Vorbereitung
Im Rahmen meines Masterstudiums „Epidemiologie“ an der Uni Bremen entschloss ich mich, vor meiner Masterarbeit ein freiwilliges Praktikum im Ausland zu absolvieren. Mir war schnell klar, dass ich in Europa bleiben möchte, da der bürokratische Aufwand mit der Unterstützung von Erasmus+ überschaubar war und ich mich auf die Auswahl meines Praktikumsplatzes konzentrieren konnte. Aufgrund meiner Fremdsprachenkenntnisse, die nur in Englisch soweit vorhanden sind, dass ich es mir zutraue, in der Sprache zu arbeiten, beschränkten sich die möglichen Länder auf Großbritannien, Irland und Skandinavien, wo in meinem Berufsfeld auch sehr viel auf Englisch gearbeitet wird.
Auf Birmingham wurde ich durch einen Bremer Professor aufmerksam, der zusammen mit Wissenschaftlern des „Institute for Research into Superdiversity“ (IRiS), das an der University of Birmingham seinen Sitz hat, an einem Projekt arbeitete, das das gesundheitsbezogene Verhalten im Krankheitsfall von Menschen aus multikulturellen Wohngegenden analysierte.

Bewerbung
Nach einer schriftlichen Initiativbewerbung bekam ich schnell eine Antwort und es wurde ein Termin für ein Vorstellungs- bzw. Kennenlerngespräch via Skype vereinbart. Das Gespräch war sehr angenehm und es wurde mir vieles über das Projekt erzählt und was meine möglichen Tätigkeiten sein könnten. Es war schnell klar, dass die Wissenschaftler großes Interesse daran hatten, dass ich für 3 Monate nach Birmingham komme, um sie bei der Auswertung von Surveydaten zu unterstützen. Da das Institut auf qualitative Forschung spezialisiert ist, das Projekt aber auch eine quantitative Erhebung beinhaltete, stellte sich heraus, dass meine Arbeit vor Ort relativ wertvoll werden würde und ich größtenteils sehr eigenverantwortlich arbeiten würde. Diese Aussicht auf eine wirklich sinnvolle und verantwortungsvolle Tätigkeit gab den Ausschlag, dass ich mich neben anderen Möglichkeiten dazu entschied, nach Birmingham an das IRiS zu gehen.

Wohnungssuche und Wohnsituation
Die Wohnungssuche gestaltete sich als etwas mühsam, da es anders ist als in Deutschland, ein WG-Zimmer zu finden. Häufig werden Zimmer nicht von der WG, also den potenziellen neuen Mitbewohnern, sondern vom Vermieter inseriert. Dadurch kommt es oft vor, dass nicht klar ist, mit wem man zusammenzieht, da der Vermieter eher auf die finanzielle Seite schaut und nicht darauf achtet, ob die Mitbewohner zusammenpassen.
Ich habe größtenteils auf spareroom.com gesucht und mich bei facebook in eine Gruppe eingetragen, in der Studenten aus Birmingham nach einer Unterkunft suchen. Bei spareroom habe ich eine eigene Anzeige geschaltet und darauf viele Nachrichten bekommen. Letztendlich bin ich bei einer Vermieterin gelandet, die Zimmer in ihrem Haus vermietet und selber dort wohnt. Ich musste eine Kaution von einer Monatsmiete vorab überweisen. Davor wird immer sehr gewarnt, da oft Betrüger am anderen Ende sitzen und das Geld bekommen, ohne überhaupt Wohnungen zu vermieten. Ich hatte aber ein gutes Gefühl, da wir auch geskyped hatten und sie mir das ganze Haus und die anderen Bewohner des Hauses gezeigt hatte.
Das Haus war sehr schön eingerichtet und lag in Moseley, was eine ziemlich gute Wohngegend ist und wo es viele Pubs und Restaurants gibt. Meine Mitbewohner waren auch nett und wir sind ab und zu was trinken gegangen oder haben zusammen gekocht. Meine Miete betrug 410 Pfund (circa 490 €). Die Situation mit meiner Vermieterin, die auch in dem Haus wohnte, war teilweise etwas schwierig. Sie war sehr empfindlich, was Lautstärke und Saubermachen anging, und hatte Phasen, in denen sie sehr schlecht gelaunt war und nicht viel mit einem redete oder einen sogar ignorierte, wenn man sie ansprach. Mit mir konnte sie offensichtlich ganz gut, was aber nicht für zwei meiner Mitbewohner zutraf. Nach einem Monat, den ich dort wohnte, kündigte sie erst einem und drei Wochen vor meiner Abfahrt einem anderen Mitbewohner. Die Begründung waren meiner Meinung nach Lappalien, die sich mit einem ordentlichen Gespräch hätten klären lassen können. Ab diesen Zeitpunkten war ich relativ vorsichtig, da ich keine Lust hatte, mir eine neue Wohnung suchen zu müssen. Was das Finanzielle anging, war meine Vermieterin sehr korrekt und dort gibt es keinen Grund zur Klage.

Leben in Birmingham
Birmingham ist eine sehr interessante Stadt und bietet sehr viel Attraktionen und Unternehmungen. Sie hat ungefähr eine Million Einwohner und ist stark von einer Tradition der Einwanderung geprägt. Es gibt dort Leute aus unzähligen verschiedenen Nationalitäten. Ich persönlich habe nie Spannungen zwischen den verschiedenen Landsleuten mitbekommen und generell wirkt das direkte Nebeneinanderleben von so vielen unterschiedlichen Kulturen sehr unaufgeregt in Birmingham. Im Schnitt sind die Menschen nicht sehr wohlhabend in Birmingham, da sich nach der industriellen Revolution, in der Birmingham eine der wichtigsten Städte des UK war, eine große Arbeitslosigkeit und somit Armut eingestellt hatte. Seit ungefähr zwei Jahrzehnten wird nun vermehrt investiert und viel gebaut, um die Stadt wieder lebenswerter zu machen. Dies gelingt sehr gut, da versucht wird, den alten Charme mit neuen Bauten zu verbinden. Trotz dieser neuen Entwicklung sind die Preise im Vergleich zum restlichen England immer noch niedrig. Vor allem in den indisch und pakistanisch geprägten Stadtteilen kann man sehr günstig gut und authentisch Essen gehen. Auch die Pub-Kultur ist eigentlich allgegenwärtig und die Pubs sind immer ein guter Treffpunkt für alle möglichen Leute.
Dort habe ich auch einen Großteil der Leute kennengelernt, mit denen ich regelmäßig etwas unternommen habe. Da ich nicht in den studentischen Unialltag involviert war, war es relativ schwierig, am Anfang neue Leute kennenzulernen. Zu diesem Zweck habe ich regelmäßig die Pub-Meetings der Couchsurfing Community besucht. Diese finden regelmäßig statt und dort trifft man Leute, die häufig in einer ähnlichen Situation sind und gerne neue Leute kennenlernen. Diese Meetings gibt es eigentlich in jeder etwas größeren Stadt. Ich empfehle jedem, das einmal auszuprobieren.

Arbeit im Praktikum
Die Arbeit während meines Praktikums war sehr interessant. Wie erwartet wurde ich mit der Datenbereinigung und ersten Analysen der Surveydaten betraut. Meine Supervisor im Institut hatten immer ein offenes Ohr für mich, auch wenn sie nicht so häufig vor Ort waren aufgrund von Konferenzen und Vorträgen in ganz Europa. Es gab aber einen regelmäßigen Austausch und ich konnte meine eigene Meinung und eigene Ansichten immer einbringen, wofür sie sehr dankbar waren, da sie, wie bereits erwähnt, nicht sehr vertraut waren mit der Arbeit an quantitativen Daten. In der letzten Woche fand ein internationales Meeting statt, an dem Wissenschaftler aus England und Deutschland, die an dem Projekt mitarbeiteten, teilnahmen. Dort konnte ich einen Großteil meiner absolvierten Arbeit vorstellen und es wurde darüber diskutiert, wie nun weiter verfahren werden sollte, wenn ich nicht mehr da bin. Sie boten mir an, in der Zukunft weiterhin unterstützend mitzuarbeiten und neben einer finanziellen Vergütung (für das Praktikum wurde ich nicht bezahlt) auch an zukünftigen Artikelveröffentlichungen beteiligt zu werden. Abschließend bekam ich zwei sehr positive Praktikumszeugnisse von meinen beiden Supervisoren, in denen sie den Wert meiner Arbeit für das Projekt herausstellten. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass ich als Praktikant einen relativ wichtigen Beitrag leisten konnte und meine Arbeit stets sehr wertgeschätzt wurde. Außerdem habe ich viel gelernt und gemerkt, dass es großen Spaß macht und viel Erfahrung bringt, in einem professionellen Umfeld zu arbeiten.

Fazit
Ich blicke sehr positiv auf meine Zeit und mein Praktikum in Birmingham zurück und kann jedem empfehlen, so etwas auch mal auszuprobieren. Ich habe mich stets wohl gefühlt und festgestellt, dass es schon eine Herausforderung ist, sich in einer unbekannten Stadt in einem anderen Land und in einer Nicht-Muttersprache zurechtzufinden. Ich habe sehr nette Leute kennengelernt, mit denen ich auch in Kontakt bleiben werde und habe wertvolle Erfahrungen im beruflichen Alltag gelernt, die mir mit Sicherheit in Zukunft sehr viel helfen werden.