1 Vorbereitung
Da es sich bei mir um ein freiwilliges Praktikum handelte, und in meinem Studiengang keine große Erfahrung mit ERASMUS+ Praktikas bestand, fing ich bereits frühzeitig mit der Organisation an (ca. 9 Monate im Voraus). Auch wenn es eine Vielzahl von Dokumenten für ERASMUS+ sowie für die jeweils internen Universitätsverwaltungen auszufüllen gibt, waren vor allem die beiden assoziierten Forschungsinstitute auf beiden Seiten (EPOC in Frankreich und Marum in Deutschland) sehr hilfsbereit und lösungssorientiert.

Place de la Bourse bei Abend vom rive droite aus schauend.

2 Formalitäten im Gastland

2.1 Krankenversicherung
Die Université de Bordeaux fordert eine Krankenversicherung, die ich wie von ERASMUS+ empfohlen über den DAAD abgeschlossen habe (https://www.daad.de/versicherung/allgemein/bedingungen/de/14380-daad-versicherung-zielland-ausland/). Kostenpunkt 32 EUR pro Monat.

2.2 Bankkonto
Auch wenn es mit vielen Bankkarten im (EU) Ausland inzwischen sehr bequem und kostenlos ist, Geld abzuheben, sollte man über die Eröffnung eines französischen Bankkontos nachdenken. Das Bezahlen mit Schecks ist in Frankreich nach wie vor sehr weit verbreitet und in manchen seltenen Fällen (wie z.B. bei der Anmeldung zu einigen Sportkurse der Uni Bordeaux) einziges Bezahlmittel. Zwar kann man sich aushilfsweise mit den Schecks französischer Freunde durchschlagen, das ist allerdings auf Dauer sehr umständlich.
Zudem ist ein französisches Bankkonto nach wie vor obligatorisch, wenn man vom französischen Wohngeld (→ 2.3 Wohngeld) profitieren möchte.
Bankkonten können direkt bei einer Agence eröffnet werden und sind im Normalfall kostenlos (was nicht bedeuted, dass es keine Banken geben kann, die euch versuchen ein Konto mit Gebühren anzudrehen). Mögliche Anbieter sind die Banque Postale, Societé Générale, BNP Paribas, Crédit Agricole etc.

2.3 Wohngeld
Als Studenten und Praktikanten habt ihr in Frankreich Anrecht auf die APL (Aide personnalisée au logement), die von der CAF (Caisse d’allocations familiales) angeboten wird. Am einfachsten stellt ihr den Antrag online auf http://www.caf.fr/. Zwar muss man einige Dokumente einreichen, allerdings lohnt sich zumeist der Aufwand. Der euch erstattete monatliche Betrag wird dabei abhängig von eurer Mietsituation sowie sonsitgen Einkünften berechnet. Ich habe 43% von meiner monatlichen Miete wieder bekommen, lag damit aber wahrscheinlich auch im oberen Bereich.
Für die Antragstellung solltet ihr beachten, dass ihr ein französisches Bankkonto sowie eine internationale Geburtsurkunde benötigt. Letztere sollte man schon im Voraus in Deutschland beim Standesamt beantragen.

3 Allgemeine Informationen zum Forschungslabor UMR-CNRS 5805 EPOC

3.1 Lage/Anreise
Das EPOC liegt auf dem Campus der Université de Bordeaux in Talence, südwestlich des Zentrums von Bordeaux. Angereist wird mit der Tram Linie B oder verschiedenen Buslinien. Am einfachsten ist der Campus dank gut ausgebauten pistes cyclables allerdings mit dem Fahrrad erreichbar.

3.2 Austattung
Das Forschungsinstitut wurde erst vor einigen Jahren gebaut und ist somit recht modern eingerichtet, vergleichbar mit Einrichtungen in Deutschland. Zu Zeit meines Aufenthalts gab es allerdings Probleme mit der Laborentlüftung, so dass es ein Verbot von Arbeiten mit giftigen Gasen gab, welches letztlich auch meine Arbeit vor Ort teilweise eingeschränkt hat.

3.3 Bezahlung
Praktika in Frankreich, die einen Zeitraum von 2 Monaten überschreiten, müssen finanziell entlohnt werden. Meine Bezahlung betrug im Monat 500 EUR, welche ohne Probleme auf mein deutsches Konto überwiesen wurde.

3.4 Betreuung vor Ort
Insgesamt wurde ich von drei Professoren betreut, von denen ich bereits zwei aus einem vorherigen ERASMUS Aufenthalt in Bordeaux kannte. Meine Aufnahme war sehr herzlich und persönlich, mir wurde direkt Hilfe bei der Wohnungssuche sowie Unterstützung bei allen administrativen Angelegenheiten angeboten. Direkt zu Beginn wurde mir die gesamte Forschungsgruppe, der ich angehörte, vorgestellt und während des gesamten Aufenthaltes wurde ich als Teil derer auch behandelt.

4 Unterkunft
Generell schadet es nicht deinen Betreuer vor Ort direkt nach Wohnmöglichkeiten zu fragen, denn die freie Suche in Bordeaux gestaltet sich durchaus schwierig, vor allem wenn es um eine relativ kurze Zeit geht. Wer sich aber dennoch selber daran versuchen möchte oder genötigt ist, hier die verschiedenen Möglichkeiten.

4.1 Studentenwohnheim
Wer am stressfreisten in Bordeaux Ankommen möchte, meldet sich beim International Office der Université de Bordeaux, und fragt nach einem Studentenwohnheimsplatz (CROUS). Als ERASMUS+ Praktikant wird man dann meistens mit anderen internationalen Studenten in eine WG gesteckt. Durch die WGs einiger Freunde im Studentenwohnheim habe ich den Eindruck bekommen, dass das Preis-Leistung-Verhältnis durchaus in Ordnung ist und die Unterkünfte vernünftig eingerichtet sind. Die meisten Unterkünfte befinden sich direkt auf dem Campus in Talence, was natürlich die Nähe zur Uni als Vorteil hat, allerdings eine längere Anfahrt ins Stadtzentrum bedeutet.
Letzten Endes steht und fällt alles natürlich mit den Mitbewohnern. Dadurch, dass man keinen Einfluss auf die Wahl seiner Zimmernachbarn hat, kann man schließlich mit durchaus konträren Putz-, Koch- und Lebensgewohnheiten konfrontiert sein.

Probennahme im Bassin d’Arcachon

4.2 Freier Wohnungsmarkt, Colocation
Um eine Colocation in Bordeaux zu finden, sollte man im Normalfall etwas Zeit mitbringen. Besonders für den kleinen Geldbeutel gestaltet sich die Wohnungssuche auf dem freien Markt gegenenfalls etwas langwierig. Mietpreise lagen grob geschätzt bei 300-500 € pro Monat und waren sehr unterschiedlich vom Preis-Leistung-Verhältnis.
Im Gegensatz zu deutschen WGs läuft die Wohnungssuche oftmals, aber nicht immer, über den Vermieter und nicht über die Mitbewohner. Dadurch fällt meistens die persönliche Vorstellung, wie sie bei deutsches WGs fast Standard ist, weg. Häufig zählt für den Vermieter nur, wer sich als Erster meldet und am Vertrauenswürdigsten wirkt. Dies wird durch eine Vielzahl von mitzulieferden Dokumenten, wie z.B. ein Nachweis über die Einkommenssteuer der Eltern oder die Nennung eines Garanten/Bürgen, erfasst. Man sollte sich deshalb möglichst schnell mit diesen Dokumenten bewaffnen, um als Kandidat eine Chance zu haben.
Auch anders als in Deutschland gibt es eine Vielzahl von Websites bei der WG Suche:

https://www.leboncoin.fr/
Geniale Website, nicht nur für Wohnungen und WGs, sondern alles, was man irgendwo gebraucht kaufen kann. Ein bisschen wie Ebay-Kleinanzeigen. Auch erste Wahl für WG Suche.

https://www.lacartedescolocs.fr/
Persönlich meine Lieblingsseite für die WG Suche gewesen; viele Angebote und meistens eher direkte WG Vermittlung ohne den Vermieterumweg; ein bisschen wie wg-gesucht.de

https://www.immojeune.com/
Auch eher für WGs

Weitere Websites mit WGs und Immobilien gemischt
http://www.logic-immo.com/

https://www.locservice.fr/

http://www.pap.fr/

5 Sonstiges

5.1 Transport
Bordeaux ist trotz Großstadtstatus eine sehr übersichtliche Stadt mit einer Vielzahl von Transportmöglichkeiten. Der TBM (Transports Bordeaux Métropole) organisiert dabei (i) Tram (ii) Bus und (iii) VCub.
Die drei Tramlinien fahren ziemlich häufig, allerdings nur bis Mitternacht. Für einige Soirées, die normalerweise länger dauern, ist das also zu beachten. Selbiges gilt für die Busverbindungen, die allerdings einen Fahrplan verfolgen, den wahrscheinlich nicht einmal der Busfahrer kennt. Als einzige Konstante beim Busfahren gilt, dass du bei wichtigen Treffen grundsätzlich zu spät kommst (Jahresabo ca. 300 EUR).
Die V³ oder VCub ist das vom TBM bereitgestellte und gut ausgebaute Fahrradstationsnetz (https://www.vcub.fr/). Die Fahrräder lassen sich mit Kreditkarte 24/7 nutzen und bei Abschluss eines Abos sind die jeweils ersten 30 min sogar kostenlos (Jahresabo 20 EUR, Monatsabo 12 EUR).
Wer allerdings nicht direkt neben einer Fahrradstation wohnt und auch ein Fahrrad haben möchte, um die Weinberge um Bordeaux herum zu erkunden, sollte über ein eigenes Fahrrad mitbringen. Wenn man keins von zu Hause mitbringen kann, ist wieder https://www.leboncoin.fr/ die richtige Adresse (zwischen 50-100 EUR).

Sonntagsmarkt im Quartier St. Michel

5.2 Studentenjob
Zumindest während meines Jahres in Bordeaux ein ziemlicher Renner als Studentenjob, sind die Zulieferjobs als Fahrradbote der Anbieter Deliveroo, Foodora, Uber & Co. Die Bezahlung ist in Ordnung und selbst für noch nicht so sprachgeflissene Eramusstudenten ein machbarer Job. Dabei kann man gleichzeitig noch etwas Sonne tanken und die Stadt erkunden 😉

5.3 Persönliche Empfehlungen
Ein absolutes Highlight in Bordeaux sind die freien Märkte mit dem frischen und regionalen Produkten. Dienstags bis Sonntags ist der Marché de Capucins im wunderschönen Quartier St. Michel göffnet.
Für die, die nicht so gerne auf dem Markt rumbummeln, gibt es noch die coole Initiative Les paniers campus. Man kann sich einmal in der Woche zu einer festen Uhrzeit und an einem festen Ort eine Tasche mit regionalem und saisonalem Obst und Gemüse abholen. Bezahlt wird immer vor Ort und für die kommende Woche. Kosten: 5-7 €
So kann man sich einmal saisonal durchs Jahr essen.
http://www.u-bordeaux.fr/Actualites/De-la-vie-de-campus/Le-bon-plan-fruits-et-legumes-les-paniers-campus

6 Fazit
Nach drei Monaten in Bordeaux ist das Fazit nicht schwer zu ziehen und ich kann nur jedem wünschen, das Leben als Prakitkant in Bordeaux sowie die Stadt selbst mit ihren Leuten kennen zu lernen. Das UMR-CNRS 5805 EPOC war für mich persönlich eine ausgezeichnete Wahl, da die ich aus einem vorigen ERASMUS Aufenthalt in Bordeaux bereits persönliche Kontakte zu dort ansässigen Professoren geknüpft hatte und die Forschungsfelder genau meinem Wunsch entsprachen. Ich wurde herzlich aufgenommen und würde jederzeit wieder zurückkehren.

Es ist natürlich schwer zusammenzufassen, wo überall der Auslandsaufenthalt meine persönliche Entwicklung beeinflusst hat. Klar ist auf jeden Fall, das er deutliche Spuren zurückgelassen hat und mich weiter für die Klimaforschung und die Ozeane begeistert hat, sei es durch die durchgeführten Analysen, die zahlreichen wissenschaftlichen (wie nicht wissenschaftliche) Diskussion mit meinen Kollegen vor Ort, die vielen Freunde und Kontakte oder einfach die wunderschöne Landschaft um Bordeaux und die Nähe zum Atlantik.