Als Münchnerin spazierte ich vor meinem Umzug nach Bremen immer wieder gerne durch den Olympiapark, mitten im Herzen Münchens. Mit seiner riesigen Grünfläche, einem Berg, auf dem sich fast über die ganze Stadt blicken lässt und einem noch höheren Turm, welcher auf seiner Spitze ein sich drehendes Restaurant beherbergt, ist er vermutlich unter allen Münchnerinnen und Münchnern beliebt. Nicht weit davon entfernt jedoch befindet sich ein besonderes Studentenwohnheim. Es ist das Wohnheim im Studentenviertel Oberwiesenfeld, aufgrund seiner Lage im Olympiapark auch als „Olydorf“ bekannt. Diese Bungalow-Landschaft fällt vor allem durch seine bunt bemalten Wände auf.
Ich persönlich bin immer sehr gerne durch die schmalen Gassen zwischen den kleinen Häusern geschlendert und habe mir die von den Student*innen selbst bemalten Wände angeschaut. Auf ihnen zu finden ist alles Mögliche, von Disney-Charakteren über Nachahmungen von bekannten Kunstwerken, wie Van Goghs „Sternennacht“, bis hin zu einigen „Statement-Pieces“, wie Pride-Flaggen.
Diese Bemalungen und noch viele mehr sind auf den Wänden der kleinen Häuser zu finden.
Doch welche Geschichte birgt dieses Studentenwohnheim und welches einschlägige Ereignis fand im Baujahr der Bungalow-Landschaft statt und macht es zu einem immer noch sehr präsenten Erinnerungsort?
Ursprünglich wurde das sogenannte Olympiadorf für die olympischen Spiele 1972 in München erbaut, welche vom 26. August bis zum 11. September stattfanden. Mit 121 teilnehmenden Mannschaften stellten die Spiele zu diesem Zeitpunkt einen neuen Teilnehmerrekord auf.
Das Olympische Dorf wurde für die männlichen Teilnehmer errichtet und das Studentenwohnheim nebenan für die Frauen des Organisationskomitees der olympischen Spiele.
Überschattet wurde dieses Ereignis allerdings durch das Olympia-Attentat vom 5. September 1972, bei dem 11 israelische Athleten als Geiseln genommen wurden.
Organisiert wurde dieser Anschlag von der palästinensischen Terrororganisation „Schwarzer September“.
So überfielen am Morgen des 5. Septembers acht bewaffnete Terroristen ein Wohnquartier des israelischen Teams im olympischen Dorf und forderten mit ihrer Geiselnahme die Freilassung von 232 Palästinensern aus israelischer, sowie zweier RAF-Mitglieder aus deutscher Haft.
Die israelische Regierung lehnte jedoch alle an sie gestellten Forderungen ab und auch Versuche deutscher Politiker, sich als Austauschgeiseln anzubieten, wiesen die Palästinenser zurück.
Daraufhin unternahm die bayerische Polizei in der Nacht vom 5. auf den 6. September einen schlecht geplanten und durchgeführten Befreiungsversuch, bei dem schlussendlich alle Geiseln ums Leben kamen.
Überlebt haben drei der Terroristen, welche festgenommen, jedoch schon wenige Wochen nach ihrer Tat mit einer Flugzeugentführung freigepresst wurden.
Daraufhin folgte nun? – Leider nicht viel. Denn das Olympia-Attentat war nie Gegenstand eines ordentlichen Gerichtsverfahrens. Das Einzige, was passierte, war die Aufstellung der deutschen Antiterrorgruppe „Spezialeinheit Bundesgrenzschutzgruppe 9“ (kurz: GSG 9) und Aufrüstungen der Länderpolizeien mit Spezialeinsatzkommandos (SEK).
Immerhin wurde den Angehörigen der Opfer ein Schmerzensgeld in Höhe von rund 30 Millionen Euro gezahlt- allerdings erst nach rund 30 Jahren. Ob dies jedoch die nicht vorhandenen Strafen für die Täter wieder gut machen kann, bleibt zu bezweifeln.
Auch wird öffentlich an dieses schreckliche Vergehen gedacht. Unter anderem in Form des „Denkmals für die Opfer des Olympiaattentats 1972“, des deutschen Bildhauers Fritz Koenig, welches am 27. September 1995 in der Mitte des Olympiaparks aufgestellt wurde. Es trägt den Titel „Klagebalken“ und beinhaltet in hebräischen Buchstaben die Namen derer elf israelischen Männer, die als Geisel festgenommen wurden und schließlich ums Leben gekommen sind.
Zudem errichtete der Freistaat Bayern mit Unterstützung der Landeshauptstadt München einen digitalen Multimediapavillon zu den Lebensläufen der Opfer und zum Ablauf der Tat. Seit dem 6. September 2017 kann dieser Erinnerungsort „Olympia-Attentat“ von jedem besucht werden. Er befindet sich in der nähe des Haupt-Tatortes und informiert medial mit ablaufenden Bildern und dreisprachig über die Geschehnisse. Ich persönlich kann nur empfehlen bei Möglichkeit, hier einmal vorbeizuschauen, da es ein sehr eindrucksvoller und aufschlussreicher Ort ist.
Um schlussendlich zum olympischen Dorf und zum Studentenwohnheim zurückzukommen, finde ich, sind die bemalten Wände tatsächlich auch ein schöner Weg, mit einem so zutiefst belasteten Ort umzugehen. Die Bungalows weiterhin als Studentenwohnheime zu verwenden, zeigt in gewisser Weise auch, dass man sich von schrecklichen Taten wie diesen nicht unterkriegen lässt, sondern neben all der Grausamkeit sogar noch einen Funken Schönheit daraus machen kann.