Das Ergebnis der Europawahl 2024 steht ganz im Zeichen des Rechtsrucks in Europa. Nationalkonservative und rechtspopulistische Parteien waren in einer Vielzahl der EU-Staaten die großen Gewinner der Wahl zum Europäischem Parlament und erreichten zum Teil neue Spitzenwerte. Vor allem in großen Mitgliedsstaaten wie in Frankreich und Italien, wo jeweils eine Rechtsaußenpartei den höchsten Stimmanteil aller Parteien erreichte, sind europaskeptische Anti-EU-Parteien gefragter denn je. Auch in Deutschland durfte die rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) über ihr bestes Ergebnis bei einer Europawahl jubeln. Die Konsequenzen des Wahlausgangs werden mit Blick auf die Sitzverteilung im Europäischen Parlament deutlich. Bis auf die Europäische Volkspartei (EVP), die weiterhin die stärkste Fraktion im Parlament ist, mussten alle Fraktionen des Parlaments, die zur „politischen Mitte“ gezählt werden, wie die Sozialdemokraten (S&D), Grünen und Liberalen (Renew Europe), Verluste hinnehmen. Nun könnte man annehmen, dass der Wahlerfolg von rechtskonservativen bzw. rechtspopulistischen Parteien in ganz Europa, eine starke und vereinte Rechtsaußenfraktion mit EU-Gegnern aus allen 27 EU-Mitgliedsstaaten als Folge hat. Jedoch zeigt ein Blick auf die Fraktionen im aktuellen EU-Parlament, dass es nicht die eine Rechtsaußenaußenfraktion gibt, sondern sich drei unterschiedliche Fraktionen im politisch rechten Spektrum konstituierten, nämlich die Patrioten für Europa (PfE), die Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) und die Fraktion Europa der Souveränen Nationen (ESN).

Auflösung der Fraktion Identität und Demokratie (ID) führt zur Bildung neuer Fraktionen

Bis zur Europawahl 2024 waren mit der EKR und der ID zwei Fraktionen im Europäischen Parlament vertreten, die sich politisch rechts der Mitte positionieren. Während die Abgeordneten der EKR als nationalkonservativ und EU-kritisch galten und sich für einen strukturellen Umbau der EU einsetzten, verfolgten die Mitglieder der Fraktion Identität und Demokratie (ID) eine rechtspopulistische und nationalistische Politik, die sich gegen jegliche Form europäischer Integration aussprach und die Souveränität der Nationalstaaten in den Vordergrund stellte. Im Mai 2024, wenige Wochen vor der Europawahl, wurden zahlreiche Skandale rund um die AfD-Politiker Maximilian Krah, dem Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahl, und Petr Bystron publik. Gegen Krah liefen staatsanwaltschaftliche Ermittlungen wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit, Geldwäsche und illegale Zahlungen aus Russland und China. Zudem wurden Krah und Bystron beschuldigt, russischen Spionen Zugang zum Europäischen Parlament ermöglicht zu haben, welche dort Lobbyarbeit für russische Interessen betrieben. Infolge der Veröffentlichung dieser Skandale distanzierte sich ID von der AfD, insbesondere das französische Rassemblement National (RN) grenzte sich klar von der AfD ab und schloss eine weitere Zusammenarbeit mit ihr aus. Noch vor der Europawahl beschloss die Fraktion Identität und Demokratie den Ausschluss der AfD aus der Fraktion. Nach der Wahl kündigte die zuvor fraktionslose ungarische Partei Fidesz zusammen mit der österreichischen FPÖ und der tschechischen ANO, die Gründung einer neuen Fraktion, namens Patriots for Europe (PfE) an. Dieser schlossen sich nahezu alle Parteien der ID an, wodurch diese die notwendige Anzahl an Mitgliedern fehlte, um als Fraktion im EU-Parlament zu gelten. Da die AfD aufgrund ihres Ausschlusses aus der ID keine Berechtigung für einen Beitritt in die PfE-Fraktion hatte, gründete sie zusammen mit der rechtspopulistischen tschechischen SPD die Fraktion Europa der souveränen Nationen (ESN). Diese ist mit insgesamt 26 Mitgliedern aus acht EU-Mitgliedsstaaten die kleinste aller im Europäischen Parlament vertretenden Fraktionen. Folglich sind die rechten Parteien Europas im EU-Parlament in drei unterschiedlichen Fraktionen unterteilt.

Europäische Konservative und Reformer (EKR):

Die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) ist die am längsten bestehende Fraktion des rechten politischen Spektrums und ist seit ihrer Gründung 2009 ununterbrochen im Europäischen Parlament vertreten. Derzeit stellt die EKR 80 Abgeordnete, womit sie die viertgrößte Fraktion im Parlament ist. Die beiden wichtigsten Parteien der Fraktion sind die Fratelli d´Italia, die Partei der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni, und die polnische PiS, die zwischen 2015 und 2023 stärkste Kraft in Polen war. Inhaltlich steht die EKR für eine nationalkonservative und EU-kritische Politik, wobei die Betonung der Souveränität der Nationalstaaten für die Fraktion von besonders hoher Bedeutung ist. So lehnt die EKR jegliche Bestrebungen hinsichtlich einer tieferen europäischen Integration konsequent ab. Im Gegensatz zu den anderen beiden Rechtsaußen-Fraktionen, ist die EKR der EU gegenüber nicht feindlich eingestellt und zielt auch nicht auf eine mögliche Abschaffung der EU ab, sondern plädiert für eine Reform der EU in Bezug auf die Kompetenzen der EU-Institutionen. Diese sollen, den Vorstellungen der EKR nach, dezentralisiert werden, wodurch die nationalen Interessen der Mitgliedsstaaten einen stärkeren Einfluss auf die Entwicklung der EU hätten. Ein grundlegender Unterschied zu den anderen Rechtsaußen-Fraktionen liegt in der außenpolitischen Ausrichtung der EKR, allen voran in der Positionierung zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. Als einzige Fraktion des rechten Spektrums verfolgt die EKR eine anti-russische Politik und erklärt öffentlich ihre Unterstützung und Solidarität mit der Ukraine. Insbesondere die polnische PiS lehnt eine Annäherung an Russland entschieden ab. Alles in allem tritt die EKR im Vergleich mit anderen Fraktionen (PfE und ESN) noch recht gemäßigt auf und hat aufgrund von Interessensüberschneidungen mit der Europäischen Volkspartei (EVP) in einigen Themenbereichen eine durchaus realistische Machtoption. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aus der EVP schloss deshalb eine Zusammenarbeit mit der EKR nicht aus und auch andere Abgeordnete der EVP sehen die EKR als möglichen Partner, beispielsweise in der Migrationspoltik. Von allen drei Rechtsaußen-Fraktion hat die EKR somit den größten Einfluss auf die EU-Politik.

Patriots for Europe (PfE):

Die Fraktion Patriots for Europe (PfE) ist in gewissermaßen als Nachfolger der ehemaligen ID-Fraktion zu sehen, da sich nahezu alle Parteien der PfE anschlossen. Mit insgesamt 85 Abgeordneten stellen die PfE hinter den Christdemokraten (EVP) und Sozialdemokraten (S&D) die drittgrößte Fraktion im Europäischen Parlament. Knapp ein Drittel der Abgeordneten der PfE (31, 7%) gehört dem französischen Rassemblement National (RN) an. Die rechtspopulistische Partei unter dem Vorsitz von Marine Le Pen wurde mit einem Ergebnis von 31,37% der Stimmen zur mit Abstand stärksten Kraft in Frankreich gewählt. Dazu nimmt die ungarische Fidesz, die Partei von Regierungschef und PfE-Mitgründer Viktor Orbán, eine starke Position innerhalb der Fraktion ein. Die Patriots for Europe stehen für eine klar nationalistische, rechtspopulistische bis rechtsextreme und EU-feindliche Politik. In ihrem Manifest zeichnet die Fraktion ein deutliches Bild: Auf der einen Seite stehen die Befürworter einer tiefgreifenden EU-Integration, die einen „europäischen Superstaat“ anstreben, auf der anderen die Patrioten und Souveränisten, die ein aus ihrer Sicht zukunftsfähiges „Europa der Nationen“ bewahren und stärken wollen. Damit nutzt die Fraktion die für rechtspopulistische Parteien typische Strategie der Polarisierung bzw. Abgrenzung vom etablierten System, um Wähler-/innen zu mobilisieren. Ein zentrales Anliegen der PfE ist der Kampf gegen illegale Migration. Die Fraktion setzt sich wie auch die beiden anderen Rechtsaußen-Fraktionen für eine restriktive Migrationspolitik ein und fordert uneingeschränkte Grenzkontrollen. Zudem lehnen die PfE die Maßnahmen der EU zum Klimaschutz wie den „Green Deal“ ausnahmslos ab und leugnen die Existenz des Klimawandels. Im laufenden Krieg gegen die Ukraine nehmen die PfE eine russlandfreundliche Position ein und kritisieren sowohl die Sanktionen gegen Russland als auch die Bereitschaft zur (militärischen) Unterstützung der Ukraine seitens der EU. Mit dieser Haltung unterscheiden sich die PfE von der EKR, die einen russlandkritischen Kurs verfolgt. Trotz ihrer Größe nehmen die Patriots for Europe keine bedeutende Rolle in EU-Abstimmungen ein, weil die pro-europäischen Fraktionen (EVP, S&D, Renew, Grüne) eine Zusammenarbeit mit ihr nahezu komplett ausschließen. Somit fällt es den PfE schwer, eigene Mehrheiten zu organisieren, weshalb sie zumeist in der Opposition verbleibt.

Europa der Souveränen Nationen (ESN):

Mit insgesamt 26 Abgeordneten aus acht EU-Staaten ist die ESN die kleinste aller im Europäischen Parlament vertretenden Fraktionen. Die AfD, die die Gründung der Fraktion aufgrund ihres Ausschlusses aus der ehemaligen ID-Fraktion maßgeblich vorantrieb, stellt 15 Mitglieder und ist damit die bedeutendste Partei innerhalb der Fraktion. Inhaltlich verfolgt die als EU-feindliche, rechtspopulistische und teilweise auch rechtsextreme ausgerichtete Fraktion ähnliche Ziele wie die Patriots of Europe (PfE). Während sich die EKR und ein kleiner Teil der PfE als einigermaßen gemäßigt positioniert, um potenzielle Machtoptionen aufrecht zu erhalten, vertritt die ESN zum Teil noch radikalere Positionen wie beispielsweise in der Migrationspolitik und der Geschlechterpolitik. Zusätzlich gilt die Fraktion als russlandfreundlich, da den in der ESN vertretenden Parteien Verbindungen nach Russland nachgesagt werden, was nicht zuletzt durch den Skandal um Krah und Bystron offengelegt wurde. Nicht nur aufgrund ihrer Größe kann die Fraktion kaum Einfluss auf EU-Entscheidungen nehmen. Aufgrund des Ausschlusses der AfD aus der ID-Fraktion im Vorfeld der jüngsten Europawahl, ist das Verhältnis anderer rechter Parteien zur AfD nach wie vor belastet, weshalb sowohl die EKR als auch die PfE eine Zusammenarbeit mit der ESN ausschließen. Somit befindet sich die Fraktion im EU-Parlament in einer Art politischer Isolation und verfügt über keine reellen Machtoptionen.

Fazit:

Der Vergleich der drei Rechtsaußen-Fraktionen im Europäischen zeigt, dass es grundlegende inhaltliche Differenzen zwischen den Fraktionen EKR, PfE und ESN gibt, welche eine vereinte rechte Fraktion im Europäischen Parlament verhindern. So treten die Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) deutlich gemäßigter auf als die PfE und ESN und sind als einzige dieser Fraktionen kein grundsätzlicher Gegner der EU, wenngleich tiefergehende Formen der Europäischen Integration abgelehnt werden. Dazu positioniert sich die EKR als klarer Unterstützer der Ukraine und Kritiker Russlands, womit sie auf einer Linie mit den Fraktionen der politischen Mitte im EU-Parlament ist und sich deutlich von den anderen zwei Rechtsaußen-Fraktionen abgrenzt. Dagegen vertreten sowohl die Patriots for Europe (PfE) als auch die Fraktion Europa der Soveränen Nationen radikalere Positionen, bis hin zu einem Austritt einzelner Staaten aus der EU. Beide Fraktionen sehen die Souveränität der Nationalstaaten durch die supranationalen EU-Institutionen gefährdet und fordern eine restriktive Migrationspolitik der EU, samt dauerhaften Grenzkontrollen. Zudem lehnen sie jegliche Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels ab und vertreten im gegenwärtigen Krieg gegen die Ukraine pro-russische Positionen. Ausschlaggebend für die Konstitution zweier rechtspopulistischer bis rechtsextremer Fraktionen war die Distanzierung einiger rechter Parteien von der AfD im Vorfeld der Europawahl 2024, wodurch der AfD die Berechtigung für den Beitritt zu den Patriots for Europe (PfE) entzogen wurde. Stattdessen gründete die AfD mit der ESN eine eigene Fraktion, die jedoch auch wegen ihrer Größe für politische Entscheidungen im EU-Parlament unbedeutend ist.

Quellen: