. Dies ging so weit, dass die Einrichtung den Titel „Museum für entartete Kunst“ trug.

In der Pogromnacht am 10. November 1938, nach fünfjähriger Resistenz der jüdischen Gemeinschaft und weiteren jüdischen Ausstellungen, wurde das Museum geplündert und in großem Ausmaß beschädigt. Die Kunst des Museums wurde von den Nazis „konfisziert“; einige dieser Werke fand man nach dem Krieg in privaten Besitztümern wieder. Es handelte sich hierbei um über 400 Werke. Im weiteren Verlauf des Krieges wurden jegliche Überreste des ehemaligen jüdischen Museums irreparabel zerstört.

Um nun etwas in der Geschichte vorzuspringen, kommen wir zu dem nach langen politischen Debatten 1969 gegründeten Berlin Museum im Westteil der geteilten Stadt (sozusagen als Gegenstück zum 1876 gegründeten Märkischen Museum im Ostteil Berlins).  Hier sollte alles einen Platz finden, was Berlin repräsentiert, Berliner Identität und Historie vereint, inklusive der jüdischen Geschichte Berlins. Jedoch fanden die meisten jüdischen Exponate kaum Aufmerksamkeit, da das Museum hierfür, mit der Begründung zu wenig Platz dafür zu finden, keine komplette Ausstellung kurierte. Erst 1971 eröffnete die erste Ausstellung über jüdisches Leben in Berlin mit dem Titel „Beitrag und Schicksal: 300 Jahre jüdische Gemeinschaft in Berlin, 1671-1971″.

In den darauffolgenden Jahren herrschten vor allem Debatten um ein eigenes jüdisches Museum oder die Gründung einer jüdischen Abteilung im Berlin Museum. Letzteres realisierte sich im Jahre 1988. Damit eröffnete sich die Frage nach den Ausstellungsinhalten. Auf der Planungsliste standen folgend die jüdische Religion, Gebräuche und rituelle Objekte; die Geschichte der Juden in Deutschland und ihrer Verfolgung und Ermordung durch die Nazis und wie jüdisches Leben die Geschichte und Kultur Berlins über Jahrzehnte geprägt hat. Eine weitere Schwierigkeit ergab sich in der Frage wie die jüdische Geschichte gleichzeitig als integriert und separiert von der deutschen Geschichte dargestellt werden sollte. Man wollte weder ein feindliches Narrativ weiterführen noch ein falsches Bild der unverzeihlichen Vergangenheit darstellen.

Schalechet - Gefallenes Laub von Menashe Kadishman

Menashe Kadishman – Schalechet „Gefallenes Laub“ 

Nachdem man mit Daniel Libeskind einen visionären Architekten gefunden hatte, wurde das Projekt des metallenen, gezackten Nebengebäudes 1989 in Angriff genommen. Das Nebengebäude sollte damit komplett der jüdischen Abteilung des Berlin Museums zur Verfügung stehen. Besonders Libeskinds poetisch philosophische Interpretation einer Architektur des Hauses, welches die Leere und Hilflosigkeit der Vergangenheit widerspiegelt, beeindruckt Touristen vor Ort bis heute. Gemeint sind damit eingebaute Leerstellen durch Fenster, große Kanten des Gebäudes oder hohe Räume wie der Holocaust Turm. Eines der bewegendsten Exponate des Museums; die Leere der Erinnerung symbolisierend. Es handelt sich hierbei um einen riesigen leeren Raum, der die Abwesenheit von Millionen jüdischer Menschen darstellt, die während des Holocausts ermordet wurden. Die Besucher/innen werden aufgefordert, durch die Leere zu gehen und dabei über die Schwere des Verlustes und die Widerstandsfähigkeit des jüdischen Volkes im Angesicht der unsagbaren Tragödie nachzudenken.

James Young, ein US-amerikanischer Sprachwissenschaftler und Judaist, formulierte dies wie folgt: „Ihr Ziel ist es nicht, zu beruhigen oder zu trösten, sondern die Besucher mit dem unangenehmen Gefühl heimzusuchen, das ins Bewusstsein zu rufen, was zuvor – sogar glücklich – verdrängt wurde. Die Leerstellen erinnern an den Abgrund, in den diese Kultur einst versank und aus dem sie nie mehr wirklich auftaucht.“

Nach einer langen Planungs- und Bauphase wurde das Museum 2001 eröffnet. Bei der Einweihung waren der damalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder und der damalige israelische Präsident Moshe Katsav anwesend, was die engen Beziehungen zwischen den beiden Nationen nach dem Holocaust symbolisieren sollte. Die Bestände des Berlin Museums wurden mit dem des Märkischen Museums zusammengeführt und das Kollegienhaus mit dem Libeskind-Bau zum jüdischen Museum. Es ist jedoch mehr als nur ein Museum; es ist ein starkes Symbol für die Auseinandersetzung Deutschlands mit seiner Vergangenheit und seine Verpflichtung, die Erinnerung an das jüdische Volk zu ehren. Heute, da die Welt mit dem zunehmenden Antisemitismus und den Hassverbrechen gegen jüdische Gemeinden zu kämpfen hat, ist dieses Museum ein Leuchtfeuer der Hoffnung und eine Erinnerung daran, wie wichtig es ist, sich gegen Bigotterie und Hass zu stellen.

Quellen:

https://www.jmberlin.de

https://www.jstor.org/stable/pdf/4467574.pdf?casa_token=7uZkRY8_yLcAAAAA:k9E1tqqWfSAV6pnH8_QucUYvGQFRqpwpvurThB90BIoJaSvmQ4muumRcizAHKj3aSS15VCVdyJDWPfvodabpslEY_lsLAKI33uvGEK7JM9O1l-j06ECG