1       Motivation und Erwartung an das Praktikum

Unterschiedliche Beweggründe beeinflussten mich dazu, mein Pflichtpraktikum als Auslandspraktikum zu absolvieren. Während der Schulzeit haben Freunde von mir an Schüleraustauschprogrammen teilgenommen und mir von ihren positiven Erfahrungen berichtet. Ich selber habe  an einem zwei-wöchigen Schüleraustausch nach Frankreich teilgenommen. Dieser Austausch war sehr interessant. Allerdings meiner Meinung nach viel zu kurz, um eine andere Kultur wirklich kennenzulernen. Aus diesem Grund hatte ich mich dazu entschlossen, während meines Studiums dem Wunsch nach einem Auslandsaufenthalt nachzugehen.

Ich habe mich für ein Auslandspraktikum anstatt eines Auslandssemesters entschieden, da ich von Freunden gehört habe, dass man im Rahmen eines Auslandssemesters zwar viele neue Leute aus anderen Ländern kennenlernt, aber nur wenig Kontakt zu Personen aus dem besuchten Land hat. Von dem Auslandspraktikum hatte ich mir daher erhofft, durch die direkte Zusammenarbeit mit Einheimischen, einen besseren Einblick in die Kultur des besuchten Landes zu erhalten.

Die Wahl fiel auf Schottland, da ich vorhabe nach meinem Bachelor nach Schottland zu ziehen. Ich erhoffte mir deswegen speziell die Arbeitskultur und Arbeitsmentalität in Schottland kennenzulernen. Weiterhin erhoffte ich mir, von dem Praktikum einen Überblick über psychologische Arbeit in Schottland zu erhalten. Ich  wollte die Zeit nutzen, um mich in dem anderen Karriere- und Berufssystem eines Psychologen in Schottland zu orientieren.

Mit Hilfe von Mitarbeitern der Universität Bremen konnte ich Kontakt zu Professor Caroline W. herstellen. Sie forscht und unterrichtet im Bereich der Parapsychologie und hat den Koestler Lehrstuhl für Parapsychologie inne. Caroline  bot mir an ihr und der Koestler Parapsychologie Unit (KPU) im Rahmen eines Praktikums zu assistieren.

Ich entschied mich für ein Forschungspraktikum an einer Universität, da ich die Forschungsprojekte während des Studiums immer sehr interessant fand. Allerdings empfand ich die Studentenprojekte auch als etwas unbedeutend. Nach dem Abschluss der Datenerhebung und Analyse war dieses Projekt abgeschlossen und die Daten wurden nicht weiter verwendet.

Von dem Praktikum erhoffte ich mir daher, an einem größeren Forschungsprojekt mitzuwirken, von welchem die gewonnenen Daten eine reale Anwendung finden werden. Ich wollte gerne kennenlernen wie Forschungsprojekte an Universitäten organisiert und realisiert werden. Ferner erhoffte ich mir selber einen Beitrag zu dem größeren Projekt zu leisten und dessen Einfluss in dem Endergebnis wiederzufinden.

Professor Caroline W. forscht in dem Bereich der Parapsychologie. Ich war vor meinem Kontakt mit ihr noch nicht mit dieser Thematik in Berührung gekommen, wodurch ich zunächst etwas unsicher war, was mich erwarten würde. Nachdem ich sie persönlich getroffen hatte und sie mir erklärt hatte was ihre Forschung umfasst, war ich jedoch beruhigt. Professor W. legt einen großen Wert auf statistische Verfahren und Experimente, die gegen Betrug abgesichert sind. Ich sah ein Praktikum mit Professor W. daher als Chance an forschungsbasierte Arbeit an einer Universität kennenzulernen und dabei das mir unbekannte und kontroverse Forschungsfeld der Parapsychologie aus nächster Nähe zu erfahren.

2       Praktikumsstelle

Die ‚University of Edinburgh‘ wurde 1583 offiziell eröffnet und konnte seitdem unter anderem Nobelpreisträger, Olympiasieger und britische Premierminister zu ihren Studenten und Mitgliedern zählen. Die Universität inspirierte Sir Arthur Conan Doyle dazu seinen bekannten Charakter Sherlock Holmes zu entwerfen und war das Zuhause von dem ersten geklonten Schaf Dolly. In der Zählung vom Januar 2017 konnten 37.861 Studierende und 13.425 an der Universität beschäftigte Personen registriert werden. Zu dem Fachbereich Psychologie der ‚University of Edinburgh‘ gehört auch die KPU.

Die KPU wurde 1985 gegründet und es wird unterschiedliche Forschung zu parapsychologischen Themen betrieben. Es wird die Möglichkeit von übersinnlicher Wahrnehmung und Psychokinese durch Verfahren wie die Ganzfeld-Methode erforscht. Außerdem werden die psychologischen Vorgänge hinter dem Glauben an paranormale Vorkommnisse, von paranormalen Erfahrungen und den Täuschungs- und Schwindelmethoden im paranormalen Kontext untersucht. Ein weiterer Punkt mit welchen sich die KPU beschäftigt ist die Geschichte des Paranormalen und wie dieses in der Gesellschaft und Wissenschaft eingeordnet und untersucht wurde. Professor W. hat außerdem ein Studienregister für parapsychologische Studien, mit dem Ziel die methodologischen Verfahren zu verbessern und abzusichern, erstellt. Die KPU bietet Lehre und Studentenprojekte für Studierende der Bachelor- und Masterstudiengänge und für Doktoranden an.

3       Praktikumstätigkeit

Meine Praktikumstätigkeit lässt sich in zwei Bereiche aufteilen. Meine erste Tätigkeit war es Professor Caroline W. bei der Vorbereitung von einer zukünftigen Studie zu unterstützen. Die zweite Tätigkeit war die Doktorandin Ana F. bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Professor W. hatte mir vor Beginn des Praktikums mitgeteilt, dass meine Arbeit an ihrem Projekt nur ca. 50% meiner Zeit beanspruchen wird und ich daher eigenständig bei den Mitarbeitern des Instituts nach weiteren Aufgaben suchen sollte. Nachdem ich Ana bei den Gruppentreffen des Institutes kennengelernt hatte und dort auch von ihrer Arbeit erfahren hatte, habe ich sie gefragt, ob sie meine Hilfe benötigen kann. Ana war begeistert und wir standen seit dem ersten Gespräch konstant in E-Mail Kontakt und haben so meine Arbeit mit ihr geplant. Neben diesen beiden Aufgaben hatte ich auch die Möglichkeit an den monatlichen Meetings der KPU teilzunehmen und mitzuwirken.

Meine Aufgabe in der Vorbereitung von der zukünftigen Studie von Professor W. bestand darin die bestehende Video-Database von vergangenen Studien zu erweitern. Ich hatte einen großen Freiraum in der Auswahl der neuen Videoclips, welches für mich positive und negative Aspekte hatte. Ich empfand es als positive, dass ich uneingeschränkt und kreativ arbeiten konnte. Allerdings konnte diese große Freiheit manchmal auch überfordernd sein, da ich durch diese vielen unterschiedlichen Möglichkeiten manchmal nicht wusste wo ich anfangen oder weitermachen sollte. Ich hatte am Ende des Praktikums das festgelegte Ziel erreicht, worüber sowohl Caroline als auch ich sehr erfreut waren.

Ana habe ich bei einer Replikationsstudie sowohl mit der Datenerhebung als auch mit der Datenanalyse geholfen. Ich habe selber Testungen von Probanden durchgeführt und wurde darauf von Ana vorbereitet. Bevor ich meine Testung durchführen konnte, musste ich selber Probanden finden. Da das Thema Parapsychologie mit Vorurteilen versehen ist, war ich nicht sicher wie auf meine Anfrage regiert werden würde. Nachdem ich mit Freunden und Bekannten in Kontakt getreten war konnte ich jedoch schnell fast 20 Freiwillige vermerken.

Der nächste Schritt meiner Arbeit mit Ana bestand in der Analyse der gewonnen Daten. Für die Analysetätigkeit habe ich mich tiefergehend mit dem bereits an der Universität Bremen erlernten Statistikprogram R auseinandergesetzt und musste neue statistische Verfahren lernen. Am Ende ist uns die Analyse gut gelungen und Ana war sehr zufrieden mit meiner Arbeit.

4       Gewonnene Erfahrungen

Meine größte gewonnene Erfahrung ist die Fähigkeit unabhängig zu arbeiten. Ich glaube, dass ich auch schon vor dem Praktikum durch beispielsweise meine Bachelorarbeit oder Referate während meines Studiums gelernt habe unabhängig zu arbeiten. Diese Fähigkeit wurde während des Praktikums geprüft und ich bin deutlich sicherer geworden mir gestellte Aufgaben eigenständig zu bewältigen.

Das ich meine selbständige Arbeit mit Ana und Caroline in beiden Fällen zu deren Zufriedenheit erledigen konnte und ich positive Rückmeldung erhalten habe, hat dieses mein Selbstbewusstsein gestärkt. Das externe Praktikum war für mich die erste Gelegenheit erlerntes Wissen und Erfahrungen des Studiums in einem Arbeitsumfeld anzuwenden. Daher war ich sehr zufrieden, dass ich meine Arbeit gut erledigen konnte und mir eine hohe Wertschätzung entgegengebracht wurde.

Durch das Auslandspraktikum hatte ich auch die Möglichkeit meine Englischkenntnisse auszutesten und zu festigen. Ich habe eine neue Sicherheit gewonnen und habe das Gefühl, dass ich selbst fachliche und wissenschaftliche Diskussionen auf Englisch gut meistern kann. Zusätzlich hatte ich auch die Möglichkeit die schottische Arbeitsweise und Arbeitsmentalität kennenzulernen. Mir wurde direkt von Caroline angeboten ihren Vornamen zu benutzen und auch alle weiteren Teammitglieder wurden mir mit Vornamen vorgestellt. Ich hatte dadurch das Gefühl, dass es deutlich einfacher war eine persönliche Beziehung zu den KPU-Mitgliedern herzustellen.

Ich hatte durch das Praktikum in der Parapsychologie ferner die Möglichkeit ein für mich neues und unbekanntes Forschungsfeld kennenzulernen. Ich war wie viele andere Menschen der Parapsychologie gegenüber zunächst sehr skeptisch. Ich würde mich auch weiterhin als äußerst skeptisch bezeichnen, allerdings konnte ich die Erfahrung machen, dass die Forschung auf dem gleichen Niveau wie der herkömmlichen Psychologie befindet. Ich nehme daher von dieser Erfahrung ebenfalls mit, dass es gut ist unbekannten Sachen offen gegenüber zu treten.

5       Schottland

Ich habe während meiner Praktikumszeit in Glasgow gewohnt und in Edinburgh gearbeitet. Dadurch hatte ich eine Pendlerstrecke von ca. einer Stunde mit dem Zug zwischen Glasgow und Edinburgh. Allerdings hatte ich auch die Möglichkeit zwei unterschiedliche schottische Städte kennenzulernen.

An Glasgow fand ich den Charme einer alten Industriestadt faszinierend. Obwohl viele der Stadtteile von Glasgow zunächst nicht einladend erschienen konnte ich auch die schöneren Seiten von Glasgow kennenlernen. Besonders gefallen hat mir, dass alte und nicht benutzte Kirchen in Theater oder Pubs umfunktioniert wurden. Die alten und oft sehr schönen Kirchen standen so nicht leer, sondern wurden weiter benutzt. Allgemein hat mir die Pub-Kultur in Glasgow sehr gut gefallen und ich hatte das Gefühl, dass gerade der etwas ‚dunklere‘ und ‚härtere‘ Charme von Glasgow dieses Erlebnis ausgemacht hatte.

Edinburgh stellte einen starken Kontrast zu Glasgow dar. Ich würde Edinburgh als eine alte fast märchenhafte Stadt aus dem Mittelalter beschreiben. Die Häuser erstrecken sich über unterschiedliche Ebenen von Straßen und Fußwegen. So kann es beispielsweise passieren, dass man einen schmalen Gang zwischen zwei Häusern hinuntergeht und von dort unter die Brücke betrachten kann, welche sich zwischen zwei Häuser erstreckt und auf welcher man selber noch vor einen Moment gestanden hatte.

Ein weiterer Punkt, welcher sowohl Glasgow als auch Edinburgh für mich persönlich besonders macht, sind die sehr alten Gebäude in beiden Städten. In Deutschland haben viele Städte nur wenige alte Gebäude in kleinen Vierteln. In den beiden schottischen Städten war man dahingegen permanent von historischen Gebäuden umgeben und man hatte beinah das Gefühl durch ein Stück Geschichte zu wandeln.

Die Schotten und ihre Lebensweise haben mir sehr gut gefallen. Die Menschen waren immer nett und offen. Sie waren außerdem immer für ein kurzes Gespräch zu haben, egal ob ich mich abends in einem Pub befand oder morgens schnell noch ein Sandwich auf dem Weg nach Edinburgh gekauft habe. Ich fand weiterhin, dass die Schotten sehr hilfsbereit waren, egal wie oft ich bei unterschiedlichen Dingen nachfragen musste.

Als einen Nachteil in Schottland würde ich das schlechte öffentliche Verkehrssystem bezeichnen. Buse kamen oft gar nicht oder zu spät und die ‚Subway‘ in Glasgow stellte ihren Betrieb im Vergleich zu deutschen Straßenbahnen sehr früh ein. Dadurch war ich oft auf Taxis angewiesen, um gerade nachts nach einem Pub-Besuch nachhause zu kommen. Die Transportkosten waren daher auch die höchsten Kosten während meines Auslandspraktikums.

6       Resümee

Ich kann mein Auslandspraktikum abschließend als eine gute und aufschlussreiche Erfahrung beurteilen. Ich konnte die unterschiedlichen Facetten der auf Forschung basierten Arbeit kennenlernen. Bei meiner Arbeit mit Caroline konnte ich ein Eindruck dafür bekommen, wie wichtig eine gute Planung für zukünftige Experimente ist. Bei meiner Arbeit mit Ana konnte ich an der Phase der Datenerhebung und Datenanalyse teilnehmen. Außerdem konnte ich während der monatlichen Gruppentreffen einen Eindruck dafür gewinnen wie die Teamarbeit in einem Forschungsinstitut funktioniert. Ich würde daher sagen, dass ich einen sehr guten Überblick bekommen habe wie der Alltag in auf Forschung basierender Arbeit aussieht.

Ich konnte dabei allerdings auch feststellen, dass diese Arbeit wahrscheinlich nichts für mich ist. Ich würde gerne eine praktischere Arbeit kennenlernen. Außerdem würde ich persönlich einen geregelteren Arbeitsalltag bevorzugen.

Ein weiteres persönliches Ziel während des Praktikums war es für mich einen Überblick zu erhalten wie psychologische Arbeit in Schottland funktioniert und welche Karrieremöglichkeiten in Schottland für mich vorhanden sind. Der Austausch mit den Mitgliedern der KPU hat mir sehr geholfen einen Überblick über dieses zu bekommen und ich fühle mich jetzt deutlich sicherer und besser vorbereitet.

Über Ana habe ich außerdem Kontakt zu einem praktizierenden klinischen Psychologen erhalten, welcher mir bereits hilfreiche Ratschläge geben konnte. Weiterhin hatte ich die Möglichkeit im Rahmen meines Praktikums an der ‚University of Edinburgh‘ dort die Karriereberatung zu besuchen. Dort habe ich weitere Ratschläge und Informationen erhalten, welche mir in meiner zukünftigen Karriereplanung nützlich sein werden.

Ich hatte durch das Praktikum weiterhin die Möglichkeit die schottische Kultur und Lebensweise besser kennenzulernen, welche mir wie von mir erwartet sehr gut gefallen haben. Ich fühle mich daher durch das Auslandspraktikum darin bestärkt meinen weiteren beruflichen und persönlichen Werdegang in Schottland zu suchen.