1. Motivation
Nachdem ich mich kurz vor dem Ende meines langjährigen Studiums der Soziologie an der Universität Bremen befand, begann ich endlich darüber nachzudenken wie mein zukünftige persönliche und berufliche Zukunft aussehen könnte. Das Studium selbst, dass ich zugegebener Maßen nicht immer mit der erforderlichen Intensität und Disziplin verfolgte, gab mir wenig Hinweise oder Anregungen, wie ich nun mein zukünftiges Leben außerhalb des Studiums gestalten könnte. Ich war, gewissermaßen, in einer ähnlichen Situation wie vor Beginn des Studiums, nämlich ohne Orientierung.

Auf die Idee nach dem Studium ein Praktikum im Ausland zu absolvieren kam ich dank einiger Freund*innen, die bereits ein von Erasmus gefördertes Jahr im Ausland verbracht hatten. Sie erzählten mir davon, dass es neben ebenjener Förderung, auch eine Unterstützung für Praktikumsaufenthalte gibt.
Je mehr ich darüber nachdachte desto mehr gefiel mir die Idee. Mithilfe des Praktikums konnte ich zum ersten Mal einen Einblick in die Arbeit als Soziologen erhalten und damit überprüfen, wie ich das Gelernte anwenden könne und ob dies mir überhaupt gefiel.

Über einige Freunde in Spanien bekam ich den Kontakt zu Asier, der Mitglied der soziologischen Forschungskooperative Indaga in Madrid. Nach einigen Gesprächen willigten er und die Kooperative schließlich ein, mich als Praktikanten zu beschäftigen.

2. Indaga – cooperativa de investigación social
Die soziologische Forschungskooperative Indaga wurde 2009 in Madrid gegründet. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind vor allem die qualitative und quantitative Forschung, statistische und geographische Analyse und die Vermittlung und Darstellung sozialwissenschaftlicher Forschungsergebnisse.

Sie wurde gegründet und besteht größtenteils immer noch aus Soziologen die sich während ihres Studiums kennengelernt haben und die sich mittlerweile in der Promotion befinden oder diese bereits abgeschlossen haben.

Da die Kooperative lediglich aus fünf1 Mitgliedern besteht wurden für viele der größeren Forschungsprojekte freie Mitarbeiter und andere Kooperativen engagiert.

Besonders interessant für mich war die Organisationsform von Indaga. Da sie eine Kooperative ist wurden alle wichtigen Entscheidungen im zweiwöchigen Plenum getroffen, an dem ich teilnahm. Normalerweise wurde auf diesen Treffen spanisch gesprochen, jedoch auf den Treffen an denen ich teilnahm wurde jedoch englisch geredet, sodass ich ohne Probleme der Diskussion folgen konnte. Dies war für mich immer in besonderes Erlebnis, denn auf den Plenum wurde gestritten und diskutiert, teilweise um Kleinigkeiten, persönliche Differenzen oder um die Beteiligung an großen Forschungsprojekten. Zwar gab es einige Zuständigkeiten (so ist zum Beispiel Asier verantwortlich für die Finanzen) jedoch wurde in der Regel alles diskutiert. Immer in Erinnerung bleiben wird mir eine zwei-stündige Diskussion über die Erstattung von Fahrzeit bzw. die Abrechnung ebensolcher.

Diese nicht-hierarchische Organisation war zwar zeitintensiv, ermöglichte mir aber sehr schnell die Kooperative, ihre Mitglieder und die Arbeitsprozesse kennenzulernen, ohne das mir jemand alles erklären musste. So fühlte ich mich rasch als Teil der Gruppe. Für mich war die Erfahrung als Teil einer Kooperative zu arbeiten sehr beeindruckend. Trotz teilweise stundenlangen Treffen, hatte ich niemals das Gefühl, dass eine andere Form von Organisation besser geeignet wäre. Am Ende eines solchen Treffens waren zwar nicht alle immer zufrieden, aber niemand wirklich unzufrieden.

3. Tätigkeitsbereich
In der Kooperative war ich vor allem unterstützend tätig. Ich war ich für die Vor- und Nachbereitung der zwei-wöchentliche Treffen verantwortlich, half bei einigen Projekten und schrieb erste Bewerbungen für eigene Projekte.

Die Vorbereitung von Treffen gestaltete sich immer wieder ein wenig kompliziert, da die zu behandelnden Themen sich immer wieder änderten und eine Moderation der Treffen anfangs recht schwierig war. Nach kurzer Zeit jedoch wurden die Abläufe einfacher und eine Organisation fiel leichter Ich bereitete die einzelnen strittigen Themen vor und führte das Protokoll. So wurden die Treffen auch strukturierter und produktiver.

Neben den Treffen war ich unterstützend in der Arbeit einzelner Projekte involviert. Dabei arbeite ich vor allem im Bereich der Statistik. Ein Bereich meines Studiums, den ich eigentlich nicht sehr gut in Erinnerung hatte. Die Arbeit jedoch änderte diese Einstellung. Da die großen Institute, wie das wie das Instituto Nacional de Estadística (INE) ihre Datensätze auch in englisch verfügbar machten, fiel mir der Einstieg in die Arbeit recht leicht. Bei einigen kleineren Datensätzen jedoch musste ich die Variablen erst übersetzen. So verbesserte ich aber schnell meinen fachspezifischen Wortschatz im Englischen als auch im Spanischen. Gleichzeitig konnte ich auch zum ersten Mal meine, im Studium erlangten Erkenntnisse der Statistik anwenden, was zu einem tiefer und Verständnis ebenjener führte und sie mir sogar Spaß machte.
Die Projekte, an denen ich arbeitete, waren zum größten Teil auf die sozial-demographische Erfassung von Stadtteilen bezogen. So arbeitete ich an der sozial-demographischen Erfassung einer illegalen Siedlung in der Nähe von Madrid mit. Eine interessante und beeindruckende Erfahrung. Letztendlich sammelte ich im Praktikum vor allem Erfahrungen in der Stadtforschung und -planung.

Ich schrieb ebenfalls erste eigene Bewerbungen zu Projekten in diesem Bereich und gen Ende des Praktikums bekam ich auch eine Zusage. Es handelt sich bei diesem Projekt um die Stadtplanung eines Stadtteils einer Stadt im Norden Spaniens. An diesem Projekt werde ich auch weiterhin mit der Kooperative arbeiten, jedoch diesmal als freier Mitarbeiter.
Die Arbeit in der Kooperative war teilweise chaotisch und fordernd, aber niemals langweilig. Ich lernte sehr viel und bin den Mitgliedern der Kooperative dankbar, dass sie sich so viel Zeit und Geduld für mich genommen haben. Dank der speziellen Organisationsform, hatte ich einen Einblick in fast alle Bereiche der Organisation und konnte so den Arbeitsalltag als Soziologe erleben, der eben leider nicht nur aus Forschung besteht.

4. Freizeitgestaltung
Neben meiner Arbeit besserte ich hauptsächlich mein Spanisch auf. So begann in einen Intensivkurs an einer Sprachschule in Madrid. Dazu nutze ich die freien Wochenenden um kleinere Tagesausflüge in das Umland zu machen und wandern zu gehen. Madrid an sich selbst ist ebenfalls ein guter Ort um einen warmen Abend auf der Straße zu verbringen, sieht man mal von der Qualität des Bieres ab.

5. Fazit
Mit meiner Entscheidung ein Auslandspraktikum nach meinem Studium zu absolvieren bin ich mehr als zufrieden. Die Arbeit bei Indaga war für mich von großer Bedeutung. Sie gab mir einen ersten Einblick in den Berufsalltag eines Soziologen und ermutigte mich meine im Studium gesammelten Erkenntnisse anzuwenden. Die Organisationsform der Kooperative ermöglichte mit einen schnellen Einblick und Einstieg und die Arbeitsprozesse und ermutigte mich zu selbständigen Handeln. Alles in Allem war das Praktikum für mich eine optimale Ergänzung zum Studium.

Das Praktikum bestärkte mich des weiteren dahin das Studium der Soziologie auch in einem Master-Studiengang fortzusetzen, da mit die Arbeit als Soziologe durchaus gefiel und für mich sich nun klarer eine zukünftige Berufsperspektive als Soziologe bietet.