Prag, die wunderschöne Hauptstadt Tschechiens, ist nicht nur für ihre beeindruckende Architektur und reiche Kultur bekannt, sondern auch für eine faszinierende Legende, die die Stadt seit Jahrhunderten begleitet: die Geschichte des Golems von Prag. Wie im Artikel zum jüdischen Viertel in Prag angekündigt, werden wir uns in diesem Blogartikel auf eine Reise in die Vergangenheit begeben, um die Legende des vom Rabbi Loew geschaffenen Golems zu erkunden und dabei die historischen Wurzeln und die kulturelle Bedeutung dieses mythischen Wesens aufdecken.
Was genau ist denn überhaupt ein Golem? Auf merriam-webster findet sich eine Definition, die vom Golem als „[…] ein künstliches menschliches Wesen in der hebräischen Folklore, das mit Leben ausgestattet ist […]“ beschreibt. Die meisten Schriften sprechen also von einem Wesen, das vollständig aus unbelebter Materie, meist Lehm oder Schlamm, erschaffen wird. Über den Verlauf der Geschichte ist der Golem zu einer Art wandelbaren Metapher mit scheinbar unbegrenzter Symbolik geworden. Dabei kann er ein Opfer oder ein Bösewicht sein, ein Mann oder eine Frau – oder manchmal beides. Im Laufe der Jahrhunderte wurde der Golem verwendet, um Krieg, Gemeinschaft, Resistenz, Isolation, Hoffnung und Verzweiflung zu symbolisieren.
Die ältesten Geschichten über Golems stammen aus dem frühen Judentum. Im Talmud (Traktat Sanhedrin 38b) wurde Adam zunächst als Golem (גולם) erschaffen, als sein Staub „zu einer formlosen Schale geknetet“ wurde. Wie Adam werden alle Golems von Menschen, die der Gottheit nahe stehen, aus Lehm erschaffen, aber kein anthropogener Golem ist vollständig menschlich. Zu Beginn war die Hauptschwäche des Golems seine Unfähigkeit zu sprechen. Sanhedrin 65b beschreibt, wie Rava einen Menschen (gavra) erschuf. Er schickte den Mann zu Rav Zeira. Rav Zeira sprach zu ihm, aber er antwortete nicht. Rav Zeira sagte: „Du wurdest von den Weisen erschaffen; kehre zu deinem Staub zurück“ (Kaiserliches Aramäisch: הוה קא משתעי בהדיה ולא הוה קא מהדר ליה אמר ליה מן חבריא את הדר לעפריך).
Und was hat es nun mit der Geschichte des Golems von Prag, die tief in der jüdischen Kultur und der reichen Geschichte der Stadt verwurzelt ist, auf sich? Die Legende besagt, dass im 16. Jahrhundert der Rabbi Judah Loew ben Bezalel, auch bekannt als der Maharal von Prag, einen künstlichen Menschen, den Golem, erschuf und ihn auf den Namen Josef taufte. Dieser Golem wurde aus Lehm oder Ton geformt und zum Leben erweckt, um die jüdische Gemeinde vor drohenden Gefahren, wie Pogromen oder antisemitischen Angriffen zu schützen. Der Rabbi brachte dem Golem ein magisches Wort bei, das ihn zum Leben erweckte und wieder zum Schweigen bringen konnte. Doch die Macht des Golems hatte auch ihre Schattenseiten, da er gelegentlich außer Kontrolle geriet, was zu Ausschreitungen und Konflikten mit der Prager Bevölkerung führte.
Die Legende erzählt, dass der Rabbi den Golem schließlich „deaktivieren“ musste, um weitere Katastrophen zu verhindern. Ab da an, so heißt es, wurde der Golem auf dem Dachboden der Altneusynagoge aufbewahrt. Rabbi Loew verbot dann allen außer seinen Nachfolgern, den Dachboden zu betreten. Rabbi Yechezkel Landau, ein Nachfolger von Rabbi Loew, wollte Berichten zufolge die Stufen zum Dachboden hinaufsteigen, als er Oberrabbiner von Prag war, um den Wahrheitsgehalt der Legende zu prüfen. Dafür bereitete er sich durch Fasten und Gebete auf eine Begegnung mit dem Golem vor und tauchte vorher in eine Mikwe ein, hüllte sich in Phylakterien und einen Gebetsschal und begann, die Stufen hinaufzusteigen. Oben angekommen, zögerte er und kam zitternd und verängstigt sofort wieder herunter. Er rief das von Rabbi Loew ausgesprochene Verbot des Betretens des Dachbodens erneut aus und das Geheimnis über diesen Raum blieb ungelüftet. Doch fand man bei Renovierungen des Dachbodens im Jahre 1883 keinerlei Beweise für die Existenz eines Golems.
Ein von Paul Wegener wirklich gut umgesetzter Schwarz-Weiß-Film aus den 1920er Jahren, der zu den Meisterwerken des deutschen Expressionismus gehört, verbildlicht die Erzählung hervorragend und ist kostenfrei auf YouTube zu finden: https://www.youtube.com/watch?v=p6dvWPN8OMA. Darüber hinaus gibt es zahlreiche moderne Adaptionen und Neuinterpretationen, die die Faszination für diese Legende am Leben erhalten.
Obwohl die Legende des Golems von Prag gut dokumentiert ist, gibt es wie oben erwähnt keine klaren historischen Beweise für die Existenz dieser. Dennoch gibt es historische Bezüge, die die Legende inspiriert haben könnten. Die Zeit des Maharal von Prag fiel in eine Zeit intensiver Verfolgung und Bedrohung für die jüdische Gemeinschaft. Die Schaffung eines mächtigen Beschützers in Form eines Golems könnte eine symbolische Darstellung des Überlebenswillens und des Widerstands gegen Unterdrückung gewesen sein. Die Legende des Golems von Prag hat auch in der Literatur, Kunst und Popkultur erheblichen Einfluss ausgeübt. Sie hat Schriftsteller, Regisseure und Künstler auf der ganzen Welt inspiriert. So findet man Erwähnungen des Prager Golems in Schriften, die bis in die 1830er Jahre zurückreichen. Eine der bekanntesten literarischen Interpretationen ist Gustav Meyrink’s Roman „Der Golem“, der die Geschichte des Golems in eine düstere, mystische Erzählung verwandelt.
Heute ist der Golem von Prag zu einer ikonischen Figur der Stadt geworden. Touristen können Prag besuchen und Orte entdecken, die mit der Legende in Verbindung stehen, wie die Alte Neue Synagoge und der jüdische Friedhof. Souvenirs und Kunstwerke, die den Golem darstellen, sind weit verbreitet und erinnern an diese einzigartige Geschichte.
Die Legende des Golems von Prag ist nicht nur ein faszinierendes Beispiel für die Verbindung von Geschichte, Mythos und Kultur, sondern sie zeigt auch, wie Geschichten und Symbole über Jahrhunderte hinweg lebendig bleiben können. Prag selbst wird immer mit dieser mystischen Kreation verbunden sein, die als Beschützer und Symbol für die jüdische Gemeinschaft dient. Die Mischung aus Geschichte, Mythos und Kunst macht sie zu einer zeitlosen Erzählung, die die Neugier und die Fantasie der Menschen weiterhin beflügelt.