Ausgangspunkt
Ich war bereits vor meinem Erasmus-Praktikum in Östersund gewesen – etwas weniger als ein Jahr vor meinem ersten Praktikumstag habe ich die kleine Stadt aus einem Zug durch halb zugefrorene Fenster zum ersten Mal näherkommen sehen. Anfang Januar, in der kältesten Woche des Jahres (mit bis zu -30°C), bin ich zusammen mit zwei Kommilitoninnen in Östersund angekommen, um unser Erasmussemester anzutreten.

Im Juni, schneller als es sich anfangs anfühlte, war das Semester vorbei und ich noch nicht bereit zu gehen. Klammheimlich hatte sich die Stadt in mein Herz geschlichen und sich mehr nach „Zuhause“ angefühlt als irgendein Ort auf der Welt zuvor. Infolgedessen suchte ich mir einen Ferienjob und blieb noch 3 Monate, schrieb nebenbei die noch offenen Hausarbeiten zu Ende und kehrte schließlich Anfang September ins viel zu warme (20°C… Plus!) Deutschland zurück. Doch das hielt ich nicht lange aus. Eine Woche nachdem ich in Bremen angekommen war, war mir klar, dass ich zurück muss. Dass ich zurück will. Dass ich noch weiter eintauchen will in die Kultur der Stadt, der Uni, dem Arbeitsleben, der Region.

Und so setzte ich mich mit einer Dozentin zusammen und fasste den Plan mich für ein Forschungspraktikum im Fachbereich Psychologie zu bewerben, wurde angenommen, bekam die Erasmus-Unterlagen, zog aus meiner Wohnung aus und saß zweieinhalb Monate später im Flugzeug zurück.

Ankunft und Anfang
Ich habe mich, aufgrund der Erfahrungen, die ich bereits im Auslandssemester gesammelt hatte, im Vorhinein ohne Probleme darum gekümmert, wieder eine der kleinen, 25m2-großen Hütten auf dem Campingplatz, wo beinahe alle international Studierenden unterkommen, beziehen zu können und bin erst zwei Monate später in eine WG in der Innenstadt gezogen. Ich rate übrigens dringend allen, die planen für längere Zeit in ein anderes (zumindest christlich orientiertes) Land zu gehen, sich nicht unbedingt den Dezember dafür auszusuchen. In der Adventszeit bleiben die Leute für sich, es gibt nicht so viele Freizeitangebote wie sonst und man ist dadurch gezwungenermaßen ein wenig einsam (das ändert sich übrigens, wenn man in eine WG und etwas näher an den Stadtkern zieht, was für eine überraschende Erkenntnis… Naja.).

Dasselbe musste ich zum Glück nicht auf der Arbeit erleben: Meine KollegInnen im Fachbereich für Psychologie der Mid Sweden University waren aufgeschlossen, nett und nahmen mich mit offenen Armen auf. Ich hatte sofort dieselben Rechte/Zugänge wie meine KollegInnen, durfte direkt am zweiten Tag an der ersten Verteidigung einer Doktorarbeit meines Lebens teilnehmen, bekam sogar ein eigenes, voll ausgestattetes Büro und musste nicht ein einziges Mal Kaffee kochen. Ich wurde nicht wie eine niedere Arbeitskraft, wie eine „kleine Praktikantin“, behandelt, sondern wurde in Gespräche eingebunden und in Meeting mit dem Team, in dem ich fortan arbeiten sollte, nach meinen Vorstellungen über das Praktikum und den Verlauf des Projektes bzw. die nächsten Arbeitsschritte gefragt.

 

Mitten in der Mitte
Ich fing also zunächst mit etwas Literaturrecherche an, aus der eine Einleitung für eine Art Aufsatz wurde, aus dem eine schriftliche Zusammenarbeit mit zwei meiner KollegInnen wurde, die zu einem Paper wurde, das wir gemeinsam ungefähr auf der Hälfte meines Praktikums auf einer Konferenz in Göteborg präsentiert haben. Ich wurde also einfach so auf eine Konferenz mitgenommen, durfte bei den Vorträgen zuhören, war bei der Präsentation unseres Papers dabei, durfte ein anderes Paper opponieren, mit ForscherInnen aus verschiedensten Teilen der Welt diskutieren, mir ganz nebenbei das Eine oder Andere für eine eventuelle akademische Zukunft abgucken und das Wichtigste und für mich Ungewohnteste, Aufregendste – mein Name stand mit auf dem Paper, als Co-Autorin.

Von dort aus ging es weiter mit dem zweiten Teil des Projekts: Zunächst einer zweiten Literaturrecherche, diesmal jedoch auch bezüglich qualitativer Methodik. Darauffolgend erarbeiteten wir gemeinsam den Rahmen der Forschung, die Forschungsidee, Interessens- und Forschungsdimensionen, den Forschungsplan und überlegten uns die Forschungsmethoden. Anschließend entwarf ich einen Interviewleitfaden, ein Anschreiben für die Akquise und meine Kolleginnen ein Informationsschreiben, auf denen sowohl die Durchführung des Testinterviews (mit anschließenden Anpassungen und Verbesserungen) als auch die der anderen Interviews basiert. Die Meetings dazu waren dabei jedes Mal dynamisch, progressiv bzw. innovativ und gegenseitig interessiert sowie einander zuhörend und raumgebend. Und was ich persönlich besonders geschätzt habe, war, dass die Person als Ganzes, also nicht ausschließlich als „akademisches Arbeitstier“, miteinbezogen wurde. Dadurch schien mir die Zusammenarbeit und generell die Arbeit um eine unsichtbare Barriere erleichtert und insgesamt leichter geworden zu sein – etwas, was ich gerne als Erfahrung aus diesem Praktikum mit- und in mein zukünftiges Arbeitsumfeld hineinnehmen werde.

Der Schluss – vorerst
Nun ist mein Praktikum natürlich vorbei. Typisch für meine Verbindung mit Östersund heißt das aber nicht, dass es vorbei ist. Ich habe das unglaubliche und wunderbare Glück, dass ich vermutlich (im Sinne von „angedacht ist…“) in Zusammenarbeit mit der Mid Sweden University (MIUN) meine Masterarbeit schreiben darf. Das bedeutet, dass ich vermutlich eine Prüferin der Universität Bremen und eine von der MIUN haben werde – das ist zumindest die Idee und der grobe Plan, der mich und meine wissenschaftliche Neugier am Laufen hält. Und ich freue mich schon auf’s nächste Kapitel.