Anreise & Wohnen: Wie auch bei meinem Auslandssemester zuvor, bin ich mit dem Bus nach Belfast angereist, um Flugreisen zu vermeiden und verhältnismäßig klimafreundlich zu reisen. Von meinem Auslandssemester, hatte ich bereits eine Wohnung. Diese hatte ich mir damals direkt vor Ort organisiert, was relativ einfach gewesen war. Dazu hatte ich die websites „gumtree“ und „spareroom“ genutzt. Die Wohnung lag zwar ideal für mein Studium, von meiner Praktikumsstelle war sie allerdings ziemlich weit entfernt, deshalb habe ich mir zusätzlich eine Jahresmitgliedschaft bei BelfastBikes (Fahrradverleih) gekauft. Rückblickend würde ich mir wohl eher ein eigenes Rad kaufen, da die Stationen des Radverleihs oft technische Probleme hatten und nicht im ganzen Stadtgebiet gut verteilt lagen, weshalb einige Gegenden schlecht erreicht werden können. Der öffentliche Nahverkehr in der Stadt läuft über Busse und in einem Stadtteil (Westbelfast, katholische/nationalistische Gegenden) über Taxibusse (Taxis, die wie Busse fahren) ab. Allerdings sind Tickets relativ teuer und die Anbindung einiger Stadtteile schlecht.

Rise Skulptur in West Belfast

Stadt/Land: Belfast ist die Hauptstadt Nordirlands. Die Stadt ist stark geprägt durch den Nordirlandkonflikt, der 1969 mit Riots ausbrach und 1998 mit dem Karfreitagsabkommen befriedet wurde. Im Zentrum des Konflikts steht die Frage der nationalen Zugehörigkeit des Nordirischen Territoriums: Während die protestantische Bevölkerungsmehrheit sich meistens eher als britisch versteht, sehen viele Personen in der beträchtlichen katholischen Bevölkerungsminderheit (mind. 35% seit Gründung Nordirlands in 1920/21) sich eher als irisch. Die Stadt Belfast war eines der Zentren des Konflikts, insbesondere der ökonomisch eher schwache Norden und Westen der Stadt wurden stark durch den Konflikt gezeichnet. Wohnviertel sind sehr segregiert und meistens kann die genaue Straße bestimmt werden, die ein katholisches und protestantisches Viertel abgrenzt.

Park im Norden Belfasts, geteilt durch Friedensmauer

Praktikumsstelle: Die Organisation Falls Community Council (FCC) liegt im Westen der Stadt, auf der Falls Road. Die Gegend ist, wie auch FCC, sehr nationalistisch/irisch/katholisch geprägt. FCC wurde in den 1970ern gegründet, als die Bevölkerung der Gegend stark entfremdet von den fast ausschließlich unionistisch/protestantisch geprägten staatlichen und städtischen Organisationen war. Die Organisation strebt an, die Bevölkerung der katholischen Stadtteile Westbelfasts gegenüber der Stadtverwaltung zu vertreten und als Dachorganisationen für verschiedene lokale zivilgesellschaftliche Organisationen zu sein. Realisiertes Programm: Das Praktikum begann für mich damit, die Organisation kennenzulernen. Zunächst wurde ich durch das Gebäude geführt, den Kolleg*innen vorgestellt und in ihre jeweilige Arbeit eingeführt. Da meinen Vorgesetzten, dem Geschäftsführer Gerry McConville und Claire Hackett, der Abteilungsleiterin für Cross Community Relations (CCR), der ich zugeteilt war, wichtig war, dass ich meinen eigenen Interessen folgen kann, stellten sie es mir frei, an welchen Stellen ich mitarbeiten wollte. Fest eingeplant war ich also nur im „Cultural Awareness Programm“, einem Projekt, das Jugendliche aus verschiedenen politisch-religiösen Hintergründen für gruppenbezogene Themen sensibilisiert. Ziel ist es, den Dialog zwischen verschiedenen Gruppen in der jüngeren Generation zu stärken. Die Gruppen setzen sich aus je einer Klasse von Berufsschüler*innen aus Berufsschulen in dem katholischen und protestantischen Teil von Westbelfast zusammen. Jede Woche werden sie, koordiniert von FCC und den Berufsschulen, in einzelne Themengebiete des „kulturellen Hintergrundes“ der zwei größten, am Konflikt beteiligten Gruppen, also Katholik*innen/Nationalist*innen und Protestant*innenen/Unionist*innen eingeführt. Manche dieser Sitzungen werden gemeinsam gemacht, etwa der Besuch des Fußballstadions der Nordirischen Nationalmannschaft (Da viele Nationalist*innen „Nordirland“ nicht anerkennen und sich einem „Gesamt-Irland“ zugehörig fühlen, ist dieser Ort sehr politisch aufgeladen und protestantisch/unionistisch geprägt). Andere Sitzungen, wie etwa eine Auseinandersetzung mit einem Film über politische Gefangene wurden getrennt durchgeführt. Weitere Programme der CCR Abteilung in die ich involviert war, waren die Organisation von Vorträgen, und Möglichkeiten des Kennenlernens zwischen Mitgliedern unionistischer und nationalistischer Communities.Zum Beispiel gab es eine Tour zu verschiedenen Museen und Gedenkstätten beider Communities in Westbelfast. Die Teilnehmenden waren Frauengruppen aus beiden involvierten Communities. Hier fiel mir besonders auf, dass die Teilnehmerinnen, obwohl viele von ihnen den Konflikt miterlebt hatten, kaum über die jeweils andere Seite Bescheid wussten.

Veranstaltung während des Praktikums

Neben meinen Aufgaben bei CCR wurde ich manches Mal von Claire oder Gerry gefragt, ob ich Aufgaben für sie übernehmen könne oder sie auf Treffen begleiten wolle. Ein Highlight unter diesen Treffen war der Besuch der „Middle East Delegation“: Personen aus dem nahmen Osten, die in eine Befriedung des Nahostkonflikt involviert sind, kamen im Rahmen eines längeren Programms auch für ein paar Tage nach Nordirland um vom dortigen Friedensprozess zu erfahren. Im Zuge dessen besuchten sie auch Westbelfast und wurden von FCC über republikanischer Positionen unterrichtet. Im Alltag musste ich viel Zeit selbst füllen, indem ich auf Kolleg*innen zuging und fragte, ob sie etwas für mich zu tun hätten oder mir mehr über ihre Arbeit erklären könnten. Das lief oft darauf hinaus, dass ich mit auf Treffen ging, Akten sortierte und Bewerbungsfristen für Projektausschreibungen recherchierte. Insofern war das Praktikum sehr abwechslungsreich, interessant und gewährte mir Einblicke in viele verschiedene Arbeitsfelder einer NGO. Allerdings hätte ich mir teilweise auch mehr konkrete und inhaltliche Verantwortung und Aufgaben gewünscht, um selbst mehr praktische Erfahrungen zu machen, anstatt nur zu beobachten. Mit der Zeit bekam ich allerdings auch mehr solcher Aufgaben in denen ich auch Wissen und Fähigkeiten aus meinem Studium anwenden konnte: So überarbeitete ich beispielsweise die Arbeitsmaterialien für ein „Anti-Sectarianism Toolkit“ (Arbeitsmaterialien für einen Kurs, in dem Vorurteile abgebaut werden sollen, die auf der national/ethnisch/religiösen Zugehörigkeit zu den unionistischen und nationalistischen Communities in Nordirland basieren) indem ich erneuerte Statistiken und Berichte, sowie Forschungsergebnisse recherchierte. Außerdem richtete ich die Präsenz von FCC in Sozialen Netzwerken ein.

Friedensmauer in Westbelfast (fotografiert von der protestantischen Seite aus)