Zu meiner Praktikumsstelle
Die Stiftung Polnische-Deutsche Aussöhnung (pl. Fundacja Polsko-Niemieckie Pojednanie, kurz FPNP) leitestet vor allem finanzielle Unterstützung für ehemalige polnische KZ-Häftlinge oder Zwangsarbeiter (Personen, die von den Nazis aus ihrer Heimat verschleppt und unter meist menschenunwürdigen Bedingungen zur Arbeit gezwungen wurden) und arbeitet mit einigen dieser Personen auch direkt zusammen. Außerdem veranstalten und fördert sie Bildungs- und Dokumentationsprojekte über das nationalsozialistische Terrorregime und seine Auswirkungen auf die polnische Bevölkerung und das polnische Territorium.
Insgesamt ist die Stiftung mittlerweile etwas kleiner geworden und zählt sieben feste Mitarbeiter*innen, sowie eine*n Freiwillige*n, der* die jedes Jahr über die Aktion Sühnezeichen vermittelt wird.
Während meines Praktikums konnte ich hauptsächlich in drei unterschiedlichen Aufgabenbereichen mitwirken. Eine der Hauptaufgaben war die Mitarbeit an einer digitalen Datenbank über polnische Kriegsgräber in Deutschland, die online zur Verfügung gestellt wird. Also die Recherche zu Gräbern von meist polnischen KZ-Häftlingen oder Zwangsarbeitern, die durch das nationalsozialistische Regime ermordet und auf deutschem Territorium begraben wurden. Im Jahr 1952 wurde das „Gesetz über Erhaltung der Gräber der Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ erlassen, um den Opfern zu gedenken und die neuen Generationen zu erinnern Vergangenes nicht unvergessen zu lassen. Dadurch hat sich der deutsche Staat dazu verpflichtet Kriegsgräber zu erhalten und aus öffentlicher Hand zu pflegen. Meine Aufgabe war es Daten zu sammeln, Listen der Opfer auszuwerten und zu verarbeiten und die Kommunikation mit der deutschen Verwaltungsseite. Diese Arbeit war zwar teilweise etwas monoton, doch das sensible Thema und Bedeutung der Aufarbeitung hat mich immer wieder motiviert. Es hat mich außerdem gefreut, dass ich Inhalte aus meinem Studium, wie z.B. polnische Sprachkenntnisse oder das Wissen über den polnischen Geschichtsraum, innerhalb meiner Arbeit anwenden konnte.
Ein weiter Part war der Besuch von KZ-Überlebenden. Je einmal die Woche habe ich zusammen mit Juliane, der Freiwilligen der Stiftung, zwei Damen besucht. Es ging vor allem darum, dass wir ein bisschen Abwechslung in den Alltag bringen und die Damen jemanden zum Reden haben. Wir wurden immer sehr herzlich empfangen und es war schön zu sehen, wie es mit jedem Treffen etwas vertrauter wurde. Neben alltäglichen Gesprächen haben sie uns auch manchmal etwas aus ihrer Lagerzeit oder von der Verhaftung erzählt. Auch wenn die Erzählungen von extremer Gewalt und Schrecklichkeit geprägt waren und bei mir vor allem Ratlosigkeit ausgelösten, bin ich trotzdem sehr dankbar, dass sie uns so offen davon berichtet haben. Bei allem Unverständnis, welches allein die Fakten über die Grausamkeit des Nationalsozialismus in mir hervorrufen, ist es umso schlimmer, gegenüber von einer Person zu sitzen, die sie durchleben musste. Es ist aber auch genauso beeindruckend zu sehen, wie sie ihr Leben nach dieser Zeit beschritten haben.
Meine dritte Aufgabe war die Unterstützung bei einer Jugendbegegnung, die in der Nähe des ehemaligen Vernichtungslagers Sobibor stattfand. Schüler*innen zwischen 16 und 20 aus Polen, den Niederlanden, der Ukraine und Deutschland haben sich anlässlich des 76. Gedenktages an den Häftlingsaufstand im Vernichtungslager Sobibor getroffen und an die Opfer gedacht. Zur Vorbereitung haben die Schüler*innen an verschiedenen Workshops und Museumsbesuchen zu den Themen Rassenideologie der Nazis, Verfolgung und Vernichtungslager in Włodawa und Łódź teilgenommen. Auch ich durfte bei allen Veranstaltungen mitmachen.
Diese Jugendbegegnung war sehr spannend für mich und besonders die Arbeit mit Jugendlichen im Bildungskontext möchte ich nun mehr fokussieren.
Neben meinen Hauptaufgaben habe ich auch noch einige Texte übersetzt und Übersetzungen korrigiert und ganz klassische Büroarbeit gemacht. Außerdem konnte ich bei vielen Veranstaltungen der FPNP teilnehmen.
Zu der Stadt Warschau
Warschau ist zwar nicht die schönste Stadt und wirkt architektonisch, vor allem durch die Zerstörung im 2. Weltkrieg, etwas zusammengewürfelt, aber die Atmosphäre der Stadt ist umso schöner. Sie ist ein Magnet für junge Menschen in Polen und vielleicht habe ich mich gerade deshalb so wohl dort gefühlt. Es war nicht das erste Mal, dass ich für längere Zeit in Polen war. Ich habe meinen Freiwilligendienst in Breslau gemacht und reise seitdem sehr häufig nach Polen, deshalb hat es sich ein bisschen vertraut angefühlt, als ich in Warschau angekommen bin.
Die Stadt bietet ein enormes Freizeitangebot, wodurch es mir leicht gefallen ist neue Leute kennenzulernen, durch die ich wiederum neue Orte entdeckt habe. Zum Beispiel ein besetztes Haus, das auch als Veranstaltungsort für Konzerte oder als Ausstellungsort genutzt wird. Dort hatte ich auch die Gelegenheit lokale Bands zu hören. Neben ein paar Konzerten war ich manchmal im Kino, bei Vorträgen oder bei anderen Veranstaltungen und hatte nie Zeit für Langeweile.
Auch einige Museen habe ich mir angeschaut, die teilweise sehr modern gestaltet sind, wie beispielsweise das Polin Museum zu der Geschichte der polnischen Juden. Dank meiner ISIC-Karte (dem internationalen Ausweis für Studierende) habe ich immer den Studentenrabatt bekommen und habe so einen sehr günstigen Zugang zu Kultureinrichtungen wie Museen bekommen. Der Ausweis hat sich aber auch beim Reisen gelohnt, wenn ich mit der Bahn gefahren bin.
Besonders gefallen hat mir die kulinarische Vielfältigkeit. Überall in der Innenstadt und in den angesagteren Vierteln wie Praga gibt es schöne Restaurants aller Küchen in denen man, verglichen mit deutschen Preisen, sehr gut und günstig Essen gehen kann. Oft war ich auch in einer Bar mleczny, einer Art Kantine, in der es die typisch polnischen Gerichte gibt.
Obwohl Polen direkter Nachbar von Deutschland ist, ist vieles ein bisschen anders. Das hat auch mit der Geschichte des Landes zu tun. Ich fand es sehr spannend zwei bedeutende Feiertage in Polen zu erleben. Das war zu einem Allerheiligen, ein katholischer Feiertag, an dem der Toten gedacht wird. Viele Menschen sind nach Hause zu ihren Familien gefahren, um den Tag zusammen zu verbringen und es war schon am frühen Nachmittag sehr bei ruhig bei meiner Arbeit und dass obwohl sich die Büros der Stiftung im Gebäude des Energieministeriums befinden, wo sonst oft ein ziemlicher Trubel herrschte. Als es dunkel wurde, sind dann viele Menschen auf den Friedhof gegangen, um Kerzen auf die Gräber zu stellen. An diesem Abend habe ich mir auch den bekanntesten Friedhof Warschaus angesehen und war beeindruckt von der Menschenmenge und ihrer absoluten Friedlichkeit.
Das Gegenteil dieser Stimmung habe ich am polnischen Unabhängigkeitstag erfahren. Am 11. November wird in Polen die Wiedererlangung der Staatlichkeit nach dem 1. Weltkrieg gefeiert. Viele Warschauer waren unterwegs und haben sich im Zentrum mit polnischen Flaggen und anderen Symbolen versammelt. Aus meiner sehr deutschen Perspektive war es befremdlich so viele patriotisch-historischen Symbole und den starken Nationalstolz, der dadurch hervorgehoben wurde, zu sehen. Vor allem aber hat die Mischung aus teilweise extrem nationalistischen Parolen und einer Art Familienevent Unbehagen in mir ausgelöst.
Dass das Land und insbesondere die Stadt Warschau sehr durch ihre Geschichte geprägt wurde und sie eine starke Rolle im öffentlichen Leben spielt, zeigt sich nicht nur an Feiertagen. Am Anfang habe ich beschrieben, dass die Stadt architektonisch etwas zusammengewürfelt wirkt. Am Kulturpalast, eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Stadt, spiegelt sich beispielsweise die Zeit des Sozialismus wider. Während das Zamek królewski (dt. Königsschloss) an die großen polnischen Könige erinnert. Dieses Schloss wurde aber, wie die gesamte Altstadt, von den Nazis zerstört und erst in den 1970ern wiederaufgebaut. Doch nicht nur die Architektur verrät einiges über sie Geschichte Warschaus. Vor allem sind mir aber die vielen Denkmäler aufgefallen, die häufig an Helden und Opfer von Kriegen und Aufständen erinnern.
Fazit
Ich konnte viel Neues aus meinem Praktikum mitnehmen und Praxiserfahrung bezüglich der Arbeit in einer Stiftung sammeln. Es hat mir sehr dabei geholfen einen Einblick in ein mögliches Berufsfeld nach dem Studium zu erlangen und gezeigt, welche Arbeit mir am meisten Spaß macht. Außerdem habe ich wieder ein bisschen mehr über die polnische Kultur gelernt und hatte eine sehr ereignisreiche und schöne Zeit in Warschau, die ich neben meinem Praktikum gut nutzen konnte, um die Stadt besser kennenzulernen. Und schlussendlich hatte ich natürlich auch die Möglichkeit Polnisch zu sprechen und meine Sprachkenntnisse zu verbessern.
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