Vor wenigen Monaten verstarb Wolfgang Schäuble und die Nachrichten waren voll mit Nachrufen, Beileidsbekundungen und Portraits über ihn. Natürlich ging die Information seines Todes nicht an mir vorbei, sodass ich ins Grübeln kam und mich versuchte zu erinnern, mit welcher Art von Politik oder politischen Ereignissen ich ihn denn eigentlich in Verbindung brachte. Als Kind verfolgte ich gerne die Nachrichten und abseits davon, dass er Finanzminister unter Merkel war, ist mir noch im Gedächtnis geblieben, dass Schäubles Name immer dann regelmäßig in der Berichterstattung auftauchte, wenn es um die Eurokrise oder Griechenland ging. In dem Zusammenhang ist mir außerdem die Wut der griechischen Bevölkerung auf vor allem deutsche Politiker, noch sehr präsent. Wie ich es behalten habe, war der Grundtenor der Nachrichten immer der, dass die griechische Bevölkerung drastisch sparen müsste, um „wieder auf Kurs“ zu kommen. Da dies nun aber schon einige Jahre her ist und ich zu Beginn der Krise gerade einmal 7 Jahre alt war, konnte ich mir nicht mehr genau in Erinnerung rufen, was damals eigentlich genau passiert ist. Somit will ich mich im Folgenden den Fragen nach der Eurokrise, Griechenland im Mittelpunkt dieser Problematik und der Wut der griechischen Bevölkerung widmen und probieren, das Geschehene und die Folgen genauer zu beleuchten. 

Um in das Thema einführen zu können, muss man erstmal verstehen, was sich unter dem Begriff Eurokrise überhaupt verstehen lässt und wie sie entstanden ist. Es kann gesagt werden, dass die Eurokrise eine der bedeutendsten Finanzkrisen des 21. Jahrhunderts ist, deren genauen Ursprung zu benennen sich allerdings als äußerst komplex erweist. Meist wird beschrieben, dass die Krise durch eine Kombination aus schwachen Bankensystemen, unzureichender fiskalpolitischer Disziplin und strukturellen Problemen in verschiedenen Mitgliedstaaten der Eurozone ausgelöst wurde. Zentrales Problem wäre dabei die übermäßige Verschuldung einiger EU-Mitgliedstaaten, insbesondere Griechenlands, die durch unzureichende Kontrolle der öffentlichen Finanzen und unsolide Haushaltsführung verstärkt wurde. Dazu muss gesagt werden, dass eine hohe Staatsverschuldung an sich nicht immer zur Krise führt, sondern vielmehr an der Reaktion der Finanzmärkte auf die jeweilige ökonomische Situation der betroffenen Länder liegt. Nicht zu vernachlässigen sind außerdem die Folgen der Weltwirtschaftskrise von 2008, die enorme Auswirkungen auf die Realwirtschaft aller Länder hatte. Ebenso trugen die hohen Handelsungleichgewichte innerhalb der Eurozone zur Verschärfung der Krise bei.

Aber hat die EU nicht eigentlich klare Regeln für die Fiskal- und Schuldenpolitik der bestehenden und zukünftigen Mitgliedstaaten? Im Maastricht-Vertrag ist festgehalten, dass das Verhältnis zwischen dem geplanten oder tatsächlichen öffentlichen Defizit und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen nicht mehr als 3% betragen darf. Außerdem ist das Verhältnis zwischen dem öffentlichen Schuldenstand und dem Bruttoinlandsprodukt zu Marktpreisen auf 60% festgelegt. Anwärter auf eine Mitgliedschaft will die EU vor der Aufnahme somit gemäß den festgelegten Regeln überprüfen, was sich in der Realität jedoch meist als deutlich weniger streng darstellt. So betraf es auch Griechenland.

Trotz des Bemühens um Stabilität und Wachstum im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses litt das Land unter chronischen Haushaltsdefiziten, hoher Staatsverschuldung und ineffizienten Verwaltungsstrukturen. Griechenland kämpfte mit wirtschaftlicher Instabilität und der Problematik, seine ausufernden öffentlichen Finanzen unter Kontrolle zu behalten. In den Jahren vor der EWU-Aufnahme (Europäische Währungsunion) waren Reformbemühungen unzureichend, was zu einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage führte und das Vertrauen in die Stabilität des griechischen Finanzsystems untergrub. Obwohl den EU-Verantwortlichen diese Situation durchaus bekannt war, trat Griechenland 2001 der EWU bei.

Bis 2007 stiegen die Leistungsbilanzdefizite der Eurostaaten Griechenland, Irland, Portugal, Spanien, auch GIPS genannt, stark an. Die festen Wechselkurse in der Eurozone verhinderten eine Anpassung durch Währungsabwertungen, in dessen Folge die Auslandsverschuldung von Griechenland zwischen 2001 und 2007 auf 14,5 % des BIP explodierte. Dies war hauptsächlich auf die exzessive Kreditaufnahme von Unternehmen und privaten Haushalten zurückzuführen, wobei die Privatverschuldung sogar höher war als die Staatsschulden. Die Finanzkrise von 2008 offenbarte die Unfähigkeit vieler Kreditnehmer, ihre Schulden zurückzuzahlen, was zu Bankenpleiten und einem starken Vertrauensverlust führte. Griechenland war besonders stark betroffen, mit einem Rückgang des BIP um fast 3,5% im Jahr 2009 und einem Anstieg der Staatsverschuldung auf 145 % des BIP im Jahr 2010, nachdem das Land hohe Beträge für die Bankenrettung aufbringen musste1. Die finanziellen Probleme Griechenlands und die Angst vor einem Staatsbankrott führten letztendlich dazu, dass ausländische Geldgeber Anfang 2010 ihre griechischen Staatsanleihen umgehend loswerden wollten. Zudem kam hinzu, dass für Anleihen des griechischen Staates enorm hohe Risikoprämien fällig wurden, womit sie noch unattraktiver für den Finanzmarkt wurden. Der griechischen Regierung blieb nichts anderes übrig, als die EU nach Hilfe zu fragen.

Die EU probierte, mit allen Mitteln die Krise in den Griff zu bekommen, weshalb im Mai 2010 ein temporärer Rettungsschirm verabschiedet wurde. Nach zähen Verhandlungen stellten schließlich der IWF (Internationaler Währungsfonds) und die anderen Länder des Euro-Raums, Griechenland 110 Milliarden in Form eines Kredits zur Verfügung. Im Gegenzug dazu musste sich die griechische Regierung zu umfassenden Konsolidierungsmaßnahmen verpflichten. Die von Griechenland aufgestellte Strategie umfasste unter anderem: Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst (150.000 Beamte bis 2015), Schließung bzw. Zusammenlegung öffentlicher Einrichtungen unter Fachministerien und im Sozialversicherungssektor, Kürzung der Gehälter von Angestellten im öffentlichen Dienst, Kürzungen von Sozialleistungen und Renten, Einsparungen im Gesundheitswesen, Maßnahmen zur Erhöhung der Steuereinnahmen, Privatisierung staatlichen Eigentums (Veräußerungen von Häfen, Flughäfen, Energieanbietern und Immobilien sollen bis Ende 2015, 50 Milliarden Euro einbringen), Liberalisierungen von Investitionen, Exporten und öffentlichen Dienstleistungen2.

Über die nächsten Jahre wurden Griechenland weitere Kredite in Milliardenhöhe zur Verfügung gestellt, die allerdings strengen Vereinbarungen unterlagen. Zur Überprüfung der griechischen Sparmaßnahmen wurde von Seite der Geldgeber die sogenannte „Troika“ eingesetzt. Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss der Europäischen Zentralbank, Europäischen Kommission und dem IWF. Dieses Gremium reiste regelmäßig nach Athen und kontrollierte die Arbeit der griechischen Regierung. Erst nach der jeweiligen Einschätzung und Empfehlung der Troika wurden weitere Kredite ermöglicht.

Was man unter dem Begriff der Eurokrise verstehen kann und warum gerade Griechenland im Fokus stand, betrachte ich mit dem oben stehenden Text als grob beantwortet. Nun bleibt noch die Frage nach der Wut und der Verzweiflung. Deutlich näher kommt man dieser, bei der Betrachtung der Situation großer Teile der griechischen Bevölkerung, die sehr unter dem harten Sparkurs der Troika litten. Welche sozialen Auswirkungen die Eurokrise und die damit einhergehende Austeritätspolitik in Griechenland hinterließ, möchte ich im zweiten Teil dieses Artikels behandeln. So viel sei vorweggenommen, es ist erschreckend und alarmierend zugleich.

Hier geht es zum zweiten Teil.

 

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1  Neubäumer, R. (2011) ‘Eurokrise: Keine Staatsschuldenkrise, sondern Folge der Finanzkrise’, Wirtschaftsdienst, 91(12), pp. 827-833. Available at: https://doi.org/10.1007/s10273-011-1308-5

2  Hoffmann, R.T. and Krajewski, M. (2012) ‘Staatsschuldenkrisen im Euro-Raum und die Austeritätsprogramme von IWF und EU’, Kritische Justiz, 45(1), pp. 2-17.