Bevor wir zum eigentlichen Inhalt kommen, beantworte ich schnell die Frage im Titel. Kenjutsu ist Schwertkunst, spezifisch die japanische Schwertkunst.

Warum ich über dieses Thema hier in diesem Europa Blog schreibe, lässt sich durch meine Vision für die Zukunft beantworten. Ich möchte als Brücke zwischen Europa und Japan stehen, die Japanische Kultur dem Leser näher bringen ist ein Anfang für dieses Ziel. 

Schon seit 3 Jahren trainiere ich die japanische Schwertkunst im Kikubari* Dojo in Hengsterholz. Dass es sich bei dem Dojo nur um die Vereinssporthalle handelt, spielt dabei keine Rolle. Denn dafür steht Ryu-Ha, bedeutungsgemäß übersetzt: Da, wo ich bin, ist meine Schule. 

Die Schule oder auch der Stil, den wir praktizieren, ist das Yamabushi-Ryu. Die Schule der Bergkrieger, traditionell basiert auf den Mönchen in den Bergen des mittelalterlichen Japans, welche dafür bekannt waren, dass selbst der Kaiser sie nicht kontrollieren konnte. 

Die japanische Schwertkunst oder auch Kenjutsu ist kein Kampfsport. Während dies nicht bedeutet, dass man kein Kampftraining erhält, liegt der bedeutende Unterschied am meditativen Aspekt der Disziplin. Die routinierte Ausführung von Stellungs- und Schnittfolgen, auch bezeichnet als Kata, wird zu einer Meditation der ganz besonderen Art. 

Das heißt natürlich nicht, dass das Kenjutsu keine körperliche Anstrengung fordert. Ich war noch nie so erschöpft wie nach meiner Braungurtprüfung: 120 Angriffe abzuwehren, während ich lautstark Prüfungsfragen beantworten musste, war nur ein Teil der Prüfung.

Unsere Sensei sowie zwei Schüler, die nach bestandener Prüfung für ein Foto posieren. Der Seriöse Gesichtsausdruck gehört sich natürlich für den Anlass.

*Kikubari bedeutet die Kunst auf sein Umfeld zu achten und Vorsicht zu nehmen. Ki = Lebenskraft, Aufmerksamkeit und kubaru = verteilen, verbreiten. 

Unsere Trainer (Sensei) unterrichten uns allerdings nicht nur im Umgang mit dem Katana (traditionelles Schwert der Samurai), sondern auch Stabwaffen, dem Sojutsu, und dem japanischen Langbogen (Kyujutsu) und seit kurzem auch im Kobujutsu, welches den Umgang mit Bauernwaffen lehrt. 

Hier ein Bild von unserem Arsenal. Die Langwaffen sind alle Holzvarianten für Trainingszwecke. Von links nach rechts angelehnt haben wir hier: Eine Naginata (langer Stab mit Klinge), Ein Bo (Holzstab), eine Nagimaki (kürzerer Stab mit Klinge) und ein Yari (Speer). Auf dem Boden von oben nach unten haben wir ein Bokuto (Holzschwert), Katana, Wakizashi und Tanto (Schwert, Kurzschwert und Messer). 

Ich werde mich zunächst in diesem ersten Teil auf den generellen Trainingsablauf und Inhalt konzentrieren und mich danach im zweiten Teil auf den historischen Aspekt der Kampfkunst und ihre Umstände fokussieren. 

Der generelle Trainingsablauf ändert sich nicht besonders, wenn wir Waffen wechseln. 

Zunächst das traditionelle Angrüßen, mit den Schülern aufgereiht vor den Meistern. Ohne hierbei zu sehr ins Detail zu gehen: wir knien nieder, atmen einmal tief ein und nach einer Verbeugung gegenüber den Meistern verbeugen wir uns noch einmal vor der Kamiza, dem Sitz der Götter. Hierbei handelt es sich, in einem traditionellen Dojo, um einen richtigen Altar, aber sinngemäß reicht auch eine kleine Buddha-Statue, ein Edelstein und ein Spiegel. Edelstein und Spiegel sind zwei der drei Reichsinsignien Japans, die dritte tragen wir zum Angrüßen schon bei uns, ich spreche natürlich von unserem Schwert. 

Es folgt ein kleines Aufwärmtraining, normalerweise mit dem Bo, dem langem Holzstab. Nachdem Gelenke und Muskeln locker sind, geht’s dann weiter mit den 3 Hauptbestandteilen des aktiven Trainings.

 

Das Katalaufen habe ich schon am Anfang erwähnt. Die präzise Ausführung von vorgegebenen Stellungen und Schnitten wirkt besonders meditativ in der Gruppe, das Ziel am Ende ist komplett synchron laufen zu können. Für jeden neuen Gürtel werden natürlich auch neue Kata verlangt, allerdings kommt ab dem Braungurt auch die Entwicklung eigener Kata mit ins Spiel, hierbei kann man alles bis dahin Gelernte wirklich einfließen lassen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die spielerische Seite hierbei den Spaßfaktor nochmal stark erhöht, da man sich mal so richtig austoben kann. 

 

Das Bahnenlaufen: Obwohl dies ein Hauptbestandteil des Trainings ist, bauen wir es nicht jede Trainingsstunde mit ein. Bei diesem Laufen wird mit jedem Schritt auch ein Schnitt durchgeführt, dieser wird vorher vorgegeben, damit nicht alle durcheinander schneiden.

Hier ist natürlich Präzision und Form der Hauptfokus. Das Bahnenlaufen ist eine Vorbereitung auf das sogenannte Tameshigiri (Schnitttest). Auf das Tameshigiri gehe ich noch in Teil 2 weiter ein.
Natürlich wird bei dieser Übung genügend Abstand zum Nächsten gehalten. In den momentanen Zeiten nicht nur, um Unfälle zu vermeiden. Wo ich hier schon beim Thema Sicherheit bin, kann ich auch gleich noch hinzufügen, dass trotz des Umgangs mit scharfen Waffen die Verletzungsgefahr beim Kenjutsu sehr gering ist. Es ist wahrscheinlicher, sich ernsthaft bei einer Ballsportart zu verletzen, als es hier der Fall ist, größtenteils dadurch, dass es kein kompetitiver Sport ist. Das heißt nicht, dass es hier keine Verletzungen gibt. Normalerweise nur durch eigene Hand (jeder macht mal Fehler, daher ist Aufmerksamkeit gegenüber anderen auch das Motto unseres Dojos). 

 

Letzter Hauptbestandteil des Trainings ist der Kampfkreis. Für diesen legen wir unsere scharfen Klingen ab und benutzen das Bokuto (Holzschwert) oder andere Holzwaffen. Der Name mag zunächst eindrucksvoll wirken, doch auch im Kampfkreis ist die erste Disziplin die Vorsicht. Im Kampfkreis geht es darum, dass ein/e Schüler/in zeigen kann, wie gut er/sie sich verteidigen kann. Dabei wird natürlich die Geschwindigkeit der Erfahrung des Verteidigers angepasst, sowie die benutzten Waffen und Techniken. Während ein/e Anfänger/in nur mit Holzschwertern und drei Techniken angegriffen wird, verteidigen sich erfahrene Schüler/innen auch gegen Stabwaffen und manchmal noch exotischere Waffen. Mein persönlicher Favorit ist das Kusarigama, eine Sichel an einer Kette. Für das Training natürlich keine richtige Sichel.
Natürlich ist besonders während einer Prüfung Seriosität gefragt, allerdings ist der Kampfkreis auch eine Situation, in der man auch einfach mal Spaß haben kann. Ein spielerischer Ansatz dient auch gleichzeitig noch dazu, die eigene Kreativität auszubauen. Wie auch beim Katalaufen kommt der Punkt, an dem man mit dem Gelernten anfängt zu spielen. 

 

Das sind die Hauptbestandteile des körperlichen Trainings, jedoch findet sich auch ein theoretischer Aspekt im Training der Bushi (Krieger). Diesen werde ich dann im zweiten Teil, der sich auf den historischen Kontext beziehen wird, weiter erläutern. 

Das heißt natürlich nicht, dass wir nicht auch lächeln dürfen!