Wenn man drei Stunden in einem Zug sitzt, weil es auf der Hauptstrecke in Bremen erhebliche Störungen gibt und die Züge weder ein- noch ausfahren können, fragt man sich, warum es die Verspätungen eigentlich gibt. Diese Frage beschäftigt mich schon seit langem. Ich fahre fast jeden Tag von Außerhalb nach Bremen an die Universität. Es ist eine einstündige Zugfahrt mit einem Umsteigen. Sehr oft haben Züge Verspätung oder fallen ganz aus, unabhängig vom Wetter, von Feiertagen oder anderen unvorhersehbaren Umständen. Dadurch verlängert sich meine Reisezeit natürlich auf 2 oder mehr Stunden. 

Jeden Monat veröffentlicht die Deutsche Bahn auf ihrer Website die Pünktlichkeit der Züge. Im vergangenen Jahr erreichte diese Zahl einen Rekordwert: 2022 waren so viele Züge verspätet, wie seit 10 Jahren nicht mehr.

„Verspätung eines vorausfahrenden Zuges“, „Verspätung des Zugpersonals“, „Verspätung wegen Stromstörungen“, „Verspätung wegen Bauarbeiten“ – all das sind einige der Aussagen, die man im Zug oder auf dem Gleis hören kann. Manchmal kommt es zu den Ausfällen, wenn die Störungen nicht behoben werden können. Die Zahl der Menschen, die auf den Zug warten, verdoppelt sich. Einige sind genervt, einige sind daran gewöhnt. Jemand sucht einen anderen Weg zum Zielpunkt zu kommen, während jemand hat keine andere Wahl hat als zu warten, bis ein anderer Zug kommt. Viele müssen ihre Fahrtrichtungen ändern, da wegen der Verspätung der Züge auch alle weiteren Anschlusszüge verpasst werden. Eine ließt ein Buch. Einer holt sich einen Kaffee und ein Brötchen vom Bäcker. Alle warten. 

Deutsche Bahn – das ist 40.000 Züge pro Tag.

Außerdem sind das 33400 km des langen Schienennetzes, auf dem täglich 40 Tausend Züge verkehren, darunter 24.000 Personenzüge, die mehr als sieben Millionen Menschen pro Tag befördern. Das deutsche Schienennetz ist nach dem Belgischen das zweitdichteste der Welt.

Der Hauptunterschied zwischen der deutschen Fernverkehrszügen und solchen, die wirklich lange Strecken zurücklegen, wie zum Beispiel in der Ukraine, besteht darin, dass solche Züge in Deutschland häufig von den sogenannten Pendler*Innen, so wie auch ich, genutzt werden. Das sind die Menschen, die in einer Stadt wohnen und jeden Tag mit dem Zug zur Arbeit oder zur Universität fahren. Beispielsweise benötige ich 1 Stunde, um nach Bremen zu kommen und noch 20 Minuten zur Uni, insgesamt 1,5 Stunden. Im ersten Jahr schien es mir nicht viel zu sein, da ich mich auf dem Weg beschäftigen konnte: nämlich ein Buch lesen, die spanisch Hasaufgaben für die nächste Woche machen oder einfach einen Podcast hören. 

Jedoch, um zur Arbeit oder zur Uni zu kommen, müssen viele Pendler*Innen einmal oder mehrmals umsteigen. Entweder von einem IC in einen anderen oder von ICE in einen Regio. Der Fahrplan der Deutschen Bahn ist so gestaltet, dass das Umsteigen nicht viel Zeit nimmt, meistens reicht es aus, auf die gegenüberliegende Seite des Bahnsteigs zu gehen, wo in wenigen Minuten ein Anschlusszug kommt oder schon wartet. Daher sind die Verspätungen, die sich die Deutsche Bahn zuschulden kommen lässt, für die Pendler, die keine Zeit zum Umsteigen haben, das schlimmste „Geschenk“. Denn meistens müssen sie dann noch 1 Stunde auf den anderen Zug warten.

Die Eisenbahn im „Altersrente“

Im vergangenen Jahr hat die Deutsche Bahn einen historischen Tiefstand bei der Pünktlichkeit erreicht. Nur 65,2 Prozent der Züge erreichten ihr Ziel pünktlich. Das war schlechter als 2010, als Deutschland im Winter ein Schneechaos erlebte und die meisten Züge einfach nicht fuhren oder zu spät kamen. Im Jahr 2021 waren nur noch 75,2 Prozent aller Züge pünktlich. Im Jahr 2020 waren es sogar mehr als 80 Prozent.

Einer der Gründe für die Verspätungen ist die Verschlechterung der Gleisanlagen und des Schienenfahrzeuge. Nach Angaben des Chefs der Deutschen Bahn, Richard Lutz, ist die Hälfte der Zugverspätungen auf Pannen und technische Störungen unterwegs zurückzuführen, weil die Bahninfrastruktur im „Rentenalter“ ist. Und seit 30, 40 Jahren wurde so gut wie nichts getan, um den Zustand der Bahnen und Züge zu stärken und zu verbessern. Bei der Deutschen Bahn gibt es nur sehr wenige Reservezüge, deshalb müssen Reparaturen schnell und zügig durchgeführt werden. Im Durchschnitt weist jeder Zug 20 Mängel auf, zu denen jedoch kaputte Toiletten und die durchgebrannten Glühbirne gehören.

Ein weiterer Grund für die Verspätungen der Züge sind Störungen an den Gleisen selbst und verschlissene Weichen. Aus diesem Grund müssen die Lokführer in solchen Bereichen manchmal langsamer fahren oder einen Umweg finden. Außerdem ist die Bahn meist eingleisig, so dass bei einer Panne eines Zuges eine lange Reihe verspäteter Züge folgt.

Was gilt aber als verspätet? Auf der DB-Website gibt es zwei Indikatoren: 5 und 15 Minuten Verspätung. Im Laufe der Zeit hat die DB ein System entwickelt, bei dem ein Fahrgast, der 15 Minuten zu spät am Endbahnhof ankommt, als pünktlich angekommen gilt. Ab Januar 2023 wird auf der Website der Deutschen Bahn die Pünktlichkeit der Züge bereits in Prozent angegeben. Demnach kamen 87,9 Prozent der ICE- und 98,7 Prozent der Regio-Züge pünktlich an ihrem Ziel an.

Eine mögliche Lösung des Problems ist meiner Meinung nach und ich vermute auch der Meinung vieler DB Fahrgäste, die Erweiterung des Schienenverkehrs zwischen den jeweiligen Städten. Da meistens der Zug der einzige Weg zum Ziel ist, wäre der Ausbau des Schienennetzes zum Vorteil aller. Aber laut dem Verkehrsministerium ist ab 2024 die Generalsanierung der wichtigen Strecken geplant. Das bedeutet noch mehr Baustellen und, dass die wichtigen Strecken für die Arbeiten monatelang gesperrt werden. Diese sollten dann, sofern alles gut läuft, jahrelang baustellenfrei sein.