Mein Auslandspraktikum verbrachte ich in Kapstadt bei einer NGO, MeCAHT, die sich gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution einsetzt. Ich selbst studiere Pflegewissenschaften und absolvierte mein Praktikum im 6. und 7. Fachsemester.

Meine Vorbereitungen für mein halbjähriges Auslandspraktika in Südafrika habe ich 11 Monate vor Abreise begonnen. Durch den persönlichen Kontakt zu einer Mitarbeiterin in der von mir ausgewählten NGO, hatte ich keine Schwierigkeiten Informationen zu erhalten. Auf meine Bewerbung erhielt ich bereits nach zwei Wochen positive Rückmeldung. Dementsprechend hatte ich meine Zusage bereits zehn Monate vor Abreise, was die weiteren Schritte sehr erleichterte. Vier Monate vor Abreise kontaktierte ich meine Studiengangsleitung um die Anerkennung meines Auslandspraktikums als Pflichtpraktikum zu besprechen (die Zusage der grundsätzlichen Anerkennung des Praktikums hatte ich bereits vor meiner Bewerbung eingeholt) und beantragte ein Auslandssemester.

Um in Südafrika länger als drei Monate zu bleiben, benötigt man ein Volunteer-Visum/ Research-Visum oder eine Verlängerung des Touristenvisums (Antrag nur im Land möglich). Ein alternativer Weg ist, nach Ablauf der drei Monate, das Land zu verlassen, nach Deutschland/anderes Land (kein Nachbarland Südafrikas) zu fliegen und nach ein- oder zwei Wochen wieder zurückzukehren, um ein neues Drei-Monats-Touristenvisum zu beantragen.

Da meine Praktikumstätigkeit (Arbeit mit ehemaligen Zwangsprostituierten) meines Erachtens unter
„Volunteer-Work“ fiel, entschied ich mich für die Bewerbung um ein Volunteer-Visum. Die Bewerbung kann frühstens drei Monate vor Einreise eingereicht werden.

Aktuelle Informationen und Kriterien zur Beantragung unter: https://www.suedafrika.org/

Bei der Einreichung meiner Unterlagen im südafrikanischen Konsulat in Berlin (eine postalische Einsendung ist nicht möglich) erhielt ich direkt eine Ablehnung. Die Begründung des Mitarbeiters war: „Arbeit mit Prostituierten oder Opfern aus dem Menschenhandel ist keine „Volunteer Work“. Diese sehr interessante Auffassung kann ich bis heute nicht nachvollziehen, erfuhr jedoch während meiner Zeit in Südafrika von zahlreichen Leuten, dass ihre Visumanträge in Berlin ebenfalls abgelehnt wurden. Nach dem gescheiterten Visumantrag entschied ich mich dazu, mit einem Touristenvisum einzureisen nach Südafrika. Dieses erhält man kostenfrei bei der Einreise ins Land am Flughafen. Nach drei Monaten habe ich das Land nach Burkina Faso verlassen und bin nach einem Monat wieder nach Südafrika eingereist. Anzumerken ist jedoch, dass bei Wiedereinreise möglicherweise lediglich ein Transitvisum von 7 Tage ausgestellt wird, wenn man nach Abreise aus Südafrika nicht in sein Heimatland, sondern in ein anderes Land fliegt. Dieses Problem hatten wir nicht, sollte jedoch als Risiko im Hinterkopf behalten werden.

Eineinhalb Monat vor Abreise (früher lohnt es sich nicht) begann ich die Suche nach einer Wohnung. Dafür nutze ich das Portal http://gumtree.co.za/. Dort suchte ich nach möblierten Wohnungen in Stadtteilen, die mir von meiner Organisation empfohlen wurden. Diese Empfehlungen sollten vorher dringend eingeholt werden, da viele Stadtteile nicht sicher sind und besonders als Ausländer gefährlich sein können. Vollständig möblierte Wohnungen sind in Kapstadt gut zu finden. Es sollte auf die Entfernung zum Arbeitsplatz geachtet werden, da zu Rushhour Zeiten die Anfahrt sonst sehr lang werden kann.

Ein sehr typisches Format sind so genannte „Granny Flats“ (kleine angebaute Apartments an das eigentliche Haus). Diese bieten den Vorteil, dass man direkt neben seinen Vermietern wohnt und diese unkompliziert kontaktieren kann, sollten Probleme auftreten und dennoch seine Privatsphäre hat. Da ich gemeinsam mit meinem Ehemann nach Südafrika gereist bin, war unsere Unterkunft etwas größer (mit Gästezimmer), in einer sehr sicheren Gegend (Durbanville) und entsprechend kostspieliger. Die Miete betrug 750€ inklusive Nebenkosten (Strom, Wasser, WLAN). Es gibt jedoch auch günstigere Apartments. Unser Apartment war vollständig möbliert (inklusive Küchenutensilien) und wir mussten uns außer Bettdecken/Kissen keine Einrichtungsgegenstände kaufen. Manche Apartments haben keine Waschmaschine, jedoch gibt es überall „Laundry Shops“. In diesen gibt man die Wäsche ab und für 5-7€ wird die Wäsche innerhalb eines Tages gewaschen, getrocknet und gefaltet. Insgesamt waren wir mit unserer Wohnung sehr zufrieden, jedoch hatten wir am Ende Probleme unsere Kaution zurückzubekommen. Leider keine Seltenheit in Südafrika, weshalb es sehr wichtig ist alles in einem Vertrag festzuhalten (auch wenn dies nicht unbedingt eine Garantiefür die Rückzahlung ist, aber immerhin ein schriftlicher Beweis) und die Kaution möglichst niedrig zu handeln mit dem Bewusstsein, sie möglicherweise abschreiben zu müssen.

Je nach Wohngegend ist ein Auto in Kapstadt essenziell. Direkt in der Innenstadt Kapstadts gibt es jedoch öffentliche Verkehrsmittel und ein Auto würde nur für Ausflüge benötigt (es gibt keine öffentlichen Busse zu Ausflugsorten in der Gegend). Wer kein Auto mieten möchte, sollte Uber verwenden und nicht die öffentlichen Taxis oder Züge, da diese nicht sicher sind. Uber funktioniert sehr gut in Kapstadt, jedoch entschieden wir uns aufgrund unseres Wohnortes in den „Northern Suburbs“ für ein Mietauto, da wir anders nicht zur Arbeit gekommen wären. Das Mieten am Flughafen ist deutlich teurer als das Mieten bei Langzeitvermietern in der Innenstadt. Zu Beginn ist das „LinksFahren“ etwas ungewohnt, man gewöhnt sich jedoch schnell an die andere Straßenseite und besonders in Kapstadt wird viel Rücksicht genommen.

Zur Zahlung von höheren Summen (Mietzahlungen) empfiehlt sich ein Cash-Deposit. Dabei zahlt man kartenlos Bargeld in das Empfängerkonto ein und spart sich damit die Auslandsüberweisungsgebühren. Für alles andere empfiehlt sich eine Visa-Karte, mit der fast überall (selbst in kleinsten Läden und auf Märkten) gezahlt werden kann. ATMs zur Bargeldabhebung sind überall verfügbar, jedoch benötigt man nur selten Bargeld und sollte es nur in geringen Mengen bei sich tragen (Diebstahlgefahr).

Sicherheit ist in Südafrika generell ein großes Thema und fast alle Häuser sind mit Gitterstäben vor den Fenstern und Zäunen/Mauern ausgestattet. In vielen Gegenden wird empfohlen möglichst wenig Wertsachen dabei zu haben und z.B. kein Handy offen zu tragen. In unserer Gegend war dies jedoch kein Problem, und ich fühlte mich sehr sicher. Am besten ist es jedoch „Locals“ zu befragen, wie strikt Sicherheitsvorkehrungen im jeweiligen Wohnviertel eingehalten werden sollten. In der Innenstadt Kapstadts sollte man grundsätzlich Taschendiebstähle für möglich erachten und keine Wertsachen im Auto zurücklassen. Nachts ist in ganz Kapstadt besondere Vorsicht geboten. Man sollte niemals allein im Dunkeln zu Fuß unterwegs sein und auf Autobahnen/Straßen nicht anhalten. Eine häufige Masche ist, dass Unfälle am Fahrbahnrand vorgespielt werden, um anhaltende Autofahrer auszurauben. An Unfallorten sollte man auch tagsüber nicht anhalten. Es wird geraten weiterzufahren und einen Krankenwagen oder die Polizei zu rufen. Im Auto ist auch darauf zu achten, alle Türen während der Fahrt zu verschließen und keine Wertsachen auf dem Beifahrersitz bei offenem Fenster liegen zu haben (hohe Diebstahlgefahr an Ampeln). Man gewöhnt sich jedoch schnell an die höheren Sicherheitsvorkehrungen und kriegt ein Gefühl für „was ist sicher“ und „was ist nicht sicher“. Viele Veranstaltungen finden tagsüber statt oder am frühen Abend, um eine höhere Sicherheit zu gewährleisten.

Ebenso sind die meisten Einkaufsläden nur bis 19-20Uhr geöffnet. Fast Food Läden haben meist jedoch 24/7 geöffnet. Lebensmittelkosten (besonders Obst und Gemüse) sind in Südafrika niedriger als in Deutschland. Die südafrikanische Küche ist von sehr vielen Kulturen beeinflusst und dementsprechend abwechslungsreich. Die meisten Nationalgerichte enthalten Fleisch, aber es ist kein Problem vegetarische Gerichte in Restaurants zu finden. Nur bei Treffen mit südafrikanischen Freunden, sollte man am besten selbst eine vegetarische Speise mitbringen, da man nicht davon ausgehen sollte, dass es etwas Vegetarisches gibt.

Zeit wird in Südafrika anders definiert als in Deutschland. Generell ist man etwas entspannter und 5-30min zu spät kommen ist bei privaten Veranstaltungen meist kein Problem. Eine kurze Whatsapp-Nachricht mit der Information, dass man zu spät kommt, genügt, ist jedoch meist gar nicht erwartet. Öffentliche Veranstaltungen oder Termine sollten jedoch pünktlich erreicht werden. Dabei ist zu beachten, dass Fahrtwege oder Besorgungen auf dem Weg meist zeitintensiver sind als in Deutschland. Häufig steckt man in gesperrten Straßen fest, Unfällen oder wartet sehr lange um „kurz“ etwas in einem Laden abzuholen. Die Uhren ticken einfach etwas langsamer. Es gibt drei verschiedene Verwendungen vom Wort „Jetzt“. Die Formulierung „Now Now“ meint nicht, „jetzt sofort“, sondern wird verwendet, wenn man sich in ein paar Stunden oder am nächsten Tag trifft. „Just now“ bedeutet die Person ist auf dem Weg und in ca. 5-30min (je nach Fahrtlänge) da. „Right now“ bedeutet, sofort/jeden Moment.

Kommunikation findet meist via Whatsapp statt, egal ob Arbeitskollege, Freund, Vermieter oder Friseur. Somit empfiehlt es sich eine südafrikanische SIM-Karte zu kaufen mit mobilen Daten und Airtime (zum Telefonieren). Für den Kauf und die Aktivierung einer SIM-Karte wird nur der Reisepass benötigt. Mobile Daten sind relativ teuer in Südafrika, allerdings gibt es in fast allen Malls und Cafés WLAN-Hotspots, wodurch keine großen Mengen an mobilen Daten benötigt werden. Sollte kein WLAN in der Unterkunft vorhanden sein, lohnt es sich bei z.B. https://www.rain.co.za/ eine SIM-Karte zu kaufen anstatt einen WLAN-Router (es gibt meist nur Jahresverträge und die Installation dauert häufig mehrere Wochen). Jedoch wird für das Kaufen der SIM-Karte eine südafrikanische ID benötigt.

Das Mobilfunknetz ist relativ gut und nur selten gestört. Störungen sind meist ausgelöst von Loadshedding (geplante Stromausfälle). Mit regelmäßigen Stromausfällen (meist kein Strom für mindestens zweieinhalb Stunden pro Tag) sollte man rechnen. In manchen Wochen fiel der Strom dreimal täglich für zweieinhalb Stunden aus. Um sich auf die Stromausfälle vorzubereiten (vorzukochen) lohnt es sich die „Eskom App“ runterzuladen. Die App zeigt einem an, wann und wie lange man Stromausfälle in seiner Wohngegend zu erwarten hat.

All die beschriebenen Hinweise und Erfahrungen sollten jedoch keine Angst oder Sorge auslösen, denn an das meiste gewöhnt man sich schnell und man erhält von allen Seiten viel Unterstützung. Südafrika und besonders Kapstadt ist wunderschön und die Menschen sind sehr offen und freundlich. Man lernt schnell Leute kennen und fühlt sich heimisch trotz der kulturellen Unterschiede. Südafrika ist auch politisch und historisch ein sehr spannendes und zum Teil herausforderndes Land.

Die Apartheid-Vergangenheit spielt bis heute eine große und präsente Rolle in der Politik und es gibt viele Konflikte zwischen den verschiedenen Ethnien in Südafrika. Rassismus ist omnipräsent und das Thema „Hautfarbe“ ein sehr sensibles Thema. Für mich war es eine sehr spannende und prägende Zeit, in der ich lernen durfte, mich mit vielen Themen und Auffassungen auseinanderzusetzen, die mir zuvor noch nicht begegnet waren. Zum besseren Verständnis der historischen Vergangenheit hatte ich zuvor Mandelas Autobiographie „Long Walk to Freedom“ und das Buch „Kleine Geschichte Südafrikas“ von Albrecht Hagemann gelesen. Beide Bücher sind meines Erachtens hilfreich, um die aktuellen politischen Debatten und die Stimmung im Land besser zu verstehen. Durch mein Praktikum habe ich einen guten Einblick in das Arbeiten in einer NGO erhalten, was für mich sehr hilfreich war für meinen weiteren Berufsweg und ich konnte Studieninhalte praktisch umsetzen und ausprobieren wie z.B. in der Entwicklung eines HIV/AIDS Awareness Guides für Mitarbeiter der NGO. In meinem Praktikum bestanden insgesamt 2/3 meiner Aufgaben in der Projektleitung des iGugu Projekts zur Reintegration von ehemaligen Prostituierten, sowie in administrativen Tätigkeiten (Entwicklung von Richtlinien, Organisation der Jahreskonferenz und Aufsetzen von Verträgen). 1/3 meiner Tätigkeiten hatten einen konkreten Bezug zu meinem Studium der Pflegewissenschaft (beispielsweise eine HIV Policy entwickeln, Gespräche mit Projektteilnehmer zum Thema HIV, AIDS und allgemeine Gesundheit). Wer sich für eine entsprechende Praktikumsstelle interessiert, sollte mit einer vergleichbaren Aufgabenverteilung/Fachbezug rechnen.

Durch die vielfältigen Aufgaben konnte ich auf fachlicher, aber auch methodischer Ebene, besonders durch das Mitaufbauen des Reintegrationsprojekts, viel lernen. Zugleich durfte ich aber auch auf sozialer Ebene durch die Mitarbeit in einem internationalen Team und auf persönlicher Ebene, durch das enge Begleiten und Unterstützen der Aussteiger/innen wachsen. Dies war nicht immer leicht, da alle Aussteiger/innen aus äußerst prekären Verhältnissen kamen und viel Gewalt und Missbrauch erlebt hatten. Meine Vorerfahrung im Umgang mit schweren Schicksalen durch meine dreijährige Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin parallel zum Studium erwies sich dabei, als äußerst hilfreich. Dadurch war es mir möglich eine gute Balance zwischen meinem Praktikum und Privatleben zu finden.

Meinen Englisch-Wortschatz, besonders mein formales Englisch-Vokabular, konnte ich in meiner Zeit in Südafrika ebenfalls erweitern, besonders durch die Erarbeitung von Leitfäden und Richtlinien. Da in unserer Wohngegend größtenteils Afrikaans gesprochen wurde, hatte ich zusätzlich Gelegenheit einen kleinen Afrikaans Wortschatz aufzubauen. Generell kann ich es sehr empfehlen einige Sätze/Worte in einer der elf Landessprachen zu lernen.

Insgesamt erlebte ich meine Zeit in Südafrika als sehr weiterbringend. Durch mein Praktikum erhielt ich ein Bild von der beruflichen Tätigkeit im NGO-Sektor und den damit einhergehenden Herausforderungen. Zudem war es mir durch den Tätigkeitsbereich möglich, hinter die „touristische“ Fassade des Landes zu blicken und Einblick in die vielen Probleme und die damit verbundenen Bewältigungsstrategien/ Unterstützungsansätze zu bekommen.

Ich bin sehr dankbar für die vielen neuen kulturellen Erfahrungen und für eine weitere Auslandserfahrung, durch die ich erneut erfahren durfte wie sehr es sich lohnt seine „Comfortzone“ zu verlassen und seinen persönlichen Horizont zu erweitern.