1. Vorbereitung:
Da ich schon einmal fĂŒr die U.S.A. ein J1 Visum beantragt hatte, wusste ich bereits was mich bei der erneuten Anfrage erwarten wĂŒrde: Eine lange und mĂŒhselige Anlaufzeit sowie ein sehr komplexer und nicht immer ganz nachvollziehbarer Prozess. Es ist ratsam, alle Punkte auf der Onlineplattform des Konsulates zu beantworten und nicht zu hinterfragen. Die fĂŒr mich ausschlaggebenden Dokumente waren das DS2019 und ein Nachweis der Gastinstitution (Die Beratung durch das Internationale Office in Harvard war sehr gut und sie haben mir sehr dabei geholfen alles richtig anzugehen, nach der Ankunft war es ebenso ein sehr gefĂŒhrter Weg durch die BehördengĂ€nge) fĂŒr das Visum, sowie das DS160 fĂŒr Homeland Security. Es ist ratsam, so schnell wie möglich mit dem Beantragen des Visums zu beginnen, da dies meist am lĂ€ngsten dauert.

Dabei muss zuerst auf der Website der Botschaft eine Registrierung vorgenommen werden, einhergehend mit einigen Fragen und Vorlagen die vorab beantwortet und hochgeladen werden mĂŒssen, bevor man sich dann fĂŒr das eigentliche Interview auf der Botschaft online anmelden kann. Noch eine wichtige Info: In der Berliner U.S. Botschaft sind keine Handys erlaubt! (Sowie keine Feuerzeuge und Co, am besten die Wegbeschreibung ausdrucken und alles andere bis auf eine Dokumentenmappe daheim zu lassen; es gibt auch die Option ein Schließfach bei der nĂ€chstgelegenen U-bahnstation zu hinterlegen, jedem das seine.) Und nicht vergessen: Krankenversicherung, Bankomat-/Kreditkarte fĂŒr das Ausland freischalten lassen sowie am besten ein Paypal-Konto eröffnen, da die Kosten des Geldtransfers bei Onlinebanking kleine BetrĂ€ge bereits ĂŒberschreiten (Dazu sei zu erwĂ€hnen, dass es in den U.S.A. KEIN IBAN-System gibt, sondern ein Wire-Transfer-System, also eine eigenstĂ€ndige Nummer zum Überweisen von GeldbetrĂ€gen sowie Checks noch immer weit verbreitet sind. Wer nicht wie ich seine Miete in Bargeld zahlen möchte, sollte dies im Hinterkopf behalten!)

Da ich bereits meinen letzten U.S.A. Aufenthalt selbststĂ€ndig organisiert hatte, verzichtete ich nach kurzer Anwesenheit bei der Infoveranstaltung des International Office auf diese, lege es allerdings JEDEM nahe diese zu besuchen und sei es nur fĂŒr die dort ausliegenden Zusatzinformationen, sie helfen einem noch einmal eine Checklist vorzubereiten sowie allgemeine Informationen einzuholen.

2. Leben:
Angrenzend an Boston Downtown sind die teils eigenstĂ€ndigen Orte Cambridge und Somerville, in denen es sich sehr gut leben lĂ€sst (bezogen auf Sicherheit und NĂ€he zur Gastinstitution sowie FreizeitaktivitĂ€ten). Es muss hierbei klar verstanden werden, dass das öffentliche Transportsystem bis auf die Metro zu wĂŒnschen ĂŒbriglĂ€sst bzw. nicht zuverlĂ€ssig ist sowie die Distanzen in den U.S.A., mit denen in Europa nicht zu vergleichen sind! Ein Fahrrad ist sehr zu empfehlen bzw. das Suchen nach einer Unterkunft in der NĂ€he der roten Metrolinie. Die Mietkosten liegen im Durchschnitt bei 1000 $ und Wohnplatz ist heiß begehrt, da das akademische Leben floriert! Am besten zuvor schon eine Unterkunft organisieren, ich persönlich bin das Risiko eingegangen und fand nach meinem ersten Ankommen Ende Juni im Airbnb ein Zimmer zur Untermiete bis Mitte August, gefolgt von zwei weiteren Wohnungswechseln, also lebte ich insgesamt in 4 verschiedene Wohnungen. Das macht es sehr spannend, da man einiges erlebt, allerdings ist es auch sehr anstrengend tĂ€glich nach dem Aufstehen nach weiteren Inseraten zu suchen bzw. mit dem stĂ€ndigen Druck der Wohnungssuche zu leben. Es war eine sehr lehrreiche Erfahrung fĂŒr mich, ist allerdings sicher nicht fĂŒr Jedermann.

Eine Arbeitskollegin, die auch die gleiche Zeit lang mit mir dort war fand etwas fĂŒr die Gesamten 3 Monate vor der Ankunft, also auch das ist möglich. Am Campus gibt es keine Mensa, dafĂŒr Food-Trucks und weitere ImbisslĂ€den (Clover ist sehr zu empfehlen!), welche von 8-10$ (aufwĂ€rts) bis 21:00 warme Speisen verkaufen, sonst ist der Harvard Square (Dort kann man auch bis spĂ€t in die Nacht Schach spielen!!!) nicht weit entfernt und bietet noch einige (teurere) Alternativen. Am besten ist es, wenn man Zeit hat, selbst zu kochen und mitzunehmen, auch wenn das Einkaufen (wie eigentlich alles) sehr teuer ist. Ketten wie Star-Market sind zu empfehlen, man sollte jedoch darauf achten (wenn man darauf Wert legt) Produkte zu kaufen, die nicht hormonell behandelt wurden bzw. genmanipuliert wurden, dies ist sehr verbreitet und man muss davon ausgehen, dass alle Lebensmittel davon betroffen sind, die kein extra Label dafĂŒr aufweisen. Mit der Harvard ID kommt man auch ins nahe gelegene Harvard Pub „Queens Head“, bei dem es vergĂŒnstigte GetrĂ€nke gibt, sowie fĂŒr alle die es betrifft, einen „Chicken-Wings-Mittwoch“. Die MentalitĂ€t, die ich in Boston erfahren habe ist im Vergleich zum Rest der U.S.A. eine sehr europĂ€ische, es gibt ein „großes“ vegetarisches Angebot, Massachusetts bezeichnet sich selbst als „Spirit of America“, der Freedom-Trail zeugt von der UnabhĂ€ngigkeitswerdung der U.S.A. und man spĂŒrt den Geist der großen Forschungseinrichtungen, die das Stadtbild prĂ€gen. Small talk ist so ziemlich mit jedem möglich, eine Erfahrung, die man als EuropĂ€er einmal gemacht haben sollte.

3. Gastinstitution
Ich denke, dass jeder eine gewisse Vorstellung on Harvard hat, sei es von Filmen oder einfach nur der Name an sich, welcher ein gewisses GefĂŒhl auslöst. Neben dem ganzen Glanz, soll aber nicht vergessen werde, dass sie auch nur mit Wasser kochen. Die Sommermonate hindurch war das Institut im Vergleich zu den Wochen des laufenden Semesters, die ich noch mitbekommen habe, sehr ausgestorben und der Campus vergleichsweise auch. Da ich jedoch nicht am normalen Semesterbetrieb teilgenommen habe, sondern die meiste Zeit im Labor verbracht habe, kann ich dazu leider wenig sagen. Es gibt allerdings eine Menge an Angeboten, sei es sportlicher oder kultureller Natur; der UniversitĂ€tsausweis, der im nahegelegenen Internationalem Office beantragt werden muss, beinhaltet den freien Eintritt zu den Museen von Harvard und bietet noch weitere ErmĂ€ĂŸigungen (Ich habe von einem Kollegen u.a. Freikarten fĂŒr das Aquarium in Boston bekommen, sowie fĂŒr weitere auch externe Museen, konnte deren Herkunft aus zeitlichen GrĂŒnden allerdings nicht nachgehen, aber sie existieren. Der Boston Marathon versprĂŒht auch seinen Geist und man sieht eine Menge Jogger (ist durchaus ansteckend). Harvard bietet auch eine eigene Wohnungssuchplattform an (Campus Housing, Zugang nur wenn auch eine Verbindung mit Harvard besteht, sonst am besten Craig List oder Facebook: „Harvard/MIT-housing“ Seiten, Vorsicht vor Scams!), bei der Zimmer zur Untermiete direkt am Campus angeboten werden, sind allerdings preislich im Bereich von 1200 $ (Es gibt jedoch auch gĂŒnstigere Optionen, im allgemeinen um die 800$, man muss nur ziemlich danach suchen und sich dann den Regeln des „Speedmeetings“ unterwerfen sowie sehr hartnĂ€ckig sein).

4. Sonstiges
Das Leben in den U.S.A. ist von Regeln und Verboten geprĂ€gt. Öffentliches trinken ist verboten (Eine PapiertĂŒte reicht allerdings aus um die ominöse Flasche unsichtbar werden zu lassen/dass es toleriert wird; ein Mitbewohner erklĂ€rte mir, dass die Flasche ja als privates Eigentum gilt und um die PapiertĂŒte inspizieren zu dĂŒrfen die Polizei offiziell einen Durchsuchungsbefehl brĂ€uchte – ob die Story stimmt oder sich in die Liste der „Urban Myths“ einreihen darf, sei jetzt einmal so hingestellt, sie spiegelt allerdings ganz gut das Denkmuster wieder, welches auch ich oft erleben durfte), sowie das Konsumieren von alkoholischen GetrĂ€nken außerhalb des dafĂŒr vorgesehenen Bereiches in Bars und Gastronomiebetrieben (Auch hier eine kurze Anekdote, man darf zwar dann im Gastgarten Bier trinken, allerdings nicht rauchen, wenn man rauchen will, muss man das Bier zurĂŒcklassen, wenn man nun allerdings ĂŒber die Absperrung nach seinem Bier greifen möchte, außerhalb des Barbereichs, darf man das nicht, da es zum öffentlichen Konsum wird, darum entweder Bier oder Zigarette, beides geht im allgemeinen nicht; aber wie immer, auch hierbei gibt es Ausnahme, man muss nur lange genug danach suchen). Es ist allgemein sehr zu empfehlen, gewisse Dinge nicht zu hinterfragen, sondern einfach hinzunehmen!

Wenn man ein bisschen das Umland erkunden möchte, sei es Massachusetts oder das nahe gelegene New Hampshire oder Main, kann man sich gut ein Auto ausborgen und losziehen (Meistens ist es erforderlich ĂŒber 25 Jahre alt zu sein!). Wichtig dabei: da in Amerika so gut wie jedes Land Privatbesitz ist, kann man z.B. Seen oder den Strand nur gegen Bezahlung an fĂŒr die Öffentlichkeit zugĂ€nglichen BadestrĂ€nden betreten. Ein Campen einfach so in der Natur ist offiziell nicht erlaubt, ich habe allerdings den Eindruck bekommen, dass eigentlich alles Erlaubt sein kann, solange keiner zusieht, alles auf eigene Gefahr! Sonst kann man auch gut im Auto schlafen, wenn man zufĂ€llig ein freies PlĂ€tzchen findet, abseits von Airbnb sind die Preise fĂŒr Motels sehr hoch; wer meint es den Filmen gleichtun zu mĂŒssen und auf gut GlĂŒck abends etwas finden möchte, dem sei davon dringend abgeraten (besser immer im Voraus planen).

New York City ist von Boston mit dem Bus (sehr zu empfehlen sind die Buslinien Peter Pan & Greyhound) ein bisschen mehr als 4 Stunden entfernt und es lohnt sich auf jeden Fall fĂŒr ein verlĂ€ngertes Wochenende (Tipp: Airbnb in Queens oder Bushwick nahe an der M-Metrolinie, die bringt einen dann direkt nach Manhattan und man spart sich einiges an Kosten, wenn man sich statt einem teuren Hostel in Manhattan lieber ein Wochenticket fĂŒr die Metro besorgt; in Bushwick ist der Geist des alten New Yorks im Vergleich zum sterilen Manhattan noch eher spĂŒrbar). Wer sich darĂŒber freut, von jedem gefragt zu werden wie es einem geht, der sollte bedenken, dass dies nur eine Floskel ist und niemand ernsthaft mit einer weiteren Beantwortung der Frage als einem „Gut, danke, dir“ rechnet. Wenn man einen nicht so guten Tag hat und darauf mit einem „nicht so gut“ antwortet und ein lĂ€ngeres GesprĂ€ch erwartet, löst lustiger weise fast eine Verwirrung beim GegenĂŒber aus, der darauf nicht gefasst war. Es entstehen auch sehr interessante Kombinationen bei diesen Grußfloskeln, die teilweise etwas absurd sind. Am besten: Einfach lĂ€cheln und nicken!

5. Fazit
Mir hat der Aufenthalt persönlich wahnsinnig viel gebracht, das Eintauchen in eine andere Kultur, das hektische Leben des uns sehr weit voraus seiendem gelebten Hardcore- Kapitalismus, das fehlende Sozialsystem, mit all seinen gesellschaftlichen Konsequenzen und der politische Wahnsinn, mit seinen, vorsichtig gesagt, manchmal nicht ganz nachvollziehbaren Seiten. Es ist definitiv eine andere Welt, eine Welt der unbegrenzten Möglichkeiten, sobald man weiß, wie man es anstellt (An dieser Stelle möchte ich jedem empfehlen, nach der Ankunft mit dem Buch „Brave New World“ von Aldous Huxley zu beginnen und ein bisschen zu vergleichen).

Harvard an sich ist der Wahnsinn! Man fĂŒhlt sich getragen vom Geist der Wissenschaft, beflĂŒgelt von den Möglichkeiten und die das Umfeld nimmt ein jeden ein, der sich dort aufhĂ€lt. Es ist ein wahrer Ort von Wissen (und Macht) und man bekommt das GefĂŒhl, Teil eines GrĂ¶ĂŸeren Ganzen zu werden, auf Intellektueller- und GefĂŒhlsebene. Die Anzahl an internationalen Studenten, der freie Smalltalk, der es einem ermöglicht einfach mit vielen (auch hier: nach eigenem Ermessen) ins GesprĂ€ch zu kommen und das daraus resultierende Umfeld ermöglichen eine kreative und extrem offene AtmosphĂ€re, in der alles möglich scheint, innovativ und Hands-on.

Ich denke, dass mir dieser Aufenthalt auch bezĂŒglich beruflicher Überlegungen viel gebracht hat, da er mir noch einmal vor Augen gefĂŒhrt hat, dass ich mir ein Leben in und fĂŒr die Forschung sehr gut vorstellen kann. Ich kann es nur jedem empfehlen, wobei ich mir selbst nicht genau sicher bin, wie ich zu meinem GlĂŒck gekommen bin, darum kann ich leider keine genauen Tipps geben wie man angenommen wird, sondern einfach nur appellieren niemals eine Chance auszulassen, sich rechtzeitig und offen seinen eigenen TrĂ€umen anzutasten und daran hart zu arbeiten. GlĂŒck, Fristen einzuhalten und mich selbstĂ€ndig um Funding und Co zu kĂŒmmern sowie wissenschaftliche Vorarbeit zu leisten, war meine Eintrittskarte, harte Arbeit der Preis und ein Selbstfindungstripp mit all seinen Hochs und Tiefs meine Belohnung, fĂŒr die ich sehr dankbar bin und die ich niemals missen möchte (Auch die harte Arbeit nicht, denn im Endeffekt war die dort von mir geleistete Laborarbeit nur ein hineinschnuppern in das, was mich einmal in der Forschung erwarten wĂŒrde und hat mich an meine Grenzen gebracht; jedoch nur dadurch konnte ich an mir selbst wachsen und ich bin unendlich dankbar dafĂŒr).

Es ist mir klar, dass ich eine Chance bekommen habe, die sicher nicht jedem gegeben ist und behandle darum jegliche Erinnerung mit höchstem Respekt und möchte hiermit jeden dazu ermutigen nach den Sternen zu greifen und sich selbst keine Grenzen zu setzen. Die einzigen Grenzen, und das habe ich dort gelernt, sind die Grenzen in unserem Kopf, alles andere kann man sich erarbeiten, wenn man die Chancen, die einem gegeben sind nutzt und dahinter bleibt!