Die Schiebetür des Polizeiwagens knallt zu, für einen Augenblick Dunkelheit, bis ein Beamter das Licht anknipst. In meiner kleinen metallenen Zelle versuche ich die Zahlen, die mit Edding geschrieben, auf meinem Arm stehen, zu entziffern. Mein Anruf aus der Polizeistation würde an diese Nummer gehen. So lerne ich sie eben noch auswendig, nur um eine Nummer sicherzugehen, da die Zahlen mit meinem Schweiß davonlaufen. Ich schaue mich um, wobei ich nur eine spärliche Luke entdecke, die es mir erlaubt, den Beamten zu sehen der uns im Wagen begleitet.
“Was halten Sie eigentlich von uns Umweltaktivisten?“, frage ich ihn, ohne zu beachten, dass man mich aus der Zelle kaum hören kann. Er schaut mich einen Moment verwirrt an, und bittet um die Wiederholung meiner Worte. Ich schreie meine Frage, er antwortet bescheiden: „Na ja, ihr seid ein Haufen Arbeit. Unsere Kräfte können wir garantiert woanders besser einsetzen, als hier zu sein, um euch zu verhaften. Ihr habt da, meiner Meinung nach, einen völlig falschen Ansatz. Ich finde, es fängt beim Individuum an. Jeder sollte für sich selbst entscheiden, wie er sich in Anbetracht der Klimaproblematik verhält. Regionale Bioprodukte kaufen, mehr Fahrrad fahren, all sowas eben. Ich meine, wir sind ja nicht das Problem. Das Einzige, was ihr tut, ist es uns und dazu auch noch Passanten zu behindern.“ Teilweise stimme ich ihm zu, versuche jedoch auch meinen Punkt zu verdeutlichen, was ich letztendlich aufgebe, als der Wagen plötzlich langsamer wird. Angekommen. Wo? Keinen Schimmer.
Der Beamte steigt aus dem Auto, grüßt seine Kollegen, die uns schon erwarten und holt uns einzeln aus unseren Zellen. Er begleitet uns hinaus, durch den Haupteingang eines ziemlich heruntergekommenen weißen Hauses, dessen graues Blechdach es nicht schöner erscheinen lässt. Meine Augen versuchen sich verzweifelt an das grelle Licht der Umgebung anzupassen. Es geht weiter in einen Zwischenraum, wo wir unsympathisch gegrüßt und abgetastet werden. „Jegliche Gegenstände sind abzugeben“, räuspert sich ein älterer Beamter verschlafen. Nun werden wir in einen spärlich beleuchteten Gewahrsamsraum geführt, der wie eine beschmierte Turnhallenumkleide aussieht. Mein Diskussionspartner verabschiedet sich und wünscht uns noch alles Gute, er hat Feierabend.
Etwas entfernt im Hintergrund in einem Nebenraum läuft ein Fußballspiel, während sich die Beamten bemühen, einer weiteren Aktivistin im Flur den Sekundenkleber von den Händen zu entfernen, um ihre Fingerabdrücke zu archivieren. „Entschuldigen Sie, können wir bitte unseren rechtmäßigen Anruf tätigen?“, fragt ein Aktivist, seine Stimme hallt ein wenig durch die, in gelbes Licht getunkte, Turnhallenumkleide. „Euch steht jetzt kein Anruf zur Verfügung. Das ist nicht wie im Fernsehen“, entgegnet uns einer der drei Beamten trocken.
Nach einer gefühlten Ewigkeit werden wir aufgerufen, um, trotz unseres Widerspruchs (gegen Fingerabdrücke), unsere Personalien aufnehmen zu lassen. Es ist mittlerweile sehr spät, ich sitze auf einem klapprigen Drehstuhl und komme mir vor, als würden wir Bewerbungsfotos schießen. Die Kamera scheint nicht zu funktionieren, der Beamte hört Popmusik und ist am Handy beschäftigter als mit der Einstellung des Objektivs. Fünfter Versuch, es klappt, ich kann gehen. „So, hier sind Ihre Gegenstände. Wenn Sie wollen, können Sie dort unterschreiben, als Bestätigung des Erhalts Ihrer Sachen“, er klingt genauso müde, wie ich es bin. Ohne Unterschrift begebe ich mich endlich ins Freie.
Jetzt stehen wir irgendwo in Berlin-Moabit in einer verlassenen dunklen Straße, beleuchtet vom fremdartig grellen Licht der Polizeiwache. Uns erschlägt eine finale Erschöpfung. All die Aufregung, dessen Spannungsbogen ihren Höhepunkt erreicht hat, erscheint uns nun wie ein weit zurückliegender Traum. In meinem Kopf kreischt immer noch die Flex, mit der neben unserem Arm gesägt wurde. Solidarische, wie auch missachtende Blicke der Passanten spiegeln sich vor meinem inneren Auge ab, zumindest bevor wir von Polizeiwägen und Beamten eingekesselt wurden. Auch der böse Blick des Busfahrers, dessen Straße wir blockierten (was tatsächlich nicht eingeplant war), will mir nicht aus dem Kopf gehen. Immerhin hatten wir einen großartigen Ausblick auf das, vom orangen warmen Licht des Sonnenuntergangs umarmte, Brandenburger Tor, während wir mit Bolzenschneidern, Sägen, sowie Hammer und Meißel Unter den Linden bedrängt wurden.
Eine Gruppe von Leuten kommt uns in der Dunkelheit entgegen. Unser Empfang, bei genauerer Betrachtung unsere Bezugsgruppe! Quasi unsere Aktivistenfamilie, in der sich alle persönlicher kennen und aufeinander Acht geben. Es ist ein sehr erleichterndes Gefühl, von Ihnen in Empfang genommen zu sein. Jetzt sitzen wir vor der Polizeiwache mit einer Thermoskanne Tee und warten auf weitere “Freigelassene”.
Das war’s also. Drei Monate Planung, ewige Diskussionsrunden bis spät in die Nacht, etliche Workshops und Stunden über Stunden an handwerklicher/künstlerischer Arbeit später standen wir hier: im Nirgendwo. Unser Film neigt sich dem Ende zu, woraufhin uns ein Haufen Fragen durch den Kopf gehen: War es das jetzt wert? Was hätte besser laufen können? Wie geht es den Anderen aus der Aktion? Welche Repressionen kommen auf mich zu?
Was kommt als Nächstes?!
Das ist für die junge Generation ein ständiger Kraftakt, soviel Engagement, das Risiko für sich selbst und andere einzugehen, zu welchen Preis? Was hat man wirklich geschafft, auch das Ziel
vor sein Augen zu bewahren, ein Funken Hoffnung zu geben für unsere Kinder, Familien und alle folgenden Generationen weltweit wahrlich zu kämpfen für ein besseres Leben und sorgenfreie Zukunft aller Menschen auf Erden.