Am vergangenen Montag (20.11.2023) haben wir es alle mitbekommen: Die Mensa der Uni Bremen hatte nur noch ein Angebot, die Cafeteria war geschlossen – es war bundesweiter Hochschulaktionstag und auch die Beschäftigten der Uni Bremen haben gestreikt. Ein Bündnis aus verschiedenen Gewerkschaften, Initiativen, Studierendenvertretungen und hochschulpolitischen Gruppen hatten bundesweit zum Streik für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne für Beschäftigte an Hochschulen aufgerufen.
Der Streik stand unter dem Motto „Schluss mit prekärer Wissenschaft“. Das Wort prekär bedeutet in etwa so viel wie „unsicher“. Im Zentrum steht demnach die Forderung nach sicheren Arbeitsplätzen in der Wissenschaft.
Im Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) ist seit 2007 festgeschrieben, wie Arbeitsverträge für Wissenschaftler*innen an Hochschulen und Forschungseinrichtungen befristet werden können. Dadurch soll eine Rotation der Generationen in der Wissenschaft sichergestellt und jungen Wissenschaftler*innen ein einfacherer Zugang zur Arbeit an Hochschulen ermöglicht werden. Die Streikenden kritisieren die dadurch entstehende Prekarisierung der Wissenschaft, weil so keine Planungssicherheit bestehe und Angestellte unter ständigen Zukunftsängsten stünden.
Konkret werden in der Tarifrunde der Länder höhere Löhne (10,5 % und mindestens 500 Euro mehr im Monat), ein Inflationsausgleich und mehr unbefristete Verträge für wissenschaftliche Mitarbeiter*innen (mindestens 35%) gefordert. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Forderung nach einem Tarifvertrag für studentische Beschäftigte und nach der Aufnahme studentischer Beschäftigter in die Personalvertretungsgesetze der Länder. Außerhalb der Tarifrunde stehen noch weitere Forderungen im Zentrum der Streiks: Eine Bafög-Strukturreform und höhere Bafög-Sätze sowie die Ausfinanzierung von Forschung und Lehre, unabhängig von Drittmitteln und Projektförderung.
Von dem Tarifvertrag für studentische Beschäftigte habe ich selber schon etwas früher erfahren: Nach einer Schulung für meine neue Stelle als Tutorin im Studiengang Integrierte Europastudien, bin ich von der Initiative TVStud angeschrieben worden. Die Initiative setzt sich, mit Unterstützung der Gewerkschaften GEW und Ver.di, für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte (also studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte sowie Tutor*innen) ein. TVStud ist in verschiedenen Städten aktiv, unter anderem auch in Bremen.
Ein Tarifvertrag ist ein Vertrag zwischen Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden in dem die Rechte und Pflichten der Arbeitnehmer*innen und Arbeitgeber*innen, über die gesetzlichen Regelungen hinaus, festgelegt sind. Unter anderem Löhne, Gehälter, Sonderzahlungen, Arbeitszeit und Urlaubsanspruch können durch einen Tarifvertrag geregelt werden. Anspruch auf die Leistungen, die im Tarifvertrag festgelegt sind, haben allerdings nur Angestellte, die auch Mitglied in einer Gewerkschaft sind. Trotzdem werden die Bestimmungen oft auf alle Angestellten angewandt, um keinen Anreiz für den Eintritt in eine Gewerkschaft zu bieten.
Seit 2018 existiert ein solcher Tarifvertrag in Berlin. Jetzt soll er bundesweit umgesetzt werden. In der vom Institut Arbeit und Wirtschaft Anfang 2023 herausgegebenen Studie „Jung, akademisch, prekär“, in der 11.000 studentische Beschäftigte in ganz Deutschland befragt wurden, werden die Bedingungen für studentische Hilfskräfte deutlich: Urlaubsansprüche werden nicht wahrgenommen, es werden Krankheitstage nachgearbeitet und Überstunden gemacht. Viele arbeiten sogar ohne Bezahlung oder ohne Vertrag. Das sind Bedingungen, die man sich leisten können muss: Studierende, die neben dem Studium arbeiten müssen, können solche Stellen als studentische Hilfskräfte oft nicht wahrnehmen. Ein Tarifvertrag für studentische Beschäftigte würde sich der Studie zufolge positiv auf die Arbeitsbedingungen auswirken. Bundesweit würde er ca. 300.000 studentische Beschäftigte einschließen.
Aber wie erfolgreich werden die Forderungen nach einem TVStud sein? In der zweiten Verhandlungsrunde am 2./3. November 2023 zwischen den Gewerkschaften und der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) haben sich die Arbeitgeber*innen jedoch gegen den geforderten Tarifvertrag ausgesprochen. Gerechtfertigt wurde das Ganze damit, dass das Beschäftigungsverhältnis nur ausbildungsbegleitend sei und damit kein richtiges Arbeitsverhältnis (Dr. Andreas Dressel (SPD) Vorstandsvorsitzender der TdL Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg) und es eine „Ehre“ sei, an einer Hochschule beschäftigt zu sein, damit jedoch nicht das Studium finanziert werden solle (Hartmut Vorjohann (CDU), Erster Stellvertreter des Vorsitzenden der TdL Staatsminister der Finanzen Sachsen). TVStud hat daraufhin zusammen mit GEW und Ver.di zu den Streiks aufgerufen und will weiterhin auf die Straße gehen für bessere Arbeitsbedingungen für studentische Hilfskräfte.
Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 7. und 8. Dezember 2023 angesetzt, dann wird sich zeigen, welche Wirkung die Streiks vom 20. und 21. November hatten.