Der Europa-Abgeordnete der SPD für das Land Bremen, Joachim Schuster, hatte Studierende der Integrierten Europastudien am 23. Mai dazu eingeladen, gemeinsam mit ihm und Mitgliedern verschiedener politischer Jugendorganisationen zu kochen und über europäische Politik zu sprechen. Anlass und Thema des Abends war die vergangene Präsidentschaftswahl in Frankreich als auch die französische Ratspräsidentschaft momentan. Gekocht wurde also à la française!
In seiner Begrüßung gestand Joachim Schuster, dass es nicht seine Idee gewesen sei, einen Kochabend zu veranstalten. Es waren seine Mitarbeiter:innen, die ihn überzeugt hatten, dass Kochen ein geeignetes Format sei, um sich einerseits mit europäischer Integration und Frankreich auseinanderzusetzen, sowie andererseits, um junge, politisch interessierte Menschen an einem Tisch zu versammeln. Zu Beginn wurden alle Teilnehmenden per Los in vier verschiedene Gruppen eingeteilt, die sich um Vor-, Haupt- und Nachspeise kümmerten. Zu ersteren gab es jeweils eine vegetarische Option. Auf dem Menü standen:
Spinat-Quiche (mit Räucherlachs) an Feldsalat mit Trüffelvinaigrette
Gebackener Hirtenkäse auf Ratatouille mit Rosmarinkartoffeln und grünem Pesto
Fondant au chocolat mit Vanilleeis und Himbeercoulis
Während des Kochens hatten wir Zeit, uns untereinander auszutauschen und bereits ein wenig zu diskutieren. Anwesend waren Mitglieder der Jungen Europäischen Föderalisten, der Jusos, des Bremer entwicklungspolitischen Netzwerks und wir, Studierende der Integrierten Europastudien.
Neben Deutschlands Verhältnis zu Frankreich sowie der Rolle beider Staaten innerhalb der Europäischen Union ging es unausweichlich auch um den Krieg in der Ukraine und wie die SPD sowie insbesondere Olaf Scholz mit der von ihm betitelten “Zeitenwende” umgeht. Joachim Schuster machte deutlich, dass er nicht alle Entscheidungen des Bundeskanzlers unterstütz und gerade die Lieferungen schwerer Waffen an die Ukraine für ein falsches Signal gegenüber Russland wie auch anderer internationaler Akteure hält. Für ihn sei es oberste Priorität, einen sofortigen Waffenstillstand auszuhandeln. Einen militärischen Sieg anzustreben hält Schuster für verkürzt, zumal nur ein Dialog zwischen Russland und der Ukraine unter Beteiligung Dritter Aussicht auf politische Deeskalation biete. Nicht alle Anwesenden teilten diese Einschätzung.
Foto: Sebastian Schmugler
Während des Essens thematisierte Joachim Schuster die Meinungsverschiedenheiten bezüglich Verteidigungs- und Außenpolitik innerhalb der Europäischen Union. Macrons eindringliche Formulierung des “Hirntodes der NATO” stieß nicht bei allen Mitgliedstaaten der EU auf Zustimmung. Gerade Frankreich wünscht sich eine verstärkte Zusammenarbeit bezüglich Rüstung und Verteidigung sowie ein geschlosseneres Auftreten der europäischen Staaten gegenüber internationalen Partnern. Deutschland hingegen äußerte sich hierzu bisweilen wesentlich zurückhaltender.
Auch systemisch unterscheiden sich Frankreich und Deutschland. Während in Deutschland der/die Bundeskanzler:in nach Abstimmung mit den Bundestagsfraktionen von dem/der Bundespräsident:in vorgeschlagen wird und anschließend durch den Bundestag, das Parlament, gewählt wird, geschieht die Wahl des französischen Präsidenten direkt durch die Bürger:innen Frankreichs. Sie wählen sowohl Exekutive, den Präsidenten, als auch Legislative, das Parlament.
Die Wiederwahl Emmanuel Macrons im April 2022 bedeutete ein Aufatmen für die EU. Macron hatte sich im Wahlkampf klar an die Seite der EU gestellt und verdeutlicht, dass er die Vertiefung europäischer Integration für unausweichlich im Umgang mit heutigen und zukünftigen Problemen hält. Seine rechtspopulistische Konkurrentin Marine Le Pen hingegen stellte nationale Interessen in den Vordergrund ihrer politischen Kampagne. Ihre Wahl hätte eine grundlegende Änderung bezüglich der Dynamik der EU zur Folge gehabt und auch das politische Verhältnis zu Deutschland stark beeinträchtigt. Wie Joachim Schuster betonte, sei Frankreichs Mitgliedschaft in der Europäischen Union unter den Einwohner:innen Frankreichs keineswegs ein so selbstverständliches Politikum wie in Deutschland. Politische Kräfte sowohl rechts als auch links von Macron betrachteten die EU weitaus kritischer und versammelten hierfür mehr Zustimmung innerhalb der französischen Bevölkerung, als in beispielsweise Deutschland, wo sich ein Großteil der Parteien in Bezug auf die bloße EU-Mitgliedschaft einig sei. Die französischen Parlamentswahlen im Juni, bei denen unter anderem auch ein neues Bündnis aus unterschiedlichsten linken Parteien unter Leitung Jean-Luc Mélenchons antritt, werden zeigen, inwiefern diese Kräfte in der Lage sind, durch eine Mehrheit im Parlament Macrons pro-europäischen Kurs zu blockieren.
Noch bis Ende Juni hat Frankreich nun die Möglichkeit, politische Themen auf europäischer Ebene im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft zu prägen und politische Vorhaben umzusetzen. Die Ratspräsidentschaft wechselt jedes halbe Jahr, sodass alle Mitgliedstaaten an der Planung, Gestaltung und Verwirklichung europäischer Politik in Form eines Sechsmonatsprogramms mitwirken.
IES-Studierende bei der Zubereitung des Ratatouilles
Joachim Schuster nutzte in seinem Fall die kulinarischen Unterschiede zwischen Frankreich und Deutschland, um auf die politischen Eigenheiten beider Länder aufmerksam zu machen. Wir alle waren uns einig, dass es die Franzosen und Französinnen zumindest in puncto Küche besser erwischt hatten als wir.
Nach dem Essen blieb noch Zeit, sich weiter miteinander zu unterhalten. Selbstverständlich wurde nicht nur inhaltlich diskutiert, sondern auch über persönliche Erfahrungen innerhalb der politischen Landschaft Deutschlands als auch der EU berichtet. Für IES-Studierende bot der Abend unter anderem die Möglichkeit, sich über mögliche Berufswege nach Abschluss des Studiums zu informieren.
Alle Teilnehmenden, mit denen ich gesprochen habe, äußerten sich positiv über den Abend. Das gemeinsame Kochen war eine kreative Art, miteinander in Kontakt zu kommen und wurde geschickt als Überleitung genutzt, um vom Kulinarischen aufs Politische zu schließen. Wir danken Joachim Schuster für die großzügige Einladung!
Das klingt wie ein interessanter und leckerer Abend! Offensichtlich haben ja die vielen Köche nicht den Brei verdorben-im Gegenteil, es sieht alles sehr gelungen aus. Ich kann mir vorstellen, dass gemeinsames Tun immer gut ist miteinander ins Gespräch zu kommen. Der Artikel ist auch gut geschrieben und macht Spaß zu lesen.