Nach der erfolgreichen Abgabe meiner Masterarbeit, die sich unter anderem mit der Insel La Réunion beschäftige, entschied ich mich, ein dreimonatiges Praktikum auf der wundervollen Insel zu absolvieren. Die Motivation dafür lag vor allem darin, dass ich bereits im Jahr 2022 mit der Universität Bremen eine Projektreise nach La Réunion durchgeführt hatte, bei der wir authentisches Material in Form von Interviews, Bildern, Audios und Videos über die Insel gesammelt haben.

Die Insel La Réunion ist ein Übersee-Département und eine Region Frankreichs und somit Teil der Europäischen Union. La Réunion liegt östlich von Madagaskar und gehört zu den Maskarenen, einer Inselgruppe im Indischen Ozean. Während dieser Projektreise habe ich bereits meine Praktikumsschule, das Lycée Roland Garros, kennenlernen dürfen und auch Kontakt mit einheimischen Schüler:innen sowie Lehrkräften aufgebaut. Die dort lebende Deutschlehrkraft Frau R. hat mir angeboten, im Jahr 2023 ein freiwilliges Praktikum an dieser Schule zu absolvieren. Da mich nicht nur die vielfältige Natur, die kreolische Kultur sondern auch das dortige Schulsystem interessierte, stand mein Entschluss schnell fest.

Die ERASMUS+Förderung und dessen finanzielle Unterstützung ermöglichte es mir somit, dieses Auslandspraktikum zu realisieren und mein gewonnenes interkulturelles Wissen aus der Projektreise zu erweitern und mich neuen Herausforderungen zu stellen. So wurden Anfang September die Koffer gepackt und nach einer 17-stündigen kam ich voller Vorfreude auf der Insel an. Ich hatte das Glück, dass die Deutschlehrkraft einen Nachmieter für ihre Wohnung suchte, sodass ich mich nicht noch zusätzlich mit der Wohnungssuche auseinandersetzen musste.

Nach einigen Tagen der Eingewöhnung begann auch schließlich das Praktikum am Lycée Roland Garros. Ich begleitete Frau R. an drei Tagen im Deutschunterricht und arbeitete hauptsächlich im Bereich AbiBac (Baccalauréat+Abitur) mit drei Klassen (Seconde, Première und Terminale). Als Praktikantin unterstützte ich die AbiBac-Klassen in den Fächern Langue et Littérature, Histoire-Géographie und Éducation morale et civique, die auf Deutsch unterrichtet wurden. Obwohl die Unterrichtssprache überwiegend Deutsch war, wurde in einigen Unterrichtsphasen Französisch als Unterrichtssprache verwendet.

Neben den AbiBac-Klassen habe ich auch Klassen, die Deutsch als zweite oder dritte Fremdsprache lernen, begleitet. Hier konnte ich durch meine Muttersprache besonders hilfreich sein und individuell auf sprachliche Schwierigkeiten eingehen. Ich begleitete auch eine Klasse von Elektrotechnikern, die das französische Bac-professionnel (ambivalent: deutsche Berufsschule) absolvieren und erst vor kurzem mit Deutsch als Fremdsprache begonnen hatten. Dort ist das Sprachniveau im Gegensatz zu den AbiBac-Schüler:innen nicht so hoch, sodass ich oft unterstützend eingreifen konnte. Durch Lernspiele oder ansprechende Unterrichtsmaterialien versuchten wir, das Interesse an der deutschen Sprache zu wecken. Da diese Gruppe nur aus 12 Schüler:innen bestand, konnten wir uns intensiver auf die individuellen Bedürfnisse konzentrieren und gezielter auf die Stärken und Schwächen jedes Einzelnen eingehen.

Während meines dreimonatigen Praktikums konnte ich beobachten, dass die Schüler:innen kleine Fortschritte machten und es war erfreulich zu sehen, wie die Schüler:innen mehr Selbstvertrauen im Umgang mit der deutschen Sprache gewannen. Aufgrund des geringen Sprachniveaus war die Unterrichtssprache in diesen Klassen hauptsächlich Französisch. Indem ich mich aktiv an den Unterrichtsgesprächen beteiligte oder die Aufgabenstellungen auf Französisch erklärte, konnte ich nicht nur den Schüler:innen beim Spracherwerb der deutschen Sprache helfen, sondern auch meine eigenen Fertigkeiten in der französischen Sprache vertiefen. Die Herausforderung, Unterricht in einer Fremdsprache zu gestalten, bereitet mich zudem optimal auf meine eigene berufliche Weiterentwicklung als angehende Lehrkraft vor.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass ich durch das Praktikum am Lycée Roland Garros nicht nur meine im Studium erworbenen Kenntnisse direkt anwenden konnte, sondern mir auch neue Perspektiven für meine spätere Tätigkeit als Lehrerin eröffnet wurden. Gemeinsam mit Frau R. erarbeiteten wir Unterrichtssequenzen oder Projektarbeiten (z.B. ein Hörspielprojekt, Theaterprojekt etc.). Die Möglichkeit, den Unterricht aktiv mitzugestalten, hat mir geholfen, meine pädagogischen Fähigkeiten zu vertiefen und verschiedene Unterrichtsmethoden anzuwenden. Die Atmosphäre im Klassenzimmer und im Lehrerzimmer empfand ich als sehr angenehm. Aufgrund dieser positiven Erfahrungen kann ich meine Praktikumsschule auf La Réunion zukünftigen Praktikant:innen auf jeden Fall weiterempfehlen.

Neben meinen schulischen Erfahrungen konnte ich auch im privaten Bereich viele Erfahrungen sammeln. Unverzichtbar für das Leben auf der Insel ist meiner Meinung nach ein eigenes Auto, da viele Orte auf La Réunion nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind: über Wasserfälle, Täler, Strände und wunderschöne Wanderwege bis hin zu dem noch heute aktiven Vulkan – dem Piton de la Fournaise. Das eigene Auto erwies sich als unverzichtbares Hilfsmittel, um diese Ecken der Insel zu erkunden. Neben der beeindruckenden Natur war es auch sehr interessant, mit der lokalen (kreolischen) Kultur in Kontakt zu kommen. Mein Wohnort war etwas abgelegen, aber in einer Gegend, in der viele Einheimische lebten. Als besonders bereichernd erwies sich der Kontakt mit den Nachbar:innen in meinem Wohnviertel (Les Trois Mares), obwohl sie auf den ersten Blick vielleicht etwas verschlossen wirkten.

Abschließend kann ich sagen, dass mich alle Erfahrungen auf La Réunion nachhaltig bereichert und zu meiner persönlichen Entwicklung beigetragen haben. Diese Erfahrungen haben nicht nur meine Fähigkeiten im Umgang mit neuen Umgebungen gestärkt, sondern auch meine interkulturelle Sensibilität vertieft. Rückblickend hätte ich hier gerne sogar 6 Monate verbracht. Ein längerer Aufenthalt hätte es mir ermöglicht, noch tiefer in die Kultur einzutauchen und meine Französischkenntnisse weiter zu verbessern. Alles in allem kann ich auf jeden Fall empfehlen, ein Praktikum im Ausland (und besonders auf La Réunion) zu absolvieren.