Belästigung an deutschen Hochschulen
Es ist ein unangenehmes Thema, über das niemand gerne spricht, obwohl zahllose Personen jeden Tag betroffen sind – sexuelle Belästigung ist leider weit davon entfernt, eine Seltenheit zu sein, besonders Frauen sind extrem häufig von irgendeiner Form sexueller Belästigung betroffen. Doch während spätestens seit Fällen wie dem rund um Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt und im Zuge der #metoo-Debatte das Problem sexueller Belästigung am Arbeitsplatz stärker in das Bewusstsein der Gesellschaft gerückt ist, bleibt eine weitere große Gruppe Betroffener oft weitgehend unbeachtet: Studierende und Mitarbeitende von Hochschulen.
Das zugrundeliegende Problem ist jedoch auch hier dasselbe; häufig werden Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse ausgenutzt, wenn Betroffene von ihren Kommilitonen, aber in einigen Fällen auch von Dozierenden oder Vorgesetzten auf dem Campus oder im allgemeinen Universitätszusammenhang Belästigung erfahren. Wie weitreichend diese Problematik ist, zeigt sich auch in einer 2022 veröffentlichten Umfrage des Kölner Leibniz-Instituts für Sozialwissenschaften. Hierbei gab fast jede dritte befragte Person an, in seiner/ihrer jeweiligen Einrichtung sexuelle Belästigung erlebt zu haben. In Bezug auf die Geschlechter waren Frauen mit 66% wesentlich häufiger von jeglichen Formen geschlechtsbezogener Gewalt (darunter auch sexueller Belästigung) betroffen, lediglich im Bereich der körperlichen Gewalt haben Männer mehr Erfahrungen gemacht als Frauen. In allen Kategorien waren nicht-binäre Personen jedoch besonders stark betroffen. Zusätzliche Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit von Erfahrungen geschlechtsbezogener Gewalt erhöhten, waren zudem eine Identifizierung mit der LGBTQ+-Gemeinschaft, Behinderungen oder chronische Erkrankungen sowie die Zugehörigkeit zu ethnischen Minderheiten. Auch an diesen Ergebnissen zeigt sich deutlich, dass es sich um ein strukturelles Problem handelt, welches auf patriarchalen Machtstrukturen basiert, in welchen vor allem marginalisierte Gruppen unter geschlechtsbezogener Gewalt wie sexueller Belästigung leiden.
Eine hohe Dunkelziffer
Dass das Problem der Belästigung an Hochschulen weitgehend unbeachtet bleibt, ist nicht verwunderlich: Ein weiteres Ergebnis der Umfrage war, dass lediglich 13% der Betroffenen geschlechtsbezogener Gewalt diese auch gemeldet haben. Besonders häufig fühlten sich die Befragten unsicher, ob das Erlebte tatsächlich schwerwiegend genug für eine Meldung war. Besonders im Bereich der sexuellen Belästigung, die noch nicht zur sexualisierten Gewalt gezählt wird, kann daher von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden. Ob der Vorfall beabsichtigt war oder nicht, spielt jedoch für die Definition von sexueller Belästigung erst einmal keine Rolle – entscheidend sind die Gefühle der betroffenen Person, wenn eine Annäherung, sexuelle Anspielungen oder ähnliches von ihr unerwünscht sind und dadurch bei ihr unangenehme Gefühle wie Beleidigung, Scham oder Erniedrigung auslösen. Sexuelle Belästigung als harmlosen Flirtversuch abzutun, ist daher überaus schädlich – denn ein Flirt sollte niemals den Effekt haben, eine der beteiligten Seiten zu beleidigen oder gar zu erniedrigen. Bei Belästigung geht es nicht um ernstgemeinte Annäherung, den Tätern ist natürlich bewusst, dass ihr übergriffiges Verhalten bei den Betroffenen nicht positiv ankommt – es geht in erster Linie um Machtdemonstration.
Hilfe bei Belästigung und anderen Gewalterfahrungen
Hierzu sei also gesagt: wenn ihr in einer Situation das Gefühl habt, dass euch gegenüber eine Grenze überschritten wurde, hat das grundsätzlich erst einmal immer seine Berechtigung. Besonders wenn ein Abhängigkeitsverhältnis zur belästigenden Person besteht, kann es sehr schwerfallen, sich dagegen zu wehren. Wenn ihr euch unsicher fühlt, ob ihr die Situation melden wollt, kann es zunächst helfen, mit Freunden/Freundinnen oder Familienmitgliedern eures Vertrauens über das Erlebte zu sprechen. Doch auch Beratungsstellen können euch helfen:
- Die Arbeitsstelle gegen Diskriminierung und Gewalt (ADE) ist eine speziell für Angehörige der Uni Bremen sowie den Hochschulen Bremens zuständige Stelle, die bei Diskriminierungsfällen wie sexuellen Übergriffen kontaktiert werden kann.
E-Mail: ade@uni-bremen.deTelefon: (0421) 218 60 170
- Der notruf Bremen e.V. hilft Betroffenen sexualisierter Gewalt mithilfe kostenfreier psychologischer Beratung. Auch strafrechtliche Fragen können hier beantwortet werden.
E-Mail: info@notrufbremen.de
Telefon: (0421) 151 81
- Das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ steht bundesweit rund um die Uhr zur Verfügung, um anonym und kostenlos Unterstützung wie Beratung zu bieten
Telefon: 116 016
Die Beratungsstellen können in jedem Fall kontaktiert werden, ihr braucht niemals das Gefühl zu haben, dass eure Erlebnisse zu banal oder nicht schwerwiegend genug seien. Zwar sind viele, vor allem verbale Formen sexueller Belästigung letztlich bisher nicht strafbar, jedoch hilft jede Meldung, egal ob es sich um einen strafbaren Übergriff handelte oder nicht, die Dunkelziffer zu verringern und so eine Aufmerksamkeit und Sensibilität für das Thema zu schaffen.
Quellen:
https://www.deutschlandfunkkultur.de/sexuelle-belaestigung-102.html#z5
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligenHinterlasse uns deinen Kommentar!