Ein europäisches Bildungsprogramm ermöglicht Studierenden ihre eigene Raumfahrtmission zu entwickeln

von Greta Sondej und Christoph Kulmann
(aktualisiert: 24.11.2021)

Abb. 1: Ihr wolltet schon immer ein Experiment gen Weltall schicken? Dann ist das deutsch-schwedische Studierendenprogramm REXUS/BEXUS genau das richtig für Euch. Copyright © Arek Socha 2016 / Pixabay

In unserem letzten Artikel haben wir euch von unserem FORAREX-Projekt berichtet, das wir im Rahmen des deutsch-schwedischen REXUS/BEXUS Programms entwickeln.

Aber was genau beinhaltet nun dieses REXUS/BEXUS Programm? Und wer kann dort mitmachen?

Abb. 2: REXUS und BEXUS – Das deutsch-schwedische Bildungsprogramm steht allen Studierenden offen, die während der Projektlaufzeit an Universitäten und Hochschulen der ESA-Mitglieds- und Kooperationsstaaten eingeschrieben sind. (Zum Vergrößern Bild anklicken.) Copyright © DLR e.V.

Bewerben können sich Studierende, die während der gesamten Projektzeit an einer europäischen Hochschule bzw. Universität immatrikuliert sind und eine coole Experimentidee haben (siehe Abb. 2).

Der Name REXUS/BEXUS steht nämlich für “Rocket Experiments for University Students / Balloon Experiments for University Students”.

Dieses Programm ermöglicht Studierenden aus ganz Europa (siehe Details in Abb. 3) eigene wissenschaftliche- und technologische Experimente auf Höhenforschungsraketen und Stratosphärenballons durchzuführen. Das Besondere hierbei ist, dass diese Experimente unter speziellen Bedingungen, wie zum Beispiel unter dem Einfluss von Weltraumstrahlung oder in reduzierter Schwerkraft, auch Mikrogravitation genannt, durchgeführt werden.[1]

Jedes Jahr starten zwei Raketen und zwei Ballons, bestückt mit bis zu je fünf Experimenten, die zuvor von Studierendenteams entworfen und gebaut wurden. Ort des Geschehens ist der rein zivile Ballon- und Raketenstartplatz Esrange (European Space and Sounding Rocket Range) in der Nähe von Kiruna in Nordschweden. Gegründet 1964, wird Esrange seit 1972 von der Swedish Space Corporation (SSC) betrieben.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR e.V.) und die Swedish National Space Agency (SNSA; schwedisch Rymdstyrelsen) haben ein Abkommen zur gemeinsamen Durchführung des Studierendenprogramms REXUS/BEXUS geschlossen und teilen sich die Plätze auf den Forschungsraketen und Stratosphärenballons. Durch eine Zusammenarbeit der SNSA mit der European Space Agency (ESA) können sich sowohl Studierende aller ESA-Mitgliedsstaaten als auch die der kooperierenden Staaten über die schwedische Seite bewerben.

Daher gibt es zwei verschiedene Bewerbungsverfahren. Eine für Studierende, die an deutschen Hochschulen eingeschrieben sind und vom DLR e.V. verwaltet werden, und eine für Studierende, die an Hochschulen aus anderen ESA-Mitgliedstaaten[2], Kanada, Lettland, Litauen oder Slowenien eingeschrieben sind.[1][3]

Abb. 3: Bewerbungsmöglichkeiten für das REXUS/BEXUS-Programm. (Zum Vergrößern auf das Bild klicken.) Copyright © Greta Sondej 2018 ❘ FORAREX

Zur Realisierung des Ganzen sind noch weitere Partner in das Programm involviert.

Die Mobile Raketenbasis (MORABA) ist eine Abteilung des DLR Raumflugbetrieb und Astronautentraining in Oberpfaffenhofen bei München. Die Mitarbeiter*innen der Abteilung führen wissenschaftliche Höhenforschungsmissionen mit unbemannten Raketen und Ballons durch und entwickeln mechanische sowie elektrische Systeme. Für die Planung, Vorbereitung und Durchführung dieser Missionen hat die MORABA eine einzigartige mobile Infrastruktur und Hardware entwickelt, mit der innerhalb kurzer Zeit fast überall auf der Erde eine Rakete gestartet werden kann.[4]

Unter dem Namen EuroLaunch bietet MORABA in Kooperation mit dem SSC Esrange Space Center internationale Startdienste für Stratosphärenballons und Höhenforschungsraketen an. Im Rahmen des REXUS/BEXUS Programms ist diese Kooperation für das Kampagnenmanagement und für den Start der Forschungsraketen verantwortlich.

Für die Ausführung und Betreuung des deutschen Anteils ist die ZARM Fallturm-Betriebsgesellschaft mbH zuständig. Das Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) hat mit seinem Fallturm große Erfahrung in der Durchführung von Experimenten in Schwerelosigkeit und betreut seit einigen Jahren die Studierenden des REXUS/BEXUS Programms. Dort angesiedelt ist auch das wissenschaftliche Institut im Fachbereich 4 Produktionstechnik – Maschinenbau und Verfahrenstechnik – der Universität Bremen.[5] Vielleicht habt ihr das Wahrzeichen dieses Instituts, den Fallturm, schon gesehen? Es ist der lange schmale Turm, der hoch über dem nördlichen Teil des Bremer Universitätscampus thront.


Schön und gut, aber was macht dieses Programm so einzigartig?

Es ist ein ausgefeiltes Studierendenprogramm, das sich an Wissenschaftler und Ingenieure von Morgen richtet. Viele der Teilnehmer*innen sehen mit der Teilnahme ihre berufliche Zukunft in der Luft- und Raumfahrtbranche. Das Angebot eröffnet den Teilnehmenden die Besonderheit, den vollständigen Ablauf einer Raumfahrtmission zu erleben. Die Mission beginnt bei der Experimentidee und Projektplanung. Danach folgt die technische Umsetzung in den Bereichen Mechanik, Elektronik, Software sowie ausführliche Testreihen. Die Experimente werden auf Herz und Nieren geprüft, bevor sie beim langersehnten Raketen- bzw. Ballonstart in luftige Höhen versetzt werden. Zu guter Letzt erfolgt die Auswertung und Veröffentlichung der gewonnenen Daten.

Für Studierende, die Ballonexperimente (BEXUS) entwickeln, dauert die Projektlaufzeit 12 Monate. Bei Studierenden, die Raketenexperimente (REXUS) konzipieren, beträgt dagegen die Laufzeit 18 Monate. Was jedoch allen REXUS/BEXUS-Teams gemeinsam ist, dass sie einem Zeitplan mit definierten Zielen folgen. Der Fortschritt ihrer Experimententwicklung wird dabei in regelmäßigen Reviews validiert.[6]

Keine Sorge, während der gesamten Projektentwicklung seid ihr als Studierende nicht allein. Expertinnen und Experten von DLR e.V., SSC, ZARM und ESA stehen euch beratend zur Seite und unterstützen euch technisch sowie logistisch.

Der Höhepunkt des Programms ist die sogenannte Launch Campaign (Ballon- oder Raketen-Startkampagne), in der die Experimente nach ihrer Endmontage in die Raketen und Ballons verbaut und letztendlich gen Weltraum gestartet werden. Mit jeder Sekunde des Countdowns steigt die Aufregung. Ein letzter Check. Absolute Stille. Dann ertönt das Warnsignal vor Zündung der Rakete bzw. vor Abheben des Ballons.

Abb. 4a und b: Start der Forschungsrakete REXUS 20 (links; verändert nach [4a]) und des Höhenforschungsballons BEXUS 24 (rechts, [4b]) vom schwedischen Raumfahrtzentrum Esrange. Copyright © DLR e.V.

Die Teams können während des Fluges ihre Versuche vom Boden durch „Telecommanding“ (Fernsteuerung) und Videoübertragung direkt lenken und überwachen. Gewonnen werden die Daten entweder per Telemetrie beim Flug oder erst nach der Landung, wenn die Experimente geborgen werden.


Erfolgreiche Teams aus Bremen

Seit des 14-jährigen Bestehens dieses internationalen Bildungsprogramms haben folgende fünf Teams aus Bremen teilgenommen:


2016: UB-FIRE (University of Bremen – FIre Safety Research Experiment)
Das Ziel von „UB-FIRE“ war die Untersuchung der Feuersicherheit von Materialproben aus Plexiglas mit und ohne Oberflächenstrukturen unter Schwerelosigkeit.[7][8]
Wenn Du mehr zum Brandschutz unter Mikrogravitationsbedingungen erfahren möchtest, empfehlen wir Dir unseren Blog-Artikel über die ansässige Forschung im ZARM.


2017: UB-SPACE (University of Bremen – Image Processing for Determination of relative Satellite Motion)

Das Team entwickelte mit seinem Experiment einen Lösungsansatz zur Reduktion des Weltraumschrotts. Kameragestützte Objekt- und Bewegungsbeschreibungen sollen autonomen Systemen ermöglichen, Weltraumschrott – wie etwa defekte Satelliten – leichter zu detektieren und zu entfernen.[9]


2018: AQUASONIC II BlackBox (Development of a memory flash device)

Die BlackBox ist ein Flugdatenschreiber für die AQUASONIC II Höhenforschungsrakete der Hochschule Bremen und wurde im Rahmen des REXUS/BEXUS Programms im März 2018 in der Nosecone (Raketenspitze) der REXUS 24 in Kiruna, Schweden getestet.[10]


2019: FORAREX (FORAminifera Rocket EXperiment)

Das FORAREX-Projekt untersucht die Reaktion von Foraminiferen während des Raketenstarts und der Mikrogravitationsphase. Darüber hinaus wird das lebenserhaltende System, in dem die  Foraminiferen kultiviert werden, ebenfalls für die allgemeine Raumfahrttauglichkeit getestet. Erkenntnisse aus dem FORAREX-Projekt dienen als Basis für ein zukünftiges Langzeit-Experiment an Bord der Internationalen Raumstation (ISS). Dort wird der Einfluss der Mikrogravitation auf das Verhalten und das Schalenwachstum von Foraminiferen untersucht.[11]


2020:BlackBox II (Locatable crash safety data storage device for sounding rockets)

Das Ziel ist es, einen generischen absturzsicheren Flugdatenrekorder für den Einsatz in Höhenforschungsraketen zu entwickeln. Der Flugdatenrekorder bietet die Möglichkeit, Daten in Echtzeit über Ethernet zu speichern. Für die Einsatzsimulation des Flugschreibers, wird das Experiment im Nasenkonus der REXUS27-Rakete untergebracht und in ca. 55 km Höhe abgeworfen.[12][13]


Bremer Tradition

Fünf Jahre in Folge nahm immer ein Bremer Studierendenteam am REXUS/BEXUS Programm teil. Diese schöne Tradition möchte das ZARM fortführen und sucht für den kommenden Zyklus wieder motivierte und engagierte Studierende aus dem Bremer Raum.

Experimentideen aus folgenden Bereichen können beim REXUS/BEXUS Programm eingereicht werden[14][15]:

  • “Wissenschaft”: Biologie und Medizin, Atmosphären- und Magnetfeldforschung, Strömungsphysik, Atmosphärenphysik, Astrophysik, Strahlenphysik oder Materialwissenschaften.
  • “Technische Demonstrationen”: Aerodynamik, Navigation, Control u. Deployment Systems (Regel- u. Einsatztechniken), Propulsion u. Re-Entry Systems (Antriebs- u. Wiedereintrittssysteme), Microgravity Techniques (Techniken um reduzierte Schwerkraft zu messen oder deren Qualität zu verbessern), Robotic Applications (Roboteranwendungen) sowie Optik und Sensorik.

Haben wir eure Neugierde und Lust geweckt? Dann bewerbt euch mit einem spannenden Projekt auf der REXUS/BEXUS-Website und greift nach den Sternen!

Hier findet ihr weitere Informationen zum Programm:

REXUS/BEXUS Projektseite: http://rexusbexus.net/

REXUSBEXUS – How to apply: https://rexusbexus.net/rexusbexus-programme/how-to-apply/

DLR – Ausschreibung: https://www.dlr.de/dlr/desktopdefault.aspx/tabid-10081/151_read-28307/#/gallery/30876

ESA – Ausschreibung (Schweden sowie ESA Mitglieds- u. Kooperationsstaaten): https://www.esa.int/Education/Rexus_Bexus/EXTENDED_New_call_for_Rocket_Balloon_Experiments_for_University_Students

Bildnachweis

[1] Copyright © Arek Socha 2016 auf Pixabay; URL: https://pixabay.com/de/illustrations/erde-raum-sonnenlicht-1756274/  [Letzter Zugriff: 24-Nov-2021]
[2] DLR Werbeplakat: REXUS und BEXUS – Das deutsch-schwedische Studierendenprogramm Copyright © DLR e.V. 
(Dieses Posterbild wurde freundlicherweise von dem DLR Raumfahrtmanagement in Bonn zur Verfügung gestellt.)
[3] Bewerbungsmöglichkeiten für das REXUS/BEXUS-Programm. (Eigene Grafik erstellt) Copyright © Greta Sondej 2018 ❘ FORAREX
[4a] Start der Forschungsrakete REXUS 20 vom schwedischen Raumfahrtzentrum Esrange. Credit DLR CC-BY 3.0. Copyright © DLR e.V.; URL:
https://www.dlr.de/content/de/artikel/news/2016/20160318_studenten-nutzen-forschungsraketen-fuer-experimente-zu-raumfahrtsicherheit-und-entwicklung-von-minisatelliten_17195.html  [Letzter Zugriff: 30-Jul-2018] (Mit freundlicher Genehmigung des DLR Raumfahrtmanagement in Bonn.)
[4b] Start des Höhenforschungsballons BEXUS 24 vom schwedischen Raumfahrtzentrum Esrange. © DLR e.V.; URL: https://www.dlr.de/content/en/articles/news/2017/20171018_students-research-the-stratosphere-in-the-arctic_24629.html  [Letzer Zugriff: 30-Jul-2018] (Mit freundlicher Genehmigung des DLR Raumfahrtmanagement in Bonn.)

Referenzen

[1] REXUS/BEXUS – How to apply; URL: https://rexusbexus.net/rexusbexus-programme/how-to-apply/  [Letzter Zugriff: 24-Nov-2021]
[2] REXUS/BEXUS programme website; URL: http://rexusbexus.net/ [Letzter Zugriff: 24-Nov-2021]
[3] Die ESA: Fakten und Zahlen; URL:  https://www.esa.int/ger/ESA_in_your_country/Germany/Die_ESA_Fakten_und_Zahlen [Letzter Zugriff: 24-Nov-2021]
[4] DLR MORABA; URL: https://moraba.de/die-moraba/ [Letzter Zugriff: 24-Nov-2021]
[5] ZARM – Universität Bremen; URL: https://www.zarm.uni-bremen.de/de/ueber-uns.html  [Letzter Zugriff: 05-Jul-2018]

[6] DLR – REXUS/BEXUS Programm; URL: https://www.dlr.de/rd/desktopdefault.aspx/tabid-2282/3421_read-10516/ [Letzter Zugriff: 24-Nov-2021]
[7] ZARM Wissenschaftler gewinnen Nachwuchspreis MoreSpace des Weser-Kuriers; URL: https://www.zarm.uni-bremen.de/de/presse/einzelansicht/article/zarm-scientists-win-weser-kuriers-newcomer-prize-morespace.html [Letzter Zugriff: 22-Jul-2018]
[8] Brand in der Raumstation – Bremer Studierende untersuchen den Ernstfall in einem Raketenexperiment – Generalprobe im ZARM; URL: https://www.zarm.uni-bremen.de/en/rexusbexus/news-single-view/article/fire-on-the-space-station.html [Letzter Zugriff: 18-Jul-2018]
[9] Projektwebseite UB-SPACE; URL: http://www.ub-space.de/project/ [Webseite existiert nicht mehr]  [Letzter Zugriff: 22-Jul-2018]
[10] Projektwebseite AQUASONIC II; URL: http://homepages.hs-bremen.de/~aquasonic2/aquasonic1/index.html [Letzter Zugriff: 22-Jul-2018]
[11] Projektwebseite FORAREX; URL: http://forarex.de/ [Letzter Zugriff: 22-Jul-2018]
[12] Projektwebseite BlackBox2; URL: http://homepages.hs-bremen.de/~blackbox2/ Letzter Zugriff: 24-Nov-2021]
[13] Projektvorstellung BlackBox2 auf Pcbway.com; URL: https://www.pcbway.com/project/sponsor/BlackBox2___crash_safe_data_recorder_for_sounding_rockets.html  [Letzter Zugriff: 24-Nov-2021]
[14] Forschungsthemen bei REXUS; URL: https://rexusbexus.net/rexus/ [Letzter Zugriff: 24-Nov-2021]
[15] Forschungsthemen bei BEXUS; URL: https://rexusbexus.net/bexus/ [Letzter Zugriff: 24-Nov-2021]