Der von Herrn Wonka und Herrn Thierse, beide vom Institut für Europastudien an der Universität Bremen, veranstaltete Bürgerdialog im Rahmen der Europawoche und anlässlich der „Konferenz zur Zukunft Europas“ fand am 06.05. per Zoom statt. Der Dialog sollte dabei ein Diskussionsforum für Themen rund um die Zukunft der EU für alle Interessierten darstellen.
Die Konferenz zur Zukunft Europas soll einen transnationalen Dialog zwischen Bürger*innen der EU zu verschiedenen Themen fördern und die Möglichkeit bieten Vorschläge für die zukünftige Ausrichtung der EU zu formulieren. Alle Bürger*innen können an den online stattfindenden Veranstaltungen teilnehmen und diese auch selber organisieren.
Zum Einstieg in die Veranstaltung wurde unter den Teilnehmer*innen eine Umfrage veranstaltet, in der sie beurteilen sollten, ob sie sich besser über nationale Politik oder EU-Politik informiert fühlen. Darauf folgten zwei Anfangsimpulse von Herrn Wonka und Herrn Thierse um diese Veranstaltung und auch die „Konferenz zur Zukunft Europas“ der EU zu kontextualisieren.
Die Teilnehmer*innen fühlten sich mehrheitlich besser über nationale Politik informiert, diesen Eindruck hat Herr Wonka in seinem Anfangsimpuls, durch die Herausstellung der fehlenden öffentlichen Auseinandersetzung mit der EU bestätigt. Vor allem vor den Krisen der letzten beiden Jahrzehnte habe eine kontroverse Auseinandersetzung über die EU gefehlt, die Konferenz sei eine Reaktion auf diese Entwicklung.
In seinem Impuls erläuterte Stefan Thierse die Initiierung, den Aufbau und die Ziele der „Konferenz zur Zukunft Europas“ näher. Diese können in einem von ihm bereits verfassten Beitrag auf diesem Blog noch einmal genauer nachgelesen werden. Dabei kristallisierte sich bereits heraus, dass eines der Hauptprobleme der Konferenz, der unkonkrete und unverbindliche Rahmen, der die Umsetzung der Vorschläge festlegt, ist.
Im Anschluss an diese Anfangsimpulse und die ersten Fragen bezüglich möglicher Einflussnahme von Lobby-Gruppen, der digitalen Durchführung und damit einhergehender möglicher Benachteiligung einer Bevölkerungsteile und der Sicherstellung einer „fairen“ Repräsentation bei den Panels für die Bürger*innen, wurde die Diskussion mit einer weiteren Umfrage eingeleitet.
Diesmal sollten die Teilnehmer*innen darüber abstimmen, welche Themen bei der Konferenz im Vordergrund stehen sollten. Hierbei sprach sich eine Mehrheit für die Themen Klima, demokratische Qualität und Demokratie und Rechtstaatlichkeit aus. Die Nutzung dieses Online- Umfragetools ermöglichte es allen Teilnehmer*innen sich zu beteiligen und auch den konkreten inhaltlichen Verlauf mitzubestimmen. Das war meiner Meinung nach, besonders angesichts des auf anderthalb Stunden begrenzten Zeitrahmens, förderlich und bot für alle die Möglichkeit sich auch ohne Wortmeldungen einzubringen.
Zunächst wurde die aktuelle demokratische Rechtsstaatlichkeit und mögliche zukünftige Veränderungen diesbezüglich diskutiert. Dabei wurde von Teilnehmer*innen vorgeschlagen, dass der EuGH, anstelle des Europäischen Rates, in sogenannten Artikel 7 Verfahren zur letzten Entscheidungsinstanz werden könnte. Dem wurde entgegnet, dass der EuGH bereits beispielsweise Teile der Rechtsreform in Polen für widrig erklärt hat und dass die Übertragung dieser Entscheidungskompetenz an den EuGH einen enormen Eingriff in die Souveränitätsrechte der Mitgliedstaaten darstellen würde.
Daraufhin wurde das Potential der Konferenz dahingehend begutachtet, inwieweit potentielle Ergebnisse tatsächliche Veränderungen herbeiführen könnten, da anders als ursprünglich vorgesehen Vertragsveränderungen nicht zur Debatte stehen. Das ist aber auch vor allem auf die Notwendigkeit von einer Einstimmigkeit zur Durchsetzung dieser zurückzuführen. Im Zuge dessen wurde die Frage aufgeworfen, ob die EU nicht vielleicht eher ein Entscheidungsproblem, anstatt eines Ideenfindungsproblems habe. Denn es gibt bereits andere Einbringungsmöglichkeiten, wie die europäische Bürgerinitiative, die aber bis jetzt zu kaum konkreten Gesetzes Vorschlägen geführt hat.
Ebenfalls wurde das Online-Format kritisch betrachtet, da es Menschen ohne Internetzugang oder entsprechende Geräte ausschließt. Der Konsens der meisten Teilnehmer*innen und auch meine Meinung war, dass das Online-Format nicht nur in Pandemiezeiten eine große Chance darstellt, da es zum einen sehr kostengünstig und nur mit einem geringen Selbstaufwand verbunden ist. Zum anderen werden dadurch hoffentlich auch vor allem junge Menschen erreicht, die dadurch einen engeren Bezug zu der EU entwickeln können und auch ihre Ideen für eine zukünftige EU verstärkt einbringen können. Dabei denke ich muss aber auch immer, wie auch bei dieser Veranstaltung, beachtet werden, dass sich zumeist Menschen engagieren, die sowieso schon in einer intensiveren Auseinandersetzung mit der EU stehen und deswegen meist auch aus entsprechend privilegierten sozio-demographischen Zusammenhängen kommen.
Damit im Zusammenhang stehend wurde auch die Repräsentativität der Panels der Konferenz angesprochen. Für ein Panel wurde laut Bericht eines Teilnehmers ein Unternehmen damit beauftragt für Repräsentation proportional zu den Mitgliedstaaten zu sorgen, doch für alle anderen gebe es bislang keine solche Bestrebungen. Solche Ansätze könnten, wenn sie dann auch noch sozio-demographische Faktoren miteinbeziehen, zur Einbeziehung von Interessen führen, die normalerweise seltener gehört werden.
Im weiteren Verlauf wurde die Wichtigkeit direkt demokratischer Mittel angesichts niedriger Vertrauenswerte für Parteien betont. Gleichzeitig dürften die Erwartungen an die Konferenz auch nicht zu hochgeschraubt werden, um am Ende keine, der grundsätzlichen positiven Intention, gegenläufige Effekte zu haben. Am Ende der Diskussion konstatierten die Teilnehmer*innen, dass es für eine erfolgreiche Durchführung eine breitere Medienöffentlichkeit bräuchte, um dadurch eine breitere Öffentlichkeit zu schaffen und das die Konferenz trotz der noch bestehenden Probleme und Hürden eine gute Möglichkeit bietet eine Öffentlichkeit und einen Austausch zu schaffen.
Insgesamt hat die Veranstaltung einen guten Einblick in die Konferenz gegeben und war durch die Anfangsimpulse auch für Menschen zugänglich, die sich sonst weniger mit der EU beschäftigen. Durch die Diskussion sind die Kritikpunkte an der Konferenz, aber auch an der EU deutlich geworden, gleichzeitig wurden auch die Chancen einer solchen Konferenz aufgezeigt.
Ich denke es braucht zukünftig viel mehr solcher konstruktiv, kritischer Auseinandersetzungen mit der EU auch in einer breiteren Öffentlichkeit, um einen Diskurs über die zukünftige Gestaltung der EU zu fördern und die Zukunft der EU tatsächlich zu verändern.