Heutzutage werden Hunde vor allem angeschafft, um als emotionaler Kumpel zu dienen. Das sah früher noch ganz anders aus. Hunde wurden gezüchtet, um für uns bestimmte Aufgaben zu übernehmen. Sie waren Unterstützer bei der Jagd oder Beschützer der Herde. Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert änderte sich das jedoch. Die Menschen zogen in die Städte und brauchten niemanden mehr, der auf ihr Gelände aufpasst. Die Produktion von Fleisch wurde verbessert und so verloren auch Jagdhunde einen Teil ihrer Bedeutung. Es gab einen Wandel von Nutztieren zu Heimtieren. Mittlerweile ist der Hauptanlass der Anschaffung eines Hundes der Wunsch nach einem sozialen Partner. Das hat auch dazu geführt, dass sich die Hundezüchtung verändert hat. Wo früher noch Gebrauchsmerkmale im Mittelpunkt standen, werden heute optische Standards priorisiert. Oft passiert die Züchtung dieser optischen Merkmale mit hohem Niedlichkeitsfaktor jedoch auf Kosten der Gesundheit der Tiere. Was auf Social Media noch aussieht, als würde ein süßer Hund im Sitzen immer wieder einschlafen, ist eigentlich ein Hund der unter großen Schmerzen leidet und deshalb seinen Kopf nicht ablegen kann.
Was genau hat es mit der sogenannten Qualzucht auf sich?
„Qualzucht bezeichnet die gezielte Zucht von Tieren mit bestimmten Merkmalen, die gesundheitliche Einschränkungen und Leid zur Folge für die betroffenen Hunde haben. Die Auswirkungen von Qualzucht können sich in verschiedenen körperlichen und organischen Problemen äußern, die durch Zucht auf ein bestimmtes Aussehen der Hunde bedingt wurden.“ Die Ausprägungen der Merkmale können individuell sehr unterschiedlich sein. Das bedeutet, dass nicht automatisch jedes Tier daran erkranken wird.
Beispiele für Qualzuchtmerkmale sind zum Beispiel die Chondrodysplasie, auch Zwergenwuchs genannt. Es handelt sich dabei um eine Störung der Knorpel- und Knochenentwicklung. Oft geht dies mit frühen Fehlbildungen und Verkalkungen der Wirbelsäule einher. Weiterhin kann es schnell zu Bandscheibenvorfällen kommen. Auch Schwanzverkrüppelungen, sogenannte Brachyurien und Anurien, sind Qualzuchtmerkmale. Diese führen zu einer Beeinträchtigung des Rückenmarks, was zu Störungen der Bewegungsfähigkeit der Hinterbeine oder aber auch zu Lähmungen führen kann.
Das wohl mit bekannteste Qualzuchtmerkmal ist die Kurzköpfigkeit, die Brachycephalie, bei der die Atemluftströme blockiert sind. Bei der Brachycephalie hat der Hund kurze Fänge in Relation zum Oberkopf. Der Kopf wirkt breit und rund. Es gibt eine Disproportion zwischen Hirnschädel und Gesichtsschädel. Grund dafür ist eine Wachstumshemmung in der Region. Auch Veränderungen am Kiefer sowie Zahnfehlstellungen können vorkommen. Betroffen sind vor allem kleine Hunderassen, wie der King Charles Spaniel, der Mops, die Bulldogge oder der Affenpinscher. Probleme, die durch eine Brachycephalie auftreten können, sind zum Beispiel die Unterentwicklung der Kaumuskulatur aber auch Atemwegsverengungen und Schluckbeschwerden. Des Weiteren sind Atemgeräusche durch eine Einschränkung der Luftwege hörbar. Symptome, die bei den betroffenen Hunden auftreten können, sind zahlreich. So haben sie eine erhöhte Neigung zu Schwergeburten durch den zu großen Kopf. Weiterhin können sie durch die Kieferstellung nicht die Neugeborenen von der Eihaut befreien und abnabeln. Zudem ist bei betroffenen Hunden Angstverhalten sehr typisch.

Oft genanntes Beispiel für Qualzuchten ist die französische Bulldogge. Viele der im Rassestandard aufgelisteten Merkmale sind fragwürdig und tierschutzrelevant. Bei der französischen Bulldogge sind viele Gesundheitsstörungen bekannt, so zum Beispiel das Robinow-like-Syndrom. Die französische Bulldogge hat verkürzte Gliedmaßen und Missbildungen des Schädels. Aufgrund dessen funktionieren viele Körperfunktionen nur eingeschränkt. Dazu gehören zum Beispiel die Atmung, Fortpflanzung und Thermoregulation. Die Hunde leiden oft unter starken Schmerzen und einer eingeschränkten Kommunikationsfähigkeit unter Artgenossen.
Wie sieht es auf der rechtlichen Ebene aus?
Doch wieso ist so etwas überhaupt erlaubt? Genaugenommen ist es das auch nicht. Qualzucht ist in Deutschland verboten. – “Gemäß §11b Tierschutzgesetz ist es verboten, Wirbeltiere durch Zucht so zu verändern, dass ihnen Schmerzen, Leiden, Schäden oder vermeidbare Ängste zugefügt werden. Das bedeutet, dass die Zucht von Hunderassen, die aufgrund gezielter Auslese mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Qualen rechnen müssen, untersagt ist.“
Erstmal eine schöne Nachricht. Aber wie kann es dann sein, dass es trotzdem noch so viele Qualzuchten gibt? Das liegt daran, dass die Umsetzung dieses Gesetzes sehr schwierig ist. Es werden viele Kapazitäten des Veterinäramts benötigt, um so etwas durchzusetzen. Es wird nämlich momentan nicht eine Rasse als ganzes betrachtet, sondern immer das Tier individuell. So ist die Umsetzung des Gesetzes bisher eher kläglich. Die Überzüchtung der Hunde nimmt nämlich weiterhin zu. Viele der Welpen stammen aus Privathaushalten oder von Vermehrern aus dem Ausland. Es gilt natürlich: hohe Nachfrage ergibt hohes Angebot. So lange es keinen Wandel im Denken bei den Käufer*innen gibt, wird es auch keinen Rückgang der Qualzuchten geben.
Wie steht eigentlich die Europäische Union zu Qualzuchten?
Im Juni 2024 wurde eine Gesetzesvorlage herausgegeben, die besagt, dass man sich gegen die Qualzucht von Hunden und Katzen ausspricht und man so das Leid der Tiere senken will. Hier ein paar kurze Auszüge:
- „The proposal aims to improve the welfare of cats and dogs that are kept by breeders, selling establishments, and shelters, while also improving consumer protection, ensuring fair competition and fighting illegal trade.“
- „cats and dogs with extreme traits should be excluded from breeding, to prevent passing these traits on to future generations if there is a high risk of detrimental effects on their welfare or on the welfare of their offspring“
- „cats and dogs with extreme conformational traits or mutilations will be excluded from taking part in competitions, shows or exhibitions“
Auf das Thema der Qualzuchten wird in dieser Gesetzesvorlage aber eigentlich nur wenig eingegangen. Vor allem will die EU mit dieser Gesetzesvorlage den illegalen Handel mit Haustieren eindämmen. Dazu soll jedes Tier einen Mikrochip bekommen und in einer europaweit zugänglichen Datenbank erfasst werden. Weiterhin sollen die Standards für die Haltung von Katzen und Hunden vereinheitlicht werden. Dazu gehört ein Mindestplatzangebot und einen geregelten Zugang zu Tageslicht. Eigentlich bezieht sich dieses Gesetz aber nicht auf die individuellen Tierbesitzer*innen (abgesehen von dem Mikrochip). Es geht dabei um Anforderungen an Züchter*innen, Verkäuferstellen und Tierheime.
In den sogenannten „welfare principles“ des Vorschlags sind unterschiedliche Dinge festgehalten. So soll es eine strengere Regulierung der Zucht geben mit einer Festlegung von Häufigkeit sowie Mindest- und Höchstalter der Tiere. Zudem sollen auch schmerzhafte Verstümmelungen, dazu gehören zum Beispiel das Kupieren der Ohren oder des Schwanzes, verboten werden (Mit Ausnahme der Entfernung durch medizinische Indikationen). Leider wird jedoch nicht genau definiert, was genau alles zu den „extreme traits“ gezählt wird. Weiterhin heißt es, dass für ausreichend Wasser und Nahrung und angemessene Wohnbedingungen gesorgt werden muss. Hunde müssen täglich Zugang zu einem Außenbereich haben oder täglich Gassi geführt werden. Diese Vorschläge sollen nur Mindeststandards darstellen, die Mitgliedstaaten dürfen auch striktere Regeln durchsetzen. Bei diesem Entwurf handelt es sich auch nur um die Verhandlungsposition des Rates. Bis zu einem endgültigen Beschluss ist es also noch ein weiter Weg.
All das hört sich erstmal nach einem Schritt in die richtige Richtung an. Jedoch auch nur nach einem sehr kleinen. Die Angaben sind ungenau und unzureichend. Es ist wie ein kleines Pflaster auf einer riesigen Wunde. Weiterhin stelle ich mir hier auch wieder die Frage: Wie soll das umgesetzt werden? Dieser Gesetzesentwurf wird meiner Meinung nach nicht das Problem der Qualzuchten eindämmen. Ein Weg, den ich als richtig empfinden würde, der aber gesellschaftlich sehr kontrovers diskutiert wird, ist, ein generelles Verbot für die Züchtung, den Handel oder den Import von bestimmten Rassen durchzusetzen.
Am wichtigsten ist es jedoch, dass ein Umdenken unter angehenden Tierbesitzer*innen stattfindet. Es muss mehr Aufklärungsarbeit geben, um Menschen davon abzuhalten, sich Qualzuchten zuzulegen. Wenn die Nachfrage sinkt, sinkt auch das Angebot. Nach wie vor ist es das Idealbild der Menschen, dass den Zuchtstandard bestimmt. Wir müssen es schaffen, dass diese Rassestandards keine Ansprüche mehr enthalten, die Defekte begünstigen.
Falls ihr Lust habt euch noch weiter zu informieren, hier ein paar Materialien des Aufklärungsprojekt der Stabsstelle der Landestierschutzbeauftragten Baden-Württemberg:
Video: Frei Schnauze! Qualzuchten ehrlich erklärt
Flyer: Erkenne Qualzucht!
Quellen:
Qualzucht bei Hunden: Qualzuchtmerkmale und von Überzüchtung betroffene Hunderassen (Veto)
Tierschutz: Wie die EU-Staaten gegen Qualzucht bei Hunden und Katzen kämpfen (upday)
EU will Qualzucht von Hunden und Katzen verbieten (Deutschlandfunk Nova)
Welfare of cats and dogs: Council paves the way for first ever EU-wide law (European Council)