Vorbereitung
Die Möglichkeit ein Praktikum in Polen bei Volkswagen Nutzfahrzeuge zu machen, ergab sich eigentlich aufgrund einer Reihe glücklicher Zufälle. Nachdem ich letztes Jahr meine Bachelorarbeit geschrieben und abgegeben hatte, habe ich mich auf die Suche nach sinnvollen Aufgaben für die Zeit bis zum Masterstudium gemacht. Fest stand für mich, dass es nicht nur Reisen sein soll, sondern meiner professionellen Entwicklung helfen muss. Also habe ich mich sehr kurzfristig auf die Suche nach Praktika begeben und wurde bei Volkswagen in Hannover fündig. Trotz ursprünglich anderer Profilanforderung, bekam ich die Stelle und begann beim Aufbau eines unternehmensinternen Carsharings mitzuhelfen.
Für mich war dies eine sehr lehrreiche Zeit, die mich jedoch darin bestärkt hat unbedingt auch den Arbeitsalltag im Ausland kennenzulernen. Zumal ich während des Studiums kein Auslandssemester absolvierte hatte.
Folglich hörte ich mich innerhalb des VW Konzerns um und erfuhr, dass die Produktionsstandorte in Polen ebenfalls Interesse an einem Carsharing haben und bewarb mich dort für ein Praktikum. Nach einem Bewerbungsgespräch, in dem ich das laufende Projekt präsentierte, wurde mir das Angebot gemacht für drei Monate nach Poznań zu kommen.
Nun hatte ich aber nur noch 3 Wochen Zeit mir eine Wohnung bzw. ein Zimmer zu suchen und auch alle anderen Dinge, wie Versicherung etc. zu klären. Es stellten sich mir Fragen wie „Wie heißt das polnische Pendant zu WGgesucht.de?“ und „Wie bekomme ich eine Wohnung ohne sie mir vorher angeschaut zu haben?“. An dieser Stelle waren mir diverse internationale Gruppen für Poznan auf Facebook sehr behilflich, sodass ich sehr schnell ein möbliertes Appartement in einem privaten Wohnheim gefunden, bei dem ich den gesamten Buchungsprozess online abwickeln konnte.
Nun hieß es nur noch Zugticket buchen, Koffer packen und los geht’s.

Volkswagen Poznań
VW hat in Polen einen Teil seiner Produktion der Fahrzeugsparte „Nutzfahrzeuge“, wo sie schon seit Mitte der 1990er Jahre vertreten sind. Mittlerweile ist die Produktion auf vier Standorte in Poznan und der näheren Umgebung aufgeteilt. Besonderes Highlight ist vor allem das erst im letzten Jahr eröffnete neue Werk in Wrzesnia, in dem der neue Crafter gebaut wird. An den anderen Standorten ist zum einen der Sonderwagenbau für allerlei Umbauten an Nutzfahrzeugen vertreten, sowie die Gießerei und letztlich die Produktionsorte des Caddys und Transporters.
Überraschend fand ich, dass ein großer Teil der Verwaltungsmitarbeiter sehr gutes Deutsch spricht. Sollte dies einmal nicht der Fall sein, dann ist man dem Englischen mächtig. Dies ist aber auch notwendig, da die unternehmerischen Verflechtungen mit den deutschen Standorten sehr groß und intensiv sind. Zudem sind aktuell wegen des neuen Werks in Wrzesnia auch viele deutsche Expats vor Ort.
Für die Städte Poznań und Wrzesnia ist VWP von hoher Bedeutung, da die Werke zu den größten Arbeitgebern gehören. Somit ist die Marke spürbar präsent, da sich auch viel für die lokale Kultur engagiert wird und eigentlich jeder jemanden kennt, der ebendort arbeitet.

Aufgabenbereiche und Arbeitsalltag
Meine Kernaufgabe war es ein Rahmenkonzept für ein Corporate Carsharing für die vier VWP Standorte anzufertigen. Das hieß zunächst den gegenwärtigen operativen Ablauf und Organisation der Fahrzeugflotte zu analysieren, sich Angebote für den Betrieb eines neuen Systems einzuholen und sich mit Software-Lösungen auseinander zu setzen. Als Geographie-Absolvent waren das für mich in vielerlei Hinsicht neue Aufgaben, aber vor allem auch sehr spannende. Durch das hohe Maß an Eigenverantwortung konnte ich mich kreativ austoben, musste aber stets auch Zeitpläne im Auge behalten, weshalb es auch schon mal stressig werden konnte. Termine mussten also organisiert und Meetings besucht werden, so wie es zu einem richtigen Business-Alltag gehört. Dadurch war es mir möglich das Unternehmen kennenzulernen, indem ich zum einen die verschiedenen Standorte besuchen und zum anderen Einblick in die Unternehmensstruktur und-kultur erlangen konnte.
So konnte ich auch Parallelen in der Arbeitspraxis zu den deutschen VW-Standorten ziehen und vor allem meine Kollegen aus unterschiedlichen Abteilungen kennenlernen. Diese erwiesen sich durchweg immer als hilfsbereit und haben sich auch stets für einen selbst interessiert.
Natürlich beruht Hilfe aber auch auf Gegenseitigkeit. Es hat also ebenfalls zu meinen Aufgaben gehört, einige Präsentationen schnell für Kollegen fertig zu machen, zu recherchieren, Übersetzungsarbeiten auszuführen oder auch einfach mal einen Dienstwagen zur Werkstatt zu bringen.
Leben in Poznań
Poznań ist in der Größe vergleichbar mit Bremen. Das heißt vor allem, dass eigentlich alles in der Stadt sehr schnell erreichbar ist, insbesondere mit dem Fahrrad. Und die Fahrradinfrastruktur ist grandios. Eigentlich ist die gesamte Innenstadt, sowie die Hauptstraßen mit asphaltierten separaten Fahrradwegen ausgestattet. Diese kann man dann am besten mit dem Bikesharing nutzen, welches für die erste halbe Stunde kostenlos ist. Danach wechselt man einfach das Fahrrad an einer der vielen Stationen, die im gesamten Stadtgebiet verteilt sind und der Spaß kann weitergehen.
Ich hatte das Gefühl, dass sich Verantwortliche der Stadt sehr für das Freizeit- und Kulturangebot in der Stadt einsetzen. So finden viele Events statt, die kostenlos sind, wie z.B. Festivals, Open-Air-Kinos und Konzerte. Als ich gerade da war, hat in einer Eisenbahn-Werkstatt ein Kultur- und Musikzentrum aufgemacht, ergänzt durch einen mit Sand ausgeschütteten Außenbereich, in dem Foodtrucks mit allen möglichen erdenklichen Genres an Essen standen. Jeden Tag war es dort möglich entweder eine coole Party mitzunehmen, einfach Essen zu gehen oder mal am Bier-Yoga teilzunehmen. Ansonsten ist der Dreh- und Angelpunkt zum Ausgehen der Marktplatz und seine Seitenstraßen in der Altstadt. Diese ziehen sich bis an den Fluss Warta, an dem die ein oder andere Beachbar zu finden ist.
Zum Sport treiben sind die vielen Seen geeignet, in/an denen man Baden, Rudern, Wakeboarden, Beachvolleyball oder einfach Inline Skaten kann.
Im Grunde habe ich es empfunden, dass Poznań und auch die anderen Städte wie Breslau, Warschau oder Danzig, die ich an den Wochenenden bereist habe, ein deutlich höheres Freizeitangebot für junge Leute zu bieten hatten, als vergleichbare deutsche Städte.
Poznań an sich ist ebenfalls sehr international, was viele von euch ermutigen könnte, auch dorthin zu gehen für eine gewisse Zeit. Es ist eines der beliebtesten Ziele von ERASMUS Studenten in Polen und bedingt durch die hohe Dichte von ausländischen Unternehmen wie McKinsey oder VW, ein beliebtes Ziel von Expats. Darauf haben sich also schon viele Bars und Restaurants eingestellt und generell sprechen fast alle jungen Polen Englisch, wodurch man schnell ihre Offenherzigkeit kennenlernen kann.
Jedoch ist nicht alles schön gewesen. Aktuell herrschen in Polen sehr turbulente politische Zeiten. Die regierende populistische PIS Partei hat es geschafft innerhalb von zwei Jahren die Gesellschaft in zwei Lager zu polarisieren, was sich auch in vielen Alltagssituationen widerspiegelt. Zu meiner Zeit dort fanden gerade Demonstrationen gegen die bevorstehende Justizreform statt, die in den staatlichen Medien scharf verurteilt wurden. Dadurch war auch in bestimmten Zeiten eine aggressive Grundstimmung bei einigen patriotischen Leuten zu spüren. Ich selbst kam in meinen drei Monaten dort in zwei unangenehme Situationen beim Feiern, bei denen ich von PIS-Anhängern verbal angegriffen wurde, mitunter sehr rassistisch. Überhaupt ist tatsächlich der Rassismus ein ernstzunehmendes Problem, welches nicht zu unterschätzen ist. Davon haben mir leider auch einige andere Ausländer berichtet, die damit Erfahrung machen mussten.
Trotzdem ist es sehr faszinierend in einer der polnischen Großstädte zu leben, da es stets etwas zu entdecken gibt.

Fazit
Wie viele möchte ich meine Zeit im Ausland nicht missen. Ich habe wundervolle Erfahrungen beim Arbeiten gemacht, tolle Menschen kennengelernt und die Gelegenheit genutzt in meiner Freizeit Polen zu bereisen. Mal abgesehen davon, dass dieses Praktikum sehr wertvoll für meinen Lebenslauf ist, war es auch sehr wertvoll für mich und meine persönliche Entwicklung. Ich denke festgestellt zu haben wie schnell ich in einem neuen Umfeld zu recht komme und was mir wichtig ist, wenn ich längere Zeit weiter weg von zu Hause bin.
In meinen Augen bietet das ERASMUS Programm eine hervorragende Unterstützung und Möglichkeit den eigenen Horizont zu erweitern und ich empfehle wirklich allen weltoffenen Studenten daran teilzunehmen.