Ende März 2018 setze ich mich in den Zug gen Süden und fuhr von Köln rüber nach Belgien. Die Forschungsgruppe „Behavioural Ecology and Eco-Physiology“ der Universität Antwerpen wollte ich in den kommenden Monaten bei der Feldarbeit in den Niederlanden unterstützen und in diesem Rahmen Daten für meine Masterarbeit aufnehmen.

Ankunft Antwerpen
Beeindruckt vom schönen historischen Bahnhofsgebäude Antwerpen Centraal und leicht überrascht von den schwer bewaffneten Soldaten, die im Bahnhof patrouillierten setzte ich mich in den Bus, der mich zum Campus bringen sollte. Die Fahrt dorthin führte entlang des Diamantenviertels (Antwerpen war ein wichtiger Handelsumschlagspunkt für Diamanten und auch heute noch sieht man viele Juweliergeschäfte) und man fährt durch das jüdische Viertel, in dem die Bewohner (überwiegend orthodoxe Juden) durch ihre traditionelle, dunkle Bekleidung auffallen.

Obwohl es im Bus (irritierenderweise) weder Haltestellendurchsagen noch Anzeigen gibt, habe ich es geschafft rechtzeitig die Stopptaste zu drücken und wurde an der Uni von meinem betreuenden Professor und meiner spanischen Mitbewohnerin, ebenfalls Praktikantin, in Empfang genommen. Zu zweit teilten wir uns eine Wohnung, die vom Biologie Department angemietet wird und Gästen ermöglicht flexibel für wenige Tage/Wochen/Monate zur Untermiete einzuziehen. Mit meiner Bleibe war ich sehr zufrieden, denn es ist alles andere als einfach eine bezahlbare Unterkunft in Antwerpen für einen kurzen Zeitraum zu finden. Ein weiterer Pluspunkt war die Wohnlage: Das Haus lag auf der gegenüberliegenden Straßenseite zum Institutsgebäude und zum nächsten Park war es auch nur ein Katzensprung entfernt.

Der Campus liegt zwar etwas ab vom Schuss, aber da ich mir von der Uni ein Fahrrad leihen konnte und so Supermärkte und Stadtzentrum schnell erreichen konnte, war das auch kein Problem. Von der Arbeitsgruppe wurde ich freundlich aufgenommen; So half mir die Sekretärin beim Papierkram, eine Kollegin bot sich gleich als Stadtführerin an und zeigte mir die sehenswerten Ecken von Antwerpen und mit den ausländischen DoktorandInnen unternahm ich am Wochenende den ein oder anderen Ausflug in die Region Flandern. Die Arbeitsgruppe bestand ungefähr zur Hälfte aus Belgiern und zur anderen Hälfte aus internationalen Mitarbeitern, was dazu führte, dass im Institut viel Englisch gesprochen wurde. Den ersten Monat verbrachte ich überwiegend im Büro mit Literaturrecherche, sowie dem Experimentdesign für mein Masterarbeitsprojekt und ich half bei den Vorbereitungen für die Feldsaison.

1) l: Bahnhof Antwerpen Centraal, r.o: Liebfrauenkathedrale Antwerpen, r.m: Burg Gravensteen in Gent, r.u: Marktplatz in Brügge

2) o: Ausflug zum Hallerboswald zur Blütezeit des Hasenglöckchens, u: Naturschutzgebiet Kalmthoutse Heide

Feldforschung in Zeeland
Im Mai ging es für mich und zwei Doktorandinnen nach Zeeland (Niederlande). Dort teilten wir uns bis Juli eine Ferienunterkunft, von wo aus wir jeden Morgen zu den Heringsmöwenkolonien im Industriehafen von Vlissingen fuhren. Seit einigen Jahren wird in diesen Kolonien ein Brutvogelmonitoring durchgeführt. Die Möwen kehren in der Regel im Frühjahr immer wieder zum selben Koloniestandpunkt zurück, sodass für einige Individuen Nestdaten und Bruterfolg aus den Vorjahren bekannt sind. Die alten Bekannten erkennt man übrigens an einem nummerierten Farbring, der am Bein befestigt wird. Zu Beginn der Brutsaison ging es vor allem darum die Nester auf den großen brach liegenden Flächen zu finden, zu markieren, Legedaten zu notieren und die dazu gehörigen Vögel ausfindig zu machen.

Im nächsten Schritt wurden Verhaltensbeobachtungen durchgeführt, Proben gesammelt und weitere Möwen (adulte Tiere und Küken) beringt, vermessen, sowie Vögel besendert. Die zuletzt genannte Tätigkeit war für mich einer der Hauptgründe, weshalb ich bei dieser Arbeitsgruppe angefragt hatte, ob ich meine Masterarbeit bei ihnen durchführen könnte. Ich hatte vorher bereits Erfahrungen im Bereich der Wildtier-Telemetrie gesammelt (hauptsächlich in der Datenanalyse) und wollte dieses Wissen gerne noch vertiefen und mehr Praxiserfahrungen im Umgang mit Seevögeln sammeln, da ich mich beruflich gerne in diese Richtung orientieren möchte. Der GPS-Sender mit Beschleunigungssensor („UvA-BiTS GPS trackers“ bei Interesse siehe Stienen et al., 2016) und solarbetriebener Batterie wird wie ein kleiner Rucksack an der Möwe befestigt. Die Bewegungsdaten werden auf dem Gerät gespeichert und sobald die Möwe in die Nähe einer Antenne in den Kolonien kommt, werden die aufgezeichneten Positionen und Beschleunigungsdaten heruntergeladen. Danach lässt sich nicht nur bestimmen, wo sich die Vögel aufgehalten hat, sondern es kann auch annähernd bestimmt werden, was die Möwe am jeweiligen Ort gemacht hat (z.B. Nahrungssuche). Man kann übrigens während der Brutsaison (fast) live verfolgen, wo die Möwen hinfliegen:
http://www.lifewatch.be/birdmap?group=Kleine%20mantelmeeuw

3) l.o: Möwennest mit 3 Eiern (üblich), l.m: Heringsmöwe mit Ringen an den Beinen, l.u: Küken, ca. 30 Tage alt, r.o: besenderte Heringsmöwe, r.u: ca. 4 und 2 Tage alte Küken und ein schlüpfendes Küken (noch im Ei)

Land, Leute, Besonderheiten

Leute
Große kulturelle Unterschiede konnte ich nicht feststellen. Die flämische Mentalität scheint der norddeutschen Mentalität sehr ähnlich zu sein, wenn man das überhaupt so allgemein sagen kann. Im Alltag sind mir die meisten Belgier offen begegnet und als besonders positiv habe ich es empfunden, dass alle sehr bereitwillig mit mir englisch gesprochen haben.

Umgebung
Landschaftlich habe ich Belgien als nicht besonders schön empfunden: Das Landschaftsbild außerhalb der Städte ist stark von Industrie und Landwirtschaft geprägt und nach Natur muss man in Flandern lange suchen. Die historischen Bauten in den Innenstädten sind zwar schön, aber sobald man den Stadtkern verlässt, wirkt die Umgebung oft grau und trist. Ganz anders ist der Eindruck wenn man ein paar Kilometer nördlich die niederländische Grenze überquert: Alles wirkt liebevoll gepflegt (aber nicht spießig) und irgendwie grüner.

Fortbewegungsmittel
Ich habe mich überwiegend mit dem Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmittel bewegt und würde dies in den meisten Fällen auch dem Auto vorziehen. Die Städte Antwerpen und Brüssel lassen sich mit dem Auto nämlich nur schwer umfahren und bei Berufsverkehr muss man immer viel Zeit für Staus einplanen. Bei Bussen und Zügen lohnt es sich auf jeden Fall einen Fahrplan oder ein GPS-fähiges Handy dabei zu haben, da es ohne Haltstellenanzeigen schnell passieren kann, dass man seinen Halt verpasst (Vor allem wenn der Busfahrer selbst nicht die Haltstellennamen kennt… 🙂 ). Am Wochenende kann man die Regionalzugtickets für den halben Preis erwerben und auch sonst kann man mit 10er Tickets recht günstig Bus und Bahn in Belgien fahren.

Essen
Wenn man in Belgien war, kommt man nicht drum herum von den Leckereien zu berichten. Das Land ist berühmt für:

  • Schokolade: Egal, ob als Praline, in flüssiger Form oder als Tafel. Es lohnt sich ein bisschen Geld in die Hand zu nehmen und einer Chocolaterie einen Besuch abzustatten.
  • Waffeln: Wird an (fast) jeder Ecke verkauft und die dicke Waffel wird einem mit verschiedenen Toppings angeboten z.B. mit Speculoos-Eis (Spekulatius ist übrigens eine weitere belgische Spezialität)
  • Pommes: Auch wenn der englische Name „French fries“ vermuten lässt, dass Pommes aus Frankreich kommen, der Ursprung liegt in Belgien und die Belgier sind mächtig stolz auf ihre Erfindung. Dazu bieten die „Frituur“-Läden eine große Auswahl an (unbekannt klingenden) Saucen.
  • Bier: Die Belgier beherrschen auf jeden Fall die Bierbraukunst und bei so vielen Sorten ist für fast jeden Geschmack etwas Passendes dabei.

4) l: verschiedene belgische Biersorten, r.o: Belgische Waffel, r.u: Pralinien-Tasting (Mein Geheimtipp: Neuhaus Pralinen)

Fazit
Ich habe viel im Umgang mit Vögeln, Sendern und Datenauswertung gelernt, Kontakte geknüpft, mein Englisch verbessert, erfolgreich Daten für die Masterarbeit aufgenommen und ich hatte die Möglichkeit gleich zwei Länder näher kennen zu lernen. Auch wenn bei der Freilandforschung nicht alles auf Anhieb geklappt hat, es Momente gab, in denen man die Möwen verflucht hat, Belgien nicht mein neues Lieblingsland geworden ist, so würde ich doch abschließend sagen: Es war eine gute Zeit mit großartigen Erfahrungen und ich würde es so (oder ähnlich) wieder machen!

Das Erasmus-Praktikum ist eine tolle Möglichkeit um ins Ausland zu gehen und es ließ sich sehr gut mit der Datenaufnahme für die Masterarbeit kombinieren.

Referenz
Stienen, E. W. M., Desmet, P., Aelterman, B., Courtens, W., Feys, S., Vanermen, N., … Lens, L. (2016). GPS tracking data of lesser black-backed gulls and herring gulls breeding at the southern north sea coast. ZooKeys, 2016(555), 115–124. doi:10.3897/zookeys.555.6173