Die EU hat sich mit dem neuen Digitalgesetz dazu entschlossen, unter anderem gegen Hatespeech und Betrug auf Internetplattformen vorzugehen. Zeit, sich einmal Gedanken über das große Versprechen der Sozialen Medien zu machen.
Ein Diskussionsbeitrag.
Austausch, Vernetzung, einander näher kommen, trotz großer Distanz, mittels Erreichbarkeit. Darum geht es. Schon früh stellte man fest: Lustige Katzenvideos vereinen, niemand der darüber nicht lachen könnte. Sprachliche und geschmackliche Barrieren wurden einfach aufgehoben. Spätestens durch global populäre Memes, durch die Authentizität der Influencer*innen, durch die „Top 10 Momente, die jeder kennt!“. Trends und Hypes kamen und gingen – was blieb hängen?
Beim Blick zurück auf die eigenen früheren Interessen und Idole im Netz kommt nicht zwangsweise Nostalgie auf. Dies bewies nicht nur unlängst der ein oder andere Shitstorm gegen ehemalige Stars deutscher YouTube-Comedy. Schaut man heute auf bestimmte Social Media Plattformen, welche ab etwa 2016 schleichend an Attraktivität für Jugendliche eingebüßt hatten („nicht gut gealtert“), stellt man eines fest: Dort tummeln sich mittlerweile in erster Linie deren Eltern- und Großeltern-Generationen. Und mit der allmählichen Veränderung der Altersstruktur der aktiven Profilinhaber*innen kam auch eine Veränderung der tonangebenden Themen. Während hier nicht selten noch altbackenem, misogynem Humor „von früher“ gehuldigt wird und Narrative vom „Fremden“ durch klischeebehaftete „Witze über Nationalitäten“ neu aufgekocht werden, verliert sich die Gen Z in ihrer eigenen Hashtag-Welt. Es wird aneinander vorbeigeredet. Wäre alles kein Problem, schließlich ist es das Normalste der Welt, dass Jugendliche andere Interessen und eine neuere Sicht auf die Welt haben als ihre Eltern, doch: Was die Grenzen tatsächlich zieht, ist der eindeutige Universalitätsanspruch der jeweiligen Filterblasen. Denn so wie ich es Tag für Tag in den Kommentaren lese, so muss es ja schließlich auch ganz generell sein!
Nur ist das Meinungsspektrum der Social Media mitnichten repräsentativ. Schon gar nicht für ganze Gesellschaften. Grenzen in den Köpfen nach und nach auflösen, aufeinander zugehen und zusammenfinden, letztlich der Weg zur Idee eines Europas der Einigkeit – dafür lohnt es sich einzustehen. Ohne Weitergabe von Erfahrungen über Generationen, über sichtbare und unsichtbare Grenzen hinweg, ist dies aber erschwert. Stattdessen ist zunehmend einer Abkapselungs- und Alleingangs-Mentalität Vorschub geleistet, wenn User online in nicht selten national-egoistisch gefärbten Filterblasen hängenbleiben. Wo ist da noch Platz für Öffnung, für Verständigung?
Soziale Medien könnten auch mal zum Rausfallen aus der Komfortzone dienen, statt eben jene immer enger einzugrenzen. Sie könnten dazu dienen, gerade auf vermeintlich „Anderes“ und „Fremdes“ zu stoßen, Freude am Entdecken zu entwickeln. Interesse an Gewohnheiten anderer Lebensrealitäten hervorzurufen. Wieder mehr Abenteuer in Social Media, statt eintöniger Selbstbestätigung. Weniger Ego, mehr Gemeinschaft, mehr Social. Das wäre doch was.