In Italien gibt es laut Schätzungen 700.000 Straßenhunde. Selbst das ist noch wenig im Vergleich zu Rumänien, wo sechs Millionen Hunde auf der Straße leben. Ich bin acht Monate durch Europa gereist und hatte dabei täglich Begegnungen mit den von der Gesellschaft ausgestoßenen Tieren.

Mit Matratze im Auto und viel Gepäck ging es im Oktober 2021 mit meiner Europareise los. Gestartet in den Niederlanden führte es mich und meinen Freund bis an die schönen Strände am Mittelmeer. Viel Zeit haben wir in Spanien und Portugal verbracht. Wir standen tagelang an einsamen Küsten und haben das warme Wetter genossen. Oft fuhren wir nur die Küstengebiete entlang. Teils besuchten wir aber auch die Städte im Inland. Dort habe ich vereinzelt Straßenhunde gesehen, jedoch nie viele. Im Februar 2022 fuhren wir dann von Österreich aus querdurch Italien bis nach Sizilien. Ein paar Wochen verbrachten wir in Kalabrien. Diese Provinz ist zwar die ärmste Italiens, aber dennoch wunderschön. Türkisfarbenes Meer, lange Sandstrände und felsige Küsten. Ich war überwältigt von der Natur. Doch umso weiter man sich von den Küsten entfernte und ins Inland fuhr, umso deutlicher erkannte ich, wie schlimm hier die Situation der Straßenhunde war.

Straßenhund auf Sizilien

Auf großen Straßen, vor Supermärkten und in Städten. Überall waren sie. Oft alleine, teils in Rudeln. Sie waren alle abgemagert, mit Zecken übersät und erschöpft. Süditalien ist überlagert mit Müll. Daher fand man die Tiere oft in Müllsäcken graben, teils aßen sie sogar Plastikverpackungen mit. Ich besorgte mir Näpfe und Futter und versuchte von da an, jedem Tier, dem ich begenete, zu helfen. Zwei Situationen haben dabei mein Herz besonders stark getroffen.

Auf einem Parkplatz an der Küste lernte ich eine Hündin kennen. Sie hatte unfassbar viele Zecken und einen traurigen Blick. Sie war noch sehr jung, machte aber schon einen müden Eindruck auf mich. Wir freundeten uns an und sie schlief mehrere Nächte vor unserem Auto. Sie begleitete uns sogar auf Wanderungen und wollte nicht mehr von unserer Seite weichen. Umso schmerzhafter war es, sie dort zurück zu lassen. Ich kann einfach ins Auto steigen und weiterfahren. Doch sie wird wahrscheinlich ihr ganzes Leben lang dort bleiben.

Ein paar Tage später lagen vor einem Supermarkt zwei abgemagerte Hunde. Sie hatten sich dort in den Schatten gelegt, da es sehr heiß war. Sie sahen sehr desorientiert und durstig aus. Doch alle Menschen machten einen riesigen Bogen um die beiden Tiere. Ich holte schnell ein Napf und Wasser aus dem Auto. Ich versuchte mich zu nähern, doch die beiden waren sehr ängstlich. Es hat ungefähr zwanzig Minuten gedauert, bis ich mich nähern durfte. Sie freuten sich so sehr über das Wasser und schenkten mir plötzlich ihre Aufmerksamkeit und ihr warmes Herz. Die Menschen um mich stoppten jedoch plötzlich. Sie schauten mich abwertend und verwirrt an und tuschelten. Ein Mann rief mir verärgert auf italienisch irgendwas zu.

Jeden Tag traf ich auf Straßenhunde. Immer wieder versuchte ich Kontakt zu ihnen aufzunehmen, jedoch klappte es nicht immer. Oft saß ich sehr lange dort. Viele sind vor Angst direkt weggerannt. Manche trauten sich immer nur ein Stückchen näher. Doch eine kleine Bewegung von mir und sie waren auf und davon. Sie hatten so große Angst vor Menschen. Und ich konnte nachvollziehen, warum. Nicht selten wurde mir hinterhergehupt, oft habe ich negative Rufe oder böse Blicke bekommen.

Die Menschen dort haben schon lange mit diesen Tieren abgeschlossen. Nicht alle haben die Zeit und die Kapazitäten einen Hund aufzunehmen. Aber alle Menschen haben Zeit hinzuschauen. Alle Menschen können sie beachten und ihr Leid sehen. Ein Problem zu ignorieren hat es noch nie gelöst. Diese Reise motivierte mich zu einer intensiveren und kritischen Auseinandersetzung mit der Problematik. Wir sind Schuld an dem Leid dieser Tiere. Daher sind wir dafür verantwortlich, dieses Problem zu beheben. Wie genau die Situation dieser Tiere in Europa aussieht und wie die Länder damit umgehen, werde ich im nächsten Artikel berichten.