von Ronja Gronemeyer
Fusionieren oder Abflauen?
Wie sich Wolkenschicksale mit Unterhaltungen auf Cocktailpartys erklären lassen. Simulierte Regenzellen können das Verständnis von Tropenstürmen verbessern. Dieser Artikel erklärt, wie Algorithmen die Entwicklung von Wolken tracken und analysieren. Welche Dynamik liegt diesen Prozessen zugrunde? Und wieso könnten Cold Pools, das Aufbrausen von Tropenstürmen ähnlich hemmen, wie Covid Beschränkungen die Eskalation einer Party?
Willkommen zurück in den Tropen. Im ersten Artikel haben wir einiges über Wolkendynamiken in den Tropen, Cold Pools und Convective self aggregation (CSA) gelernt. Kurze Wiederholung: Cold Pools bilden sich, wenn fallender Regen in wärmeren, tieferen Schichten wieder verdunstet. CSA ist ein Phänomen, das die Tendenz von Wolken sich zusammenzuschließen, beschreibt. CSA könnte mit der Bildung schwerer tropischer Stürme in Verbindung stehen. Da die zugrunde liegenden Prozesse CSA noch nicht verstanden sind, werden diese Wolken in einem hochgradig künstlichen virtuellen „Experimentierkasten“ simuliert. Dieser Experimentierkasten erlaubt uns, alle Rahmenbedingungen genau zu kontrollieren.
Der Fokus dieser (virtuellen) Experimente liegt darauf zu verstehen, wie Cold Pools CSA beeinflussen könnten. Dafür verwenden wir einen Kniff: Wir unterdrücken die Cold Pools, die wir untersuchen wollen. Dieser Ansatz wird als ‚Mechanismus Denial Experiment‘ bezeichnet und ermöglicht den Vergleich der Dynamik mit und ohne Cold Pools. Die Cold Pools werden aus den Simulationen entfernt, indem wir die Verdunstung des (simulierten) Regens unterbinden. Das Video veranschaulicht den CSA-Prozess und das Clustern von Wolken in Abwesenheit von Cold Pools. Wir bezeichnen diese Simulationen als den NoEvap-Fall [dieser (virtuelle) Experimentaufbau besitzt bereits einen Wert an sich: Tropische Stürme entwickeln sich oft über dem tropischen Meer, wo die Luftfeuchtigkeit hoch ist. Wenn die Luftfeuchtigkeit hoch ist, ist die Wiederverdunstung des Niederschlags gering und es bilden sich nur wenige oder gar keine CP]. Wir werden den NoEvap-Fall aus Simulationen mit realistischer Regenverdunstung vergleichen, die wir FullEvap-Simulationen nennen! Puh, die Themen der Gruppe ‚Klima und Komplexität‘ machen ihrem Namen alle Ehre!
NoEvap:
FullEvap: realistische Wiederverdunstung von Regen → Cold pools |
Wie können wir die Dynamik von Regenzellen in unseren Simulationen charakterisieren?
Fusionen, Abflauen und die Anzahl der Regenzellen
Abb. Aggregation veranschaulicht, dass die fortschreitende Aggregation von Regenzellen eine verringerte Anzahl von Regenzellen impliziert. Daher kann die Anzahl an Regenzellen als Maß für die Aggregation (CSA) verwendet werden.
Welche Prozesse verringern die Anzahl der Regenzellen?
Wer nicht an den technischen Details der Implementierung interessiert ist, kann den folgenden Abschnitt gerne überspringen 😉 Aber: Um eine Vorstellung von der Wissenschaft zu bekommen, ist das Verständnis davon, wie etwas gemessen wird, oft genauso wichtig wie das Ergebnis selbst!
Abb. Aggregationsprozess: Die Anzahl an Wolken verringert sich im Laufe der Simulation, die Größe der Wolken nimmt zu. Zum Ende der Simulation verbleibt nur eine einzelne Wolke mit hoher Regenintensität.
Abflauen: Ohne nennenswerte Interaktion mit anderen Regenzellen verringert sich die Niederschlagsmenge einer Regenzelle (links), die Wolke flaut ab.
Fusionieren: Zwei Regenzellen bewegen sich aufeinander zu, überlappen sich und verschmelzen zu einer größeren Regenzelle (Mitte zu Rechts)
Wer nicht an den Details der Implementierung interessiert ist, kann diesen Abschnitt überspringen. Aber: Um eine Vorstellung von Wissenschaft zu bekommen, ist das Verständnis, wie etwas gemessen wird, genauso wichtig wie das Ergebnis selbst.
Regen-Tracking
Das folgende Video zeigt, wie der Regen-Tracking-Algorithmus regnende Pixel der Simulation als ‚Regenzellen‘ erkennt [Ganz genau genommen definieren wir eine Regenzelle als das dynamische Objekt aus konvektivem Aufwind, Wolke und Niederschlag]. Wenn zwei benachbarte Pixel zur gleichen Zeit aktiv regnen, betrachten wir sie als zur gleichen Regenzelle gehörig. Das Video verdeutlicht, wie der Algorithmus Regenzellen erkennt.
Technische Detail: Ein Algorithmus zur Erkennung von Regenzellen Wie funktioniert das Tracking von Regenzellen? Zunächst werden Gruppen von räumlich verbundenen, regenaktiven Pixeln ermittelt. Ein Pixel wird zu einem (diskreten) simulierten Zeitschritt t als „aktiv regnend“ bezeichnet, wenn sein Niederschlagswert über einem gewählten Schwellenwert liegt. Dann verknüpfen wir diese Regenflecken über die Zeit: Gibt es eine (räumliche) Überlappung von Pixeln, die zum Zeitpunkt t und t+1 aktiv regnen? Wenn ja, nehmen wir an, dass die Regenzelle, die zum Zeitpunkt t entdeckt wurde, auch zum Zeitpunkt t+1 regnet. Um diese Bereiche zu definieren, verwenden wir eine Nachbarschaft von 4 Pixeln, sodass zum Beispiel hier zum Zeitpunkt t alle 4 Nachbarn des roten Pixels über dem Niederschlagsschwellenwert liegen. |
Cold Pools hemmen die CSA wie Covid-Beschränkungen die Eskalation einer Party
Ergebnisse des Regen-Trackings für FullEvap- und NoEvap-Simulationen im Kontrast:
Beginnen wir mit den FullEvap-Simulationen mit kalten Pools. Es ist bekannt, dass Cold Pools die CSA hemmen. Nehmen wir (wieder) eine Party-Metapher und stellen und eine Party mit Covid 19-Einschränkungen vor: Jeder auf der Party muss einen bestimmten Abstand zu anderen Gästen einhalten. Daher hat jede Person einen Kreis um sich herum, in dem sich niemand sonst aufhalten darf. Durch die begrenzte Anzahl an Plätzen verlassen die Gäste die Party in der Regel nach weniger als 2 Stunden, sodass neue Gäste ihren Platz einnehmen können. Jeder Gast kommt, tanzt sich warm, feiert etwas für sich, ermüdet und geht nach 2 Stunden wieder. Die Gesamtanzahl an Gästen und die Intensität der Party bleiben ungefähr konstant.
Vergleichen wir dies mit den FullEvap Simulationen: Panel a) Nach dem Einsetzen der Konvektion (Partybeginn) schwankt die Anzahl der Regenzellen (schwarze Linie) um einen konstanten Wert von etwa 100 Regenzellen. Das Entstehen neuer Regenzellen (grüne, ‘neue Gäste’) wird durch das Abflauen (Panel b, orange) und Fusionieren (rot) von Regenzellen ungefähr ausgeglichen. Eine solche Fusion könnten wir uns als Missgeschick vorstellen, zwei Menschen rempeln ineinander, erröten, lachen und beschließen: ‘Jetzt ist auch egal, jetzt können wir auch zusammen tanzen’. Das Abflauen von Wolken ist vergleichbar mit Gästen, die die Party verlassen.
Dynamik mit Cold Pools: Entstehung neuer Regenzellen ~ Regenzellen die Fusionieren + Regenzellen die Abflauen
⇒ Die Gesamtanzahl an Regenzellen bleibt ungefähr konstant |
Wir nehmen an, dass ein Fusionieren von Wolken in den FullEvap Simulationen eher zufällig geschieht und kein zentraler Bestandteil der Dynamik ist. In unseren Simulationen mit Cold Pools trat kein CSA auf. Aber was passiert, wenn wir die Cold Pools aus den Simulationen und die Covid-Beschränkungen von der Party entfernen? Kommen wir zu den Ergebnissen für die Simulation ohne Cold Pools.
Panel c) zeigt, dass die Anzahl der Regenzellen in NoEvap ähnlich hoch ist wie in FullEvap, sobald die Konvektion einsetzt. In NoEvap beobachten wir eine schnelle Aggregation der Konvektion, die durch eine monotone Abnahme der Anzahl der Regenzellen nach etwa einem Tag angezeigt wird (Panel c, in schwarz). Nach etwa zwei Wochen ist die Simulation vollständig aggregiert und es bleibt nur noch eine Regenzelle übrig. Außerdem sehen wir, dass nach 2 Tagen kaum noch neue Regenzellen entstehen (grün), aber da es keine kalten Pools gibt, die die Konvektion unterbrechen, können Regenzellen viele Tage lang bestehen bleiben. Die Wolken regnen einfach tagelang weiter! Auch hier wird die Anzahl der Regenzellen durch zwei Prozesse reduziert: Abklingen (Panel d, orange) und Zusammenschließen (rot). Abb. NoEvap veranschaulicht diese Dynamik. Die Forschung hat bereits gezeigt, dass in Abwesenheit von CPs Simulationen immer aggregieren. Wir vermuten, dass Fusionieren in NoEvap Simulationen eine wichtige Rolle spielt und den speziellen NoEvap-Aggregationsprozess dominiert! Zurück zur Party: Wenn man die Covid-Beschränkungen von der Party entfernt, können die Leute tagelang feiern! Sie bewegen sich aufeinander zu und schließen sich zu Grüppchen zusammen. Diese Grüppchen wiederum sammeln sich und verschmelzen. Alle tanzen immer ausgelassener! Mit der Zeit versammeln sich alle Partygäste in einer Ecke des Raums, feiern und tanzen mit maximaler Intensität. Solche Wolkendynamiken können eskalieren…
Ein Blick hinter die Statistiken der NoEvap-Dynamik
Auf der linken Seite sehen wir ein frühes Stadium mit vielen kleinen Regenzellen. Der orangefarbene Kasten markiert einen Abklingvorgang. Einige Stunden später wird auch der konvektive Aufwind abgeklungen sein. Der rote Kreis markiert eine Fusion. Die beiden verschmelzenden Regenzellen waren bereits in der Mitte vorhanden. Im rechten Bild bewegen sich aufeinander zu und verschmelzen zu einer größeren Regenzelle. Ihre Regenflecken haben sich hier einfach verbunden! Zusammenschließen reduziert nicht nur die Anzahl der Regenzellen, sondern lokalisiert auch die Konvektion. Normalerweise ist die Regenzelle, die aus einem Zusammenschluss resultiert, größer.
Eine NoEvap-Regenzelle hat zwei mögliche Schicksale: Sich mit anderen zusammenschließen (Fusionieren) oder verschwinden (Abflauen). Entweder fusioniert sie auf dem Weg zur Aggregation mit anderen Regenzellen und wird Teil der letzten verbleibenden großen Regenzelle, oder sie flaut im Laufe der Simulation ab. Die Aktivierung von Cold Pools wirkt wie eine Einschränkung für eine Party: Sie verhindert (Wolken-)Kuscheln, Clustering und den Spaß an der Aggregation. Es bleibt zu hoffen, dass dieses verbesserte Verständnis des NoEvap-Falles der zukünftigen Forschung über die Bildung konvektiver Stürme zugutekommt.
Sicherlich ist das Verständnis von Wolken in unserer hochgradig künstlichen, simulierten Versuchsbox erst der Anfang. Es hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der Untersuchung von simulierten Räumen und Aerosolen als ersten Schritt zur Prognose der Ausbreitung einer Pandemie. Es ist wichtig, die zugrunde liegenden Prozesse und Grundprinzipien zu verstehen, aber die Realität ist viel komplexer!
Es bedarf noch viel weiterer Forschung, um die Entstehung von Tropenstürmen zu verstehen. Die Hoffnung ist, eines Tages auf diesen Forschungsgrundlagen Sturmschäden in den Tropen zu verhindern. Noch ist nur eine Hoffnung und Zukunftsmusik! Außerdem hoffen wir, dass in den kommenden Jahren keine Pandemien mehr unsere Partys beschränken…
Spannend und anschaulich erklärt ! Ein Thema, das die Wissenschaft sicher noch lange beschäftigen wird.