Vorbereitung
Bereits seit Beginn meines Public Health Studiums stand für mich fest, dass ich das vorgesehene Praktikum im fünften Semester in Schweden absolvieren möchte. Nach der Schule hatte ich bereits ein paar Monate auf einer schwedischen Farm gearbeitet und auf diese Weise eine Begeisterung über das Sozial- und Gesundheitssystem hierzulande entwickelt. Meine Initiativbewerbungen versendete ich schon 10 Monate bevor das Praktikum beginnen sollte, da ich sicher gehen wollte einen Platz zu erhalten. An dieser Stelle muss man erwähnen, dass die Art von Praktikum wie wir sie in Deutschland kennen in Schweden nicht existiert. Die Personalbeauftragten wussten also immer nicht so richtig, was ich als Bachelorstudent, ohne bisherigen Abschluss, arbeiten möchte. Während meines Aufenthaltes ist mir immer bewusster geworden, dass es in Schweden tatsächlich ungewöhnlich ist, ein Praktikum während des Bachelorstudiums zu absolvieren. Die Studiengänge an schwedischen Universitäten sind viel praktischer ausgerichtet und Praktika werden, wenn überhaupt, während oder nach des Masterstudiums durchgeführt. Demnach blieben viele meiner Bewerbungen reaktionslos oder ich erhielt nach nachhakenden Anrufen, eine Absage. Dazu muss jedoch erwähnt werden dass ich mich vorwiegend bei nationalen Gesundheitseinrichtungen und Ministerien beworben hatte. Große Konzerne, wie z.B. „Volvo“ als Göteborgs Top-und Hauptarbeitgeber, nehmen auch in Schweden Praktikanten auf. Ich bewarb mich weiter, diesmal an Forschungsinstituten, und erhielt schnell eine Zusage von dem „Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin“ in Göteborg. Von Euphorie überrollt, dass es endlich klappen sollte, sagte ich den Praktikumsplatz zu und mir blieben noch 4 Monate um weitere Vorbereitungen zu treffen und meine Vorfreude zu steigern. Den Praktikumsbeginn legte ich bewusst auf die Woche der „Göteborger Einführungswoche für Erasmusstudenten“, da ich auf diese Weise gerne Anschluss in der Stadt finden wollte, da dies als Praktikant doch manchmal recht schwer fallen kann (Es hat sich im Nachhinein als sehr clever erwiesen und ich habe mich das folgende halbe Jahr mehr als Erasmusstudent, als wie ein Praktikant gefühlt – falls die Möglichkeit besteht, kann ich das also nur empfehlen ). Die Suche nach einer Unterkunft erwies sich leider auch schwieriger als gedacht. In Schweden ist es lange nicht so üblich, im „Kollektiv (schw. für Wohngemeinschaft) zu wohnen wie in Deutschland. Eine richtige Website wie „WG gesucht“ gibt es also auch nicht. Zur Wohnungssuche verwendet man Facebook Gruppen oder die Website „Blocket“. Als Praktikant hat man leider kein Anrecht auf einen Platz im Studentenwohnheim. Dazu kommt, dass der Wohnungsmarkt in Göteborg sehr kompliziert ist und unverhältnismäßig viele Studenten eine Wohnung von ihren Eltern gekauft bekommen, da es oftmals die letzte und auf lange Sicht gesehen, rentabelste Lösung bietet. Viele Familien und Privatpersonen vermieten ein Zimmer unter. Auch ich bin dann letztendlich als „Inneboende“ bei einer netten kolumbianischen Frau und ihrem Sohn untergekommen. Das war definitiv eine Erfahrung der anderen Art und Weise, zwar kann ich jetzt perfekt Reis kochen, jedoch würde ich beim nächsten Mal doch eher eine Wohngemeinschaft mit Studenten bevorzugen. Als dann alles organisiert war, konnte ich das bevorstehende halbe Jahr in Göteborg kaum noch abwarten.
Das Praktikum
Dass die Schweden tatsächlich nicht wirklich wissen, was mit einem Praktikanten ohne bisherigen Abschluss anzufangen ist, habe ich leider auch schnell während meines Praktikums gemerkt. Das Kollegium war sehr freundlich und alle wollten gerne erfahren, worüber ich denn nun meine PhD oder zumindest Masterarbeit bei ihnen schreibe. Auf meine Antwort, dass ich ein Pflichtpraktikum im Rahmen meines Bachelorstudiums absolviere, erhielt ich meist nur ein verdattertes aber nettes Nicken. Meine Hauptaufgabe bestand zunächst aus Dateneingabe. Nicht aus Bosheit, sondern weil vermutlich keiner wusste, welche Aufgaben man mir sonst zuordnen kann. Daraufhin habe ich schnell das Gespräch gesucht, durfte fortan einmal in der Woche helfen Forschungsprobanden zu untersuchen und meine eigene Datenanalyse machen. Jede Chance, einen Professor zu seiner Vorlesung zu begleiten, habe ich außerdem versucht wahrzunehmen. Auf diese Weise habe ich neben meiner Praktikumstätigkeit auch Bachelor- und Masterveranstaltungen von Public Health besucht. Diese haben mich sehr begeistert, sodass ich mich hier für den Master bewerben werde. Die Internationalität (im Master waren unter den 40 Studierenden 20 Nationalitäten vertreten), der damit einhergehende Wissens- und Erfahrungsaustausch und die Synergie von Lehre, Praxis und Eigenständigkeit hat mich begeistert. In Schweden gibt es außerdem nahezu keine Hierarchie und gesiezt wird sowieso maximal die Königsfamilie. In der Gesellschaftskultur ist verankert, dass alle gleich sind. Auffallend war dies zum Beispiel bei der täglichen „Fika“ im Büro (auch genannt: die schwedische Ausrede dafür mehr Süßgebäck zu essen“). Bei der täglichen Fika sitzen alle Mitarbeiter, egal ob Professor, Adminstrative Kraft, Praktikant oder PhD Student zusammen und verzehren Zimtschnecken zu ihrem Kaffee. Währenddessen wird sich über alles, außer Arbeitsthemen, unterhalten. Dieses Miteinander empfand ich als sehr förderlich und angenehm, auch wenn ich zu Beginn nicht verstanden habe, wieso man um 10 Uhr schon die erste Kaffeepause macht wenn die meisten in der Regel erst halb 9/9 auf Arbeit erscheinen. Die schwedische Arbeitskultur ist sehr entspannt und ich erhielt das Gefühl, dass im Allgemeinen mehr Wert auf Qualität, statt Quantität und strikte Regeln, gesetzt wird. Eine studentische Hilfskraft hat mich lachend in der zweiten Woche darauf hingewiesen, dass keiner von mir erwartet dass ich von 9-17 Uhr im Büro bin und ich jetzt aufhören könnte mich als die Deutsche zu beweisen. Durch die mir gegebenen Freiheiten, hatte ich die Möglichkeit mich mit vielen interessanten Kollegen, auch Professoren von anderen Instituten, auszutauschen und habe so einige neue Sichtweisen zu aktuellen Gesundheitshemen erfahren. Neben den Vorlesungen, habe ich auch Fachveranstaltungen oder Tagungen besucht. Aus diesem Grund, empfand ich es nicht allzu schlimm, dass sich mein Praktikum an sich nicht so spannend und abwechslungsreich gestaltet hat, wie gewünscht.
Das Leben
In Deutschland hatte ich bereits schwedische Sprachkurse absolviert und war aufgrund meiner vorherigen Aufenthalte, der Kultur und Sprache sehr vertraut. Das hat sich als sehr vorteilhaft erwiesen. Zwar sprechen hier wirklich alle Personen, jeglicher Altersklassen, ein perfektes Englisch, jedoch bleiben die Schweden auch sehr gerne unter sich Einheimischen. Durch meine Schwedischkenntnisse konnte ich dieses Eis oft sehr schnell brechen und wurde in schwedische Freundeskreise aufgenommen. Die Göteborger sind sehr stolz auf ihre Stadt und woltlen stets zeigen, dass die Stadt offenherziger und aufregender als Stockholm ist (nach Ausflügen nach Stockholm, kann ich das bestätigen). So hatte ich das Glück, gleich zu Beginn die Stadt von motivierten einheimischen Studenten gezeigt zu bekommen. Ich kann also jedem ans Herz legen, sich vor einem Aufenthalt ein paar schwedische Vokabeln anzueignen. Göteborg ist eine fantastische, vielfältige und inspirierende Stadt. Die Schäreninseln vor der Stadt, sind zu jeder Jahreszeit einen Sonntagsausflug wert. Und wenn dies an Natur nicht reicht, so findet man am Delsjön, dem Slottskogen, dem Fernwanderweg „Bohusleden“ oder etlichen Parks Erholung. Allgemein wird in Schweden sehr viel Wert auf Nachhaltigkeit gelegt, alle sind sehr umweltbewusst und aktiv. Wer also das Großstadtleben genauso liebt, wie die Ruhe der Natur, der findet in Göteborg das perfekte Zuhause. Die Entspanntheit am Arbeitsplatz hat sich zum Beispiel auch dadurch gezeigt, dass anfallende Wege zwischen den Fakultäten immer für einen 20-30 minütigen Spaziergang genutzt werden, anstatt die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. In meiner Zeit hier, habe ich auch keine Person kennen gelernt, die nicht regelmäßig Sport treibt. Ein paar deutsche Freunde haben mich zwischenzeitlich gefragt, wieso denn die Schweden so glücklich sind und eine denkbare Antwort wäre die folgende. Neben Respekt, Achtsamkeit, guten Arbeits- und Bildungsbedingungen, scheint es als würde sich die Gesellschaft viel Zeit für sich nehmen und sich nicht hetzen lassen. Einmal habe ich mich etwas darüber beschwert, dass es hier keine belegten Brötchen oder ähnliches „To- Go“ Essen gibt. Meine schwedische Arbeitskollegin ( welche eine Weile in Deutschland gearbeitet hat) hat erwidert, dass man sich hier zum Essen hinsetzt und nicht wie in Deutschland, mit einer Bratwurst in der Hand gehetzt durch die Einkaufsstraßen rennt. Das regt ziemlich zum Nachdenken an und erfüllt vermutlich genau den Zweck, welchen ein Auslandsaufenthalt erfüllen sollte. Man wird sich anderer Kultur, Lebens- und Handlungsweisen bewusst und übernimmt diese für sich. Die Stadt Göteborg hat über 180 Cafes, in einem von diesen kann man den größten Kanelbullar (Zimtschnecke) in ganz Schweden verzehren. Es gibt Veranstaltungen für jeden Geschmack und einiges zu erleben. In 3 Stunden ist man außerdem in Oslo, in 4 in Kopenhagen und nach Stockholm braucht der Flixbus zwar fast 6 Stunden, dafür kosten die Tickets jedoch auch nur 10 Euro.
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