27.08.2022 – Münster.

Es ist CSD oder genauer gesagt Christopher Street Day. Ein Tag, an dem für Gleichstellung, Akzeptanz und gegen Diskriminierung lesbischer, schwuler, Transgender- und queerer Menschen demonstriert aber auch ausgelassen gefeiert wird.
Eigentlich ein sehr schöner Tag – ich persönlich finde CSDs, im englischen auch „Pride“ genannt immer sehr eindrucksvoll. Man fühlt sich akzeptiert und willkommen, genau so wie man ist und wird für keine Lebensformen oder Vorlieben verurteilt. Für mich waren CSDs demnach immer unglaublich schöne und harmonische Erfahrungen.

Dies waren sie vermutlich auch für Malte C. Er nahm an diesem Tag am CSD in Münster teil und feierte ausgelassen und unbeschwert. Malte ist im biologischen Körper einer Frau geboren worden, konnte sich mit diesem jedoch nicht identifizieren und war demnach ein Transmann. Dazu auch noch einer, der für die queere Gemeinschaft einstand, denn an diesem Tag in Münster wurden zwei lesbische Frauen von einem zwanzigjährigen Mann, aufgrund ihrer sexuellen Orientierung beleidigt und Malte C. ging dazwischen.
Jetzt ist Malte tot.
Diese Zivilcourage kostete ihn sein Leben.
Der Täter beleidigte ihn noch mit den Worten „Du bist kein richtiger Mann“, bevor er zuschlug und Malte auf den Boden prallen ließ. Dieser wurde daraufhin ins Koma versetzt, verstarb jedoch kurze Zeit später an den Folgen des Aufschlages.

Wie ist der Christopher Street Day eigentlich entstanden?

Der Ursprung des Christopher Street Days ist eine gewalttätige Razzia der Polizei in der Stonewall Bar in der New Yorker Christopher Street am 28.Juni 1969. Dies war damals keine Seltenheit, doch an diesem Tag setzten sich Schwule und Lesben gegen die Polizeiwillkür zur Wehr. Im Zuge der Auseinandersetzung kam es zu einer Demonstration, bis Polizisten die Demonstrant*innen auseinandertrieben. In den darauffolgenden Tagen kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Polizei und queeren Personen.

Um diesen Aufständen zu gedenken, wurde das Christopher Street Liberation Day Committee gegründet. Seit dem wird in New York am letzten Samstag des Juni, dem Christopher Street Liberation Day, mit einem Straßenumzug an dieses Ereignis erinnert. Mittlerweile werden die damaligen Ereignisse in der Christopher Street auf der ganzen Welt zum Anlass genommen, um Gleichberechtigung in Staat, Recht und Gesellschaft einzufordern.

Wir haben sicherlich alle von diesem schrecklichen Vorfall gehört. Doch heutzutage ist sowas ja zum Glück die Ausnahme, oder?
Ist es das tatsächlich?
Genau eine Woche später, am Abend des 3. Septembers 2022, wurde hier in Bremen eine 57-jährige Transfrau von einer Vierergruppe im Alter von 12 bis 14 Jahren in der Straßenbahn aufs Schlimmste beleidigt. Ihr wurde die Perücke vom Kopf gerissen und schließlich wurde auch sie geschlagen. Sie kam immerhin noch mit dem Leben davon, dies vermutlich aber auch nur, da Zivilist*innen ihr in der Bahn rechtzeitig zur Hilfe kamen.

Diese Frau hatte also Glück im Unglück. Malte C. und viele andere queere Menschen jedoch nicht.
Sind wir denn also wirklich so weit gekommen, wie wir immer denken? Jeder und Jede kann doch heutzutage so leben wie er oder sie möchte. Wir brauchen doch gar keine CSD – „Paraden“ mehr, oder?

 

Tja, offensichtlich schon. Denn solange seitens der politischen Zuständigen nichts Ernsthaftes gegen Homophobie und Transfeindlichkeit unternommen wird, werden wir immer weiterkämpfen müssen.
Die Dunkelziffer bei Straftaten gegen die LGBTQ*-Community in Deutschland ist sehr hoch und allein bei den gemeldeten Vorfällen im vergangenen Jahr ist ein deutlicher Anstieg zu beobachten. Der Bundesregierung zufolge gab es demnach im Jahr 2021 eine Steigerung von rund Fünfzig Prozent auf 870 Delikte aufgrund der sexuellen Orientierung einer Person.
Ich wiederhole – Eine Steigerung von Fünfzig Prozent!!
Von wegen, die Straftaten werden immer weniger.
Aber immerhin sind Politikerinnen und Politiker nach diesen Vorfällen nicht ganz untätig geblieben.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser äußerte sich einige Tage nach den Angriffen öffentlich dazu. Sie erwähnte, dass queerfeindliche Kriminalität präzise erfasst und beurteilt werden müsse. Aus diesem Grund wären Polizeistatistiken in diesem Bereich verfeinert worden. Zudem mahnte sie, dass das Bewusstsein gegenüber diesen Taten überall in der Gesellschaft geschärft werden müsse und dazu sehr intensiv mit Expert*innen der LGBTQ*-Gemeinschaft zusammengearbeitet werde.
Auch der Beauftragte der Bundesregierung für die Akzeptant sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, Sven Lehmann, meldete sich zu Wort. Er erklärte, dass die Bundesregierung aktuell an einem Aktionsplan gegen Queerfeindlichkeit arbeite, der noch dieses Jahr beschlossen werden solle. Zudem betonte Lehmann, dass er von den Strafverfolgungsbehörden eine schnellere und lückenlose Aufklärung fordere.

Des Weiteren sollen in Zukunft queerfeindliche Beweggründe explizit in der Gesetzgebung zu Hasskriminalität aufgenommen werden und zudem wurden endlich Eckpunkte für ein Selbstbestimmungsgesetz vorgestellt, mit dem das bisher menschenunwürdige Transsexuellengesetz ersetzt werden soll. Demnach soll es transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen und nicht-binären Menschen künftig den Weg zur Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister durch eine einfache Erklärung beim Standesamt erleichtern.
Mehr dazu kann hier gefunden werden:https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2022/09/queerfeindleiche-hasskriminalitaet-bekaempfen.html

Wie man also sieht, wird politisch, wenn auch nur in kleinen Schritten, endlich gehandelt. Dass es dazu aber erst ein Todesopfer brauchte, ist sehr enttäuschend.
Doch auch wir alle gemeinsam und jeder und jede für sich selbst können dafür sorgen, diese Welt zu einem sichereren Ort für queere Menschen zu machen. Nicht wegsehen und in kritischen Situationen laut zu werden, andere Menschen zur Hilfe zu holen und einfach zu zeigen, dass wir stärker sind als der Hass, könnte schon einiges bewirken.