In der weiten Ferne des klaren, türkisfarbigen Meeres kann ich zwei Fischerboote erkennen, die sich langsam von der Insel entfernen. Unter meinen Füßen spüre ich den feinen goldenen Sand, der nun langsam von den Wellen verschlungen wird. Hinter mir liegt die Stadt. Ich kann die Kirchenglocken läuten hören und doch konzentriere ich mich auf das zarte Lauschen Meeres. Ein Moment der Ruhe. Nur ich und die Küste Maltas. Der Küstenwind streift mein Gesicht als wollte er mir etwas sagen. Zuerst zaghaft, dann entschlossener, höre ich wie Kyle mich fragt, was denn nun der Unterschied zwischen schwachen und starken Verben in der Deutschen Sprache sei. „Ms., Ms., what’s the difference between weak and strong verbs?“ Und da bin ich. Zurück im Alltag. Zurück im Klassenraum gefüllt mit 21 lernbegeisterten Schülern und Schülerinnen. Ich unterrichte Deutsch als Fremdsprache in der Klasse 9 white, eine durchaus heterogene Klasse, zusammengewürfelt aus maltesischen, italienischen, britischen, arabischen und französischen SchülerInnen. Für einen kurzen Augenblick konnte ich dem Arbeitsalltag entfliehen und in meiner Erinnerung an einen vergangenen Tag leben. Nach wenigen Sekunden jedoch fokussiere ich mich immer wieder auf die Sache, mit der ich eigentlich beschäftigt bin. In diesem Fall war es mein Unterricht. Ich bin stolz, das sagen zu können: mein Unterricht. Seit nun gut zwei Monaten absolviere ich mein Praktikum am Saint Martin’s College auf Malta. Für insgesamt fünf Monate werde ich an der internationalen Schule nach britischem Vorbild arbeiten. Dieses Praktikum fungiert als mein Auslandssemester, was ich als Englisch- und Politikstudentin mit Lehramtsoption für Oberschulen und Gymnasien, kurzum Lehramtsstudentin, gegen Ende des Bachelorstudiums ableisten muss. Zur Wahl standen alle Länder, die Englisch als Amtssprache vorweisen können. Eine kleine Insel  am Meer mit mildem Klima, und Englisch als Amtssprache war sehr verlockend für mich. Also ergriff ich meine Chance und bewarb mich über ERASMUS (ein Förderprogramm der Europäischen Union) um einen Platz. Zur Auswahl stand ein Semester lang zu studieren, genau wie im Inland, oder ein Praktikum in einer Schule zu absolvieren. Auf mich wirkte das Praktikum wesentlich interessanter, da ich in naher Zukunft als Lehrkraft in Deutschland tätig sein möchte und Praxis in meinen Augen oftmals mehr vermittelt als Theorie. Also bewarb ich mich am Saint Martin’s College, da dies eine der wenigen internationalen Schulen auf Malta ist, wo durchweg nur Englisch und kein Maltesisch gesprochen wird.

Die Arbeit am Saint Martin’s College:

Meine Arbeit Saint Martin’s College beschränkte sich die erste Woche lediglich darauf Lehrer und Schüler im Unterricht zu beobachten und Beobachtungskonzepte zu erstellen. Relativ schnell wurde ich jedoch in den Unterricht mit einbezogen und half den Lehrern beim Korrigieren der Hausaufgaben, Erstellen von Tafelbildern, Austeilen von Lehrmaterialien, Kopieren etc. In der folgenden Woche wurde ich von einer Lehrkraft im Fach Deutsch als Fremdsprache gebeten für sie für eine Unterrichts-stunde einzuspringen, da diese erkrankt war. Der Head of School (Direktor) schaute sich meinen Unterricht an und war scheinbar zufrieden damit. Da die Lehrkraft leider noch länger erkrankt sein würde, fragte der Direktor mich, ob ich nicht freiwillig die Klasse 9 white in den Fächern Deutsch und Englisch als Fremdsprache für einige Stunden übernehmen möchte. Ich willigte ein, da ich so viel Erfahrung wie möglich in meinem Berufsfeld sammeln wollte, was ich keineswegs bereue. Die meisten Schüler sind höflich und aufmerksam und der Unterricht mit ihnen macht Spaß. Ganz nach englischem Profil tragen alle Schüler eine vorgeschriebene Schuluniform und Handys sind verboten. Dementsprechend aufmerksam folgen die Lernenden den Unterrichtsverlauf. Ich bin sehr dankbar für jede Unterrichtsstunde und jede Unterrichtsvorbereitung die ich selbst gestalten darf. Sehr hilfreich sind außerdem die ratsamen Ab- und Rücksprachen mit den erfahrenen Fachkollegen. Allgemein lässt sich feststellen, dass es viele Unterschiede zwischen dem St. Martins College auf Malta und den Bremer Schulen, an denen ich bisher Praktika absolviert habe, gibt.

 Tabelle zur Veranschaulichung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Schulen in Bremen und dem St. Martins College:

Schulen in Bremen St. Martins College
Fläche der Schulen oftmals groß Fläche der Schule durchschnittlich groß
Schülerzahl hoch, 900 oder mehr Schüleranzahl liegt bei 300-500
Nicht alle Schüler sind respektvoll gegenüber LK Alle Schüler sind sehr respektvoll gegenüber LK
Keine Schuluniform Schuluniform
Manchmal nur schwarze Tafeln + Kreide Whiteboard + Beamer in jedem Raum
Gebäude sind oft renoviert, modern Gebäude älter, nicht renoviert
2-4 Stunden Englisch pro Woche 6 Stunden Englisch pro Woche
Unterrichtssprache: Deutsch Unterrichtssprache: Englisch
LehrerInnen kennen sich vereinzelt nicht alle untereinander LehrerInnen kennen sich alle untereinander

Des Weiteren gibt es im Saint Martin’s College regelmäßig einen Professional learning day. Dieser Tag findet zwei bis drei Mal im Jahr statt, an dem alle LehrerInnen teilnehmen müssen. Der Tag war wie folgt strukturiert: In vielen Räumen fanden „Vorlesungen“ statt, die von LehrerInnen, die sich auf das Thema vorbereitet haben, gehalten wurden. Alle Lehrkräfte wurden in Gruppen unterteilt und nahmen zeitgleich an den Veranstaltungen teil. Eine Vorlesungen über ein spezifisches Thema dauerte etwa 20 Minuten, danach wurde gewechselt. Diskutiert wurden Themen wie Disziplin beim Lernen, soziale Medien und assessment. Am Ende haben die meisten Lehrkräfte  zusammen gekocht und gegessen. Ich wurde in alle Veranstaltungen wie die anderen Lehrer und Lehrerinnen vollständig eingebunden.

Die Malteser mit all ihren Facetten:

Täglich brauche ich fast eine Stunde Fahrt zur Arbeitsstelle und zurück nach Hause. Obwohl meine Wohnung nur 4,8 Kilometer von der Schule entfernt ist und ganz Malta nur so groß ist wie das Bundesland Bremen, muss man immer mehr Zeit einplanen. Wer schon einmal auf Malta war, weiß, dass der öffentliche Verkehr eine absolute Katastrophe ist. Busse kommen grundsätzlich zu spät oder gar nicht. Wenn die Busse schließlich doch kommen, stehen sie alle fünf Meter im Stau und so wird schnell aus einer eingeplanten 25 Minuten langen Fahrt eine 50-minütige Fahrt. Des Weiteren ist Malta sehr bergig und die Straßen sind oftmals schlecht ausgebaut, deshalb fährt hier kaum jemand mit dem Fahrrad oder Motorrad. Auch Straßenbahnen gibt es nicht. Die maltesischen Einwohner haben sich schon an die tägliche Prozedur gewöhnt und nutzen die Zeit um sich laut miteinander im Bus zu unterhalten. Denn die Malteser sind ein sehr geselliges Volk. Neben Englisch ist auch Maltesisch hier eine Amtssprache und die ältere Generation spricht fast ausschließlich Maltesisch. Die Sprache ist sehr interessant, da sie neben Arabisch und  Italienisch auch Englische und ein paar wenige Französische Einflüsse hat. Ein paar Wörter habe auch ich schon gelernt. Für eine vernünftige Konversation reicht es leider nicht. Jedoch hab ich das Gefühl, das Sonntagsgebet auf Maltesisch unterbewusst gelernt zu haben. In Malta gibt es sage und schreibe 365 Kirchen, für jeden Tag im Jahr eine andere. Der Großteil der Bevöl-kerung auf Malta gehört der katho-lischen Kirche an. Mitte November begangen bereits die Vorbereitungen für Weihnachten wie zum Beispiel eine etwas kitschige Dekoration in jeder Stadt.

Maltas atemberaubende Natur:

Selbst nach zwei Monaten beeindruckt Maltas Schönheit mich noch. Die schlichten, beigen, aus Sandstein gebauten Häuser, welche direkt am Meer liegen. Palmen an den Straßen und in den Städten. Steilküsten, so hoch und beeindruckend. Meer so weit das Auge reicht. Fünf tausend Jahre alte Tempel, die noch gut gepflegt werden und heut zu Tage als Museum fungieren. Malta deckt jeden Interessenbereich ab. Zahlreiche Filme und Serien wurden schon auf Malta gedreht, worauf die Einwohner sehr stolz sind.

 

 

Fazit:

Malta ist ein rundum-Paket. Ich bin sehr zufrieden mit der Wahl mein Auslandssemester auf Malta zu absolvieren. In meiner Arbeitsstelle fühle ich mich sehr wohl und sammle jeden Tag kostbare Erfahrungen. Die Natur die Malta zu bieten hat ist einzigartig und durchaus empfehlenswert. Des Weiteren vermute ich, dass ich die langen und überfüllten Busfahrten mit mitteilungsbedürftigen Maltesern in Deutschland vermissen werde. Womöglich werde ich in Deutschland nie mehr rechtzeitig zum Bus kommen, da ich mich erst wieder an die deutsche Pünktlichkeit und Struktur gewöhnen muss. Ein Semester im milden Malta, inmitten von Menschen mit einer eher lockeren und angenehmen laissez-faire Haltung ist eine Bereicherung für mich als Studentin und als Menschen.