von Nele Bühren, redaktionell überarbeitet vonTanja Dieckmann
Die Deadline für deine Hausarbeit rückt immer näher, du musst noch für die Prüfung nächste Woche lernen und außerdem auch noch Geld verdienen, um dir den ganzen Spaß überhaupt leisten zu können… Die Folge: Du bist unruhig, fühlst dich gehetzt, dein Herz rast, deine Atmung geht flacher. Kurz: Du hast Stress. Wie klingt das jetzt für dich: Du schwebst wie ein Korken schwerelos im schön warmen Wasser, in absoluter Stille und Dunkelheit, der ganze Trubel da draußen ist weit weg. Das wäre doch eine tolle Mittagspause, oder? Das Institut für Public Health der Universität Bremen erforscht die positiven Effekte, die durch Stressreduktion, wie zum Beispiel beim sogenannten Floating, erreicht werden können.
Stress führt auf Dauer dazu, dass du dich schlecht fühlst, weil die stressreichen Phasen bei einer Dauerbelastung nicht durch Erholungsphasen ausgeglichen werden können. So summieren sich die stressreichen Phasen und können im schlimmsten Fall zu negativen Folgen für Körper und Geist führen.
Mit Dauerstress und dessen Folgen stehst du nicht alleine da: Der Gesundheitsreport der DAK (einer großen deutschen Krankenkasse) im Jahr 2013 zeigte, dass rund 92% aller Fehltage im Job im Land Bremen durch stressbedingte psychische Erkrankungen entstehen. Man könnte es auch die neue Volkskrankheit durch Überforderung nennen. Diese alarmierenden Zahlen regen manche Menschen nicht nur zum Nachdenken an, sondern führten auch schon zur Entwicklung neuer Therapiemethoden. [1]
Zu viel Stress kann also krank machen, aber wieso reagiert unser Körper in manchen Situationen eigentlich mit Stress? Stress ist ein evolutionsbedingter, angeborener Instinkt, der das Überleben sichern soll. Stellen wir uns eine bedrohliche Situation vor: Du wanderst in einem Wald und plötzlich steht ein Bär vor dir. Wie wirst du reagieren und warum? In deinem Unterbewusstsein laufen verschiedene Reaktionen ab. Die Situation muss erstmal bewertet werden um eine angemessene Aktion auszulösen. Wird die Situation als nicht bedrohlich eingestuft (z.B. weil der Bär satt ist und lieber kuscheln will), bleibt die Stressreaktion im Folgenden aus. Ist die Situation jedoch subjektiv bedrohlich (hungriger Bär ohne Kuschellaune), reagiert dein Körper zunächst mit einer wasserfallähnlichen Ausschüttung von Hormonen und der Aktivierung des sympathischen Nervensystems. Dieses Nervensystem und vor allem der Sympathikus (Aktion) und der Parasympathikus (Erholung) sind Nervensysteme des vegetativen Nervensystems, welche alle Organe des Körpers steuern. Der Sympathikus und der Parasympathikus verhalten sich hierbei wie Gegenspieler. Die Stressreaktion kann also nicht zeitgleich mit der Erholung auftreten und andersherum kann der Stress durch Einleiten einer Erholungsphase reguliert werden.
Wenn du plötzlich einem Bären gegenüber stehst, ist Stress sehr sinnvoll, da du nun durch die Ausschüttung der Hormone genug Ressourcen zur Verfügung hat, die du für deine Flucht nutzen kannst. Nachdem du erfolgreich geflüchtet bist, kannst du dich dann erstmal gemütlich auf eine grüne Wiese in die Sonne legen und dich erholen. Dann gibt es kein Problem, weil auf die stressige Phase nun eine Erholungsphase folgt und die körperliche Belastung ausgeglichen werden kann. Im Alltag kann es passieren, dass viele Situationen vom Unterbewusstsein als bedrohlich eingestuft werden und zu Stress führen. Dein Nervensystem unterscheidet dabei nicht zwischen dem plötzlichen existenzbedrohenden Auftauchen eines Bären und der Professorin, die mit einem Stapel Klausuren den Raum betritt. Anders als nach der Begegnung mit dem Bären, bleibt nach einer Prüfung meistens keine Zeit für den Ausgleich durch Erholung – oft steht dann ja schon die nächste Prüfung an. Diese Dauerbelastung kann langfristig dazu führen, dass du weniger leistungsfähig bist und vielleicht sogar krank wirst: zum Beispiel Magen-Darm-Probleme können eine Folge sein oder es kann sogar Auswirkungen auf die kognitiven Fähigkeiten geben. Doch nicht jeder Stress macht uns krank.
Nach dem Stressforscher Hans Seyle gibt es zwei Arten von Stress: Eustress und Distress. Eustress ist der gute Stress, der uns anspornt und motiviert. Distress hingegen ist schlechter Stress und tritt vermehrt in der Erschöpfungsphase auf. Dies ist der oben beschriebene Stress, welcher bei Dauerbelastung zum Leistungsabfall führen kann. Doch wie kannst du diesem negativen und krankmachenden Stress nun vorbeugen? Die Lösung ist ganz einfach. Du nutzt den Gegenspieler des Stresses – der Erholung und dem damit zusammenhängenden Abbau der ausgeschütteten Stresshormone.
Eine neue und in Deutschland noch recht unbekannte Methode zur Stressreduktion ist das „Floating“. Floating kommt von dem englischen Verb „to float“, was „schweben, aufschwimmen“ bedeutet. Dabei handelt es sich um einen Zustand des Schwebens in einer hoch konzentrierten Salzsole in einer extra dafür vorgesehenen Anlage. Dieses Schweben können wir auch in Thermalbädern oder dem Toten Meer beobachten (wie im Titelbild oben).
Die Grundlage des Floatings ist das simple physikalische Gesetz über die Auswirkungen von Dichten verschiedener Materialien. Die Dichte eines Materials ergibt sich, wenn die Masse eines Körpers durch sein Volumen geteilt wird. Für das „Schweben“ verantwortlich ist eine als gesättigt bezeichnete Salzsole. Hierfür wird in körperwarmes Wasser so viel Salz wie möglich gelöst (hier zwischen 20-26%). Die Dichte der Sole beträgt dann ca. 1,9 g/cm³. Für den entspannungsbedürftigen Badegast kann eine Dichte von ca. 1 g/cm³ angenommen werden, welche sich aus dem Wasseranteil des menschlichen Körpers und den etwas schwereren Knochen ableitet lässt. Da die Dichte des Badegastes somit wesentlich geringer ist als die der Sole, schwimmt er oben und kann nicht untergehen. Das ist wie wenn du versuchst, einen Korken unter Wasser zu drücken und dort zu halten. Da die Dichte des Korkens wesentlich geringer ist als die Dichte des Wassers, wird er immer an die Oberfläche zurückspringen.
So wird im Solebad quasi die Schwerkraft eliminiert (genau genommen: die Auftriebskraft im Solebad ist durch die hohe Salzdichte größer als die Schwerkraft, dadurch entsteht scheinbare Schwerlosigkeit). Doch das Floating hat noch weiter Eigenschaften als ein Bad im Toten Meer: Jetzt wird noch das Licht im Bad ausgeschaltet, der Raum wird also abgedunkelt, und schon haben wir eine perfekte reizarme Umgebung, in der sich dein Organismus von der Belastung durch Dauerstress erholen kann. Medizinische Studien haben gezeigt, dass diese reizarme Umgebung den Zustand der Tiefenentspannung hervorruft. Also einen Zustand, den du sonst nur im sogenannten REM-Schlaf erreichst, dem Zustand zwischen wach und schlafend. [2]
Natürlich kannst du dich auch beim Yoga oder mit Meditation entspannen. Zwischen diesen Methoden und dem Floating gibt es allerdings einen wesentlichen Unterschied: Beim Yoga und bei der Meditation musst du aktiv und bewusst deine Entspannung fördern, zum Beispiel durch bestimmte körperliche Übungen oder Atemtechniken. Wenn du jetzt seit Monaten den Schreibtisch voll mit Arbeit hast und entsprechend dauergestresst bist, dann ist dein Kopf voll und dich wirklich zu entspannen, wird dir so enorm schwer fallen. Hier hat Floating dagegen den Vorteil, dass du keine spezielle Entspannungstechnik lernen musst. Durch den Reizentzug stellt sich die Entspannung nach ca. 15-30 Minuten ganz von selbst ein.
Das Institut für Public Health der Universität Bremen forscht im Bereich Sozialer Stress und den Auswirkungen eines definierten Stressmanagements auf das Wohlbefinden: Sozialer Stress ist Stress, der durch große Menschenmengen, Lautstärke, Verhalten der Mitmenschen (oder wie oben: Prof* betritt den Raum mit einem Stapel Klausuren) ausgelöst wird. Definiertes Stressmanagement heißt, dass ein Plan verfolgt, der gegen den Stress wirken soll, zum Beispiel zwei Mal wöchentlich 30 Minuten Floating in der Mittagspause oder andere Entspannungstechniken. Diese Untersuchungen des Public-Health-Instituts brachten hervor, dass ein integriertes Stressmanagement die Wahrscheinlichkeit für weiterführende psychische Erkrankungen reduziert. [3]
Auch ein Pilot-Projekt, bei dem eine ausgewählte Gruppe von Büroangestellten während ihrer Mittagspause das Floating nutzen, zeigte eine deutliche Verbesserung bei den stressbedingten Fehltagen und dem generellen Befinden der Angestellten. [4]
Bleibt also zu hoffen, dass sich diese neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse im großen Stil durchsetzen und wir in Zukunft statt eine Kaffeepause in der Cafeteria zu machen wie Korken im Wasser schweben! Bis dahin heißt es durchhalten, kommt gut durch die Klausurenphase!
Literaturverzeichnis
[1] | S. Krohn, „DAK Gesundheit,“ 2013. [Online]. Available: https://www.dak.de/dak/landes-themen/Gesundheitsreport_2013-1317322.html. [Zugriff am 16 August 2018]. |
[2] | A. Bosch, J. Auf dem Hövel und B. Tochtermann, „Deutscher Floatingverband,“ [Online]. Available: http://www.floating-verband.de/drupal/forschung. [Zugriff am 16 August 2018]. |
[3] | R. M. Herr, A. Barrech, N. Riedel, H. Gündel, P. Angerer und J. Li, „Long-Term Effectiveness of Stress Management at,“ International Journal of Environmental Research and Public Health, p. 255, 03 Februar 2018. https://doi.org/10.3390/ijerph15020255 |
[4] |
A. Kjellgren und J. Westman, „Beneficial effect of treatment with sensory isolation in floating-tank as a preventive health-care intervention-a randomized controlled pilot trial,“ BMC Complemantary and Alternative Medicine, Karlstadt, 2014. |
[5] | S. U. Bollmeyer, „VICTA-Gruppe,“ 14 März 2017. [Online]. Available: http://www.victa-gruppe.de/victa-med. |
[6] | M. Weniger, „Verhalten unter Stress,“ in Stressmedizin-Beratung, Vorbeugung, Behandlung, Berlin, Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, 2015, pp. 25-31. |
[7] | Borrie, „Floating REST- Eine vielversprechende Therapie zur Behandlung der Fibromyalgie,“ Deutscher Floatingverband, München, 2013. |
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