Nach meinem Abitur im Jahr 2021 stand ich wie viele andere auch vor der Frage, wie es weitergehen sollte. Eines war mir relativ schnell klar: Ich brauchte eine Pause vom schulischen Umfeld und wollte auf jeden Fall nicht direkt ein Studium beginnen. Da ich immer schon einige Zeit im Ausland verbringen wollte, entschied ich mich nach einiger Recherche für einen Freiwilligendienst im Ausland und bewarb mich bei ‚kulturweit‘.
‚Kulturweit‘ ist ein Programm der Deutschen UNESCO-Kommission und wird vom Auswärtigen Amt gefördert. Seit 2009 werden Freiwilligendienste für Menschen zwischen 18 und 26 Jahren angeboten. Hierbei besteht die Möglichkeit, sich zwischen einem Kultur- und Naturfreiwilligendienst zu entscheiden. Im Bewerbungsprozess gibt es ansonsten relativ wenig Möglichkeiten, sich für ein Land zu entscheiden. Man kann lediglich eigene Präferenzen für die Weltregionen (afrikanischer, asiatischer, europäischer oder amerikanischer Kontinent) äußern. Kulturweit kooperiert mit sieben verschiedenen Partnerorganisationen, wie zum Beispiel mit dem Goethe-Institut oder dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), die die Freiwilligen in die Einsatzstellen entsenden. Im Rahmen des Programms erhalten die Teilnehmer*innen einen monatlichen Betrag von 450 Euro, der als Taschengeld sowie als Zuschuss zur Unterkunft und Verpflegung dient. Darüber hinaus werden Reisekosten und medizinische Kosten, die im Rahmen der Vorbereitung entstehen, bezuschusst. Zur Vorbereitung und Begleitung des Freiwilligendienstes werden drei Seminare (Vorbereitungs-, Zwischen- und Nachbereitungsseminar) abgehalten.
Nach meiner Bewerbung im November 2020 wurde ich ca. 4 Monate später von der zuständigen Person am Goethe-Institut București (Bukarest) kontaktiert, die mir eine Stelle an einer Schule in einer Einsatzstelle im rumänischen Siebenbürgen vorschlug. Und dann ging alles ganz schnell: Nicht einmal einen Monat später erhielt ich die offizielle Zusage von kulturweit für einen 12-monatigen Freiwilligendienst und konnte schon mit den Vorbereitungen beginnen. Diese Vorbereitungen waren umfangreicher als ich dachte. Nach einigen Terminen, Unmengen an Unterlagen und einer erfolgreichen Wohnungssuche konnte es endlich losgehen!
Meine Reise begann zunächst etwas schleppend. Das ursprünglich an einem See in der Nähe von Berlin geplante Vorbereitungsseminar konnte aufgrund der COVID19-Pandemie nicht wie geplant in Präsenz stattfinden. So verbrachte ich zehn Vormittage an meinem Schreibtisch bei Zoom und nahm an den verschiedenen Seminarangeboten teil. Die Seminargruppen waren nach Ländern gegliedert, was es uns ermöglichte, die anderen Freiwilligen ein wenig kennenzulernen und sich auszutauschen, was sich im Laufe meines Jahres noch als sehr nützlich erweisen sollte.
Das Colegiul Naţional Lucian Blaga
Am 12. September 2021 war es endlich so weit: Ich machte mich auf den Weg in die kleine siebenbürgische Stadt Sebeș (Mühlbach), in der sich meine Einsatzstelle, das Colegiul Naţional Lucian Blaga (CNLB), befand. Hier wohnte ich mit einer schulwärts-Praktikantin zusammen, die ebenfalls an der Einsatzstelle tätig war. Das CNLB ist eine Mittelschule und ein Gymnasium, das von Schüler*innen von der 5. bis zur 12. Klasse besucht wird.
Zu meinen Aufgaben zählte die Unterstützung von Deutschlehrerinnen im Unterricht, die Durchführung von eigenem Unterricht in Kleingruppen (davon größtenteils Konversationsaufgaben), das Abhalten von Vertretungsstunden sowie ab und zu die Korrektur von Aufgaben. Zu Beginn meines Einsatzes erhielt ich einen Stundenplan, ansonsten bereitete ich meinen Unterricht relativ selbständig vor. Meine Aufgaben waren vor allem eine ziemliche Herausforderung, weil ich von Anfang an ins kalte Wasser geworfen wurde und meine Arbeit mit einer Woche Vertretungsunterricht begann, was sich als wirklich schwierig erwies. Mit der Zeit fand ich jedoch Gefallen an der Arbeit und konnte meine anfängliche Nervosität etwas ablegen.
Neben meiner Arbeit in der Einsatzstelle standen mir viele Wochenenden zur Verfügung, die ich frei gestalten konnte. Hier war das große Netz an kulturweit-Freiwilligen von Vorteil, die auf unterschiedliche Städte in Rumänien verteilt waren. Das bot die Möglichkeit, die Wohnungen der anderen Freiwilligen als Schlafplatz zu nutzen und auf diese Weise viel vom Land zu sehen. Ein weiterer Vorteil waren die Preise in Rumänien, die deutlich günstiger sind als in Deutschland. So waren Zug- und Busfahrten sowie Verpflegung erschwinglich und die ein oder andere Reise finanziell machbar.
Die Lügenbrücke in Sibiu
Eines meiner persönlichen Highlights war die Stadt Sibiu (Herrmannstadt), die nur 40 Minuten mit dem Reisebus (und ganze 2:30h!! mit dem Zug) von mir entfernt lag. Daran wird deutlich, dass das Zugfahren in Rumänien auf vielen Strecken nicht zu empfehlen ist, da sich die Züge oftmals in einem sehr langsamen Tempo fortbewegen und es meistens ewig dauert, bis man sein Ziel erreicht.
Aufgrund der geografischen Nähe und meiner Freund*innen, die dort lebten, war ich sehr oft in Sibiu. Die Stadt hat eine wunderschöne Altstadt mit den charakteristischen augenförmigen Fenstern in den Dächern, die einem auf dem Piața Mare und anderen Plätzen der Stadt entgegenschauen. Einen Besuch wert ist das Freilichtmuseum ASTRA, in dem man traditionelle rumänische Häuser besichtigen kann. Außerdem bietet Sibiu tolle Cafés und Secondhandläden, Wandermöglichkeiten und einen unvergleichlichen Blick auf die schneebedeckten Karpaten.
Ein weiteres Highlight war eine Wanderung im Parcul Natural Bucegi, einem Nationalpark, der in der Nähe der Stadt Brașov liegt. Hier mieteten wir uns zu acht ein Auto und fuhren zum Lacul Bolboci, einem schönen Bergsee. Nach unserer Wanderung um den See fuhren wir weiter nach oben in die Berge, wo wir den Sonnenuntergang bei einer unvergesslichen Aussicht genießen konnten.
Mein Jahr in Rumänien war eine wunderbare Erfahrung, an die ich noch lange zurückdenken werde. Ich kann allen, die nach der Schule eine ähnliche Erfahrung machen möchten, nur empfehlen, den Schritt zu wagen und einen Freiwilligendienst im Ausland zu machen.
Wandern im Parcul Natural Bucegi
Quelle: https://www.kulturweit.de