Am 15. Oktober 2023 fanden die international viel beachteten Parlamentswahlen in Polen statt. Die umstrittene bisherige Regierung unter Führung der PiS-Partei verlor dabei ihre Mehrheit – ein Sieg für die Opposition. Im Sommer dieses Jahres, aber auch schon zuvor, war es in polnischen Großstädten zu Massenprotesten gegen den Regierungskurs gekommen. Vor dem Hintergrund des Machtwechsels in Polen ist auch ein Blick auf die im Jahr 2024 anstehenden Europawahlen von Interesse.

 

Es zeigte sich bei den Wahlen in Polen eine außergewöhnlich hohe Wahlbeteiligung. Bei zuvor abgehaltenen Großprotesten gegen ein neues Abtreibungsgesetz der Regierung, die sich in dieser Hinsicht repressiv zeigte, beteiligten sich enorm viele junge Menschen. In diesem Kontext gelang es folglich bereits in größerem Umfang zu mobilisieren. Ein Song eines jungen polnischen Rappers, dessen Text eine wütende Abrechnung mit der Regierung ist, entwickelte sich zur Hymne dieser Protestbewegung (Hörempfehlung: „Osiem Gwiazd (Wojna)“ von Karol Krupiak). Eine große Rolle spielte zudem der Vorwurf der Queerfeindlichkeit. Ab Frühjahr 2019 titulierten zahlreiche Vertreter*innen polnische Gemeinden, Landkreise und Woiwodschaften als sogenannte „LGBT-freie Zonen“. Diese Geschehnisse, die sich besonders ausgeprägt im Südosten des Landes abspielten, wurden teils auch durch entsprechende Schilder an Ortseingängen ergänzt. Ungeachtet der tatsächlich stattfindenden Entwicklung Polens zu einem Einwanderungsland, führte die Regierungspartei groß angelegte Kampagnen gegen Zuwanderung, den Islam und die europaweite Verteilung von Migrant*innen durch.

Zudem hatte sie durch Justizreformen die politische Unabhängigkeit von Richter*innen angestastet, laut Meinung vieler hierdurch gar den Rechtsstaat demontiert. Eine gewichtige Rolle kam auch den öffentlichen Fernsehkanälen in Polen zu, die seit Regierungsübernahme der PiS auch inhaltlich, thematisch an Unabhängigkeit und kritischer Einordnung der politischen Verhältnisse einbüßten.

 

Langsam aber sicher bewegen wir uns auf den Wahlkampf für die Wahlen zum Europäischen Parlament Anfang Juni 2024 zu – ein mit Spannung erwartetes Ereignis mit möglicherweise maßgeblichen Richtungsweisungen für die Institutionen der Europäischen Union und somit der Zukunft Europas. Folglich sollten wir die Entwicklungen auch unter den folgenden Aspekten im Blick behalten:

Im Europäischen Parlament ist die rechte und EU-kritische Fraktion „Europäische Konservative und Reformer“ um einen Zugewinn von Einflussmöglichkeiten bemüht. Und ihre stärkste Triebkraft stellen momentan die Abgeordneten der ehemaligen polnischen Regierungspartei PiS dar. Es stellt sich die Frage, was das für die EU insgesamt bedeuten könnte. Anzunehmen sind möglicherweise weniger Blockaden durch Polen, Rechtsstreitigkeiten und eine vorübergehende Schwächung der rechten Fraktion. Auch daher sind die politischen wie gesellschaftlichen Entwicklungen in Polen derzeit so spannend zu beobachten wie schon lange nicht mehr aus europäischer Sicht. Die politischen Veränderungen in Polen haben das Potenzial auch im Europaparlament Kräfteverhältnisse zu verschieben…

 

Anreize zu weiterem Einlesen in die Thematik geben die folgenden Artikel:

https://www.deutschlandfunk.de/afd-rechtsextremisten-rechtspopulisten-europa-parlament-wahl-102.html

https://www.bpb.de/themen/europa/polen-analysen/327172/analyse-der-polnische-fernseh-und-radiomarkt/