1. Warum hatten Sie sich zum Roots-Praktikum angemeldet und was waren Ihre Erwartungen an das Programm? Welche Vorteile haben Sie für sich in diesem Programm gesehen?
Schon in den ersten Semestern meines Studiums hatte ich Interesse an einem Auslandspraktikum. Schließlich entschloss ich zu Beginn des sechsten Semesters ein Praktikum im Ausland anzutreten. Durch den Ratschlag eine Dozierenden der Universität Bremen wurde ich auf das International Office verwiesen. Hierüber bin ich auf Frau Nurten Kurnaz gestoßen, die das Roots-Programm betreut. Ich sah das Roots-Programm als Möglichkeit meine sprachlichen Defizite in der türkischen Sprache auszubessern und meine Wurzeln zu erkunden, so auch der Name des Programms. Nach dem ersten Kontakt mit Frau Kurnaz habe ich die Bedingungen für das Roots-Programm und das damit verbundene Zertifikat vermittelt bekommen. Diese Bedingungen entsprachen ebenso meinen Vorstellungen und ich formte somit mein sechstes Semester des Studiums nach diesen Bedingungen. Das Programm versprach mir eine direkte Betreuung durch die Koordinatoren und entsprechende Vorbereitungskurse für ein Auslandsaufenthalt, die ich ebenso wahrgenommen habe.

2. Beschreiben Sie kurz das Unternehmen/ die Organisation in dem Sie Ihr Praktikum absolviert haben. Benennen Sie grob Ihre Tätigkeiten.
Durch die begleitende Hilfestellung von Frau Kurnaz, bin ich auf die TAKEV-Schulen gestoßen.
Die TAKEV, Türk-Alman-Kültür-Eğitim-Vakfı (Türkisch-Deutsche-Kultur-Lehrstiftung), sind türkische Schulen, die die deutsche Sprache als erste Fremdsprache vermitteln. Diese privaten Schulen sind in Izmir in drei geteilt.
In Narlidere gibt es zwei Schulen von denen eine von Klasse 1-8 und die andere von Klasse 9-12 unterrichtet. In Karsiyaka gibt es eine zweite Schule für die Klassen 1-8.
Da mein Schwerpunkt in der Lehre in der Primarstufe liegt, entschloss ich mich das Praktikum an der Grund-/Mittelstufe in Narlidere zu absolvieren. An der Schule in Narlidere werden 950 SchülerInnen von ca. 110 Lehrkräften unterrichtet. Die Schule fährt fünfzügig bei einer maximalen Klassengröße von 24 SchülerInnen. Durch die heterogenen sprachlichen Fertigkeiten der SchülerInnen werden einige SuS separat in sogenannten MDU (muttersprachlich-deutscher-Unterricht) Klassen untergebracht, in dem sie gesonderten Unterricht erhalten. Durch meine vergleichsweise starken sprachlichen Kenntnisse wurde ich dem MDU-Team zugeordnet und sollte die Lehrkräfte unterstützen und gelegentlich selbständig unterrichten.
Bei einigen Freistunden nutze ich die Zeit um meine musischen Fähigkeiten im Theaterkurs und im Kunstunterricht als Unterstützung beizutragen. Da die Schule viele Projekte organisiert, wünschten sich einige Lehrkräfte, dass ich ihre Aufgaben gelegentlich kritisch betrachte und meine Meinung dazu äußerte.

3. Welche Erwartungen hatten Sie an Ihr Praktikum in der Türkei? Haben sich diese Erwartungen erfüllt?
Meine Erwartungen an das Praktikum waren relativ überschaubar. Zum einen wollte ich meine sprachlichen Kenntnisse erweitern. Hierfür hatte zuvor zwei Sprachkurse über das Fremdsprachenzentrum der Universität Bremen wahrgenommen. Da ich als Deutschlehrer die deutsche Sprache vermitteln sollte, nutze ich die türkische Sprache selten.
Auch im Lehrerzimmer wurde auf Anweisung der Abteilungsleitung Deutsch gesprochen. So sehe ich nur geringe Veränderung in meinen fachsprachlichen Kenntnissen in der türkischen Sprache.
Trotzdem kann ich sagen, dass meine alltagssprachlich-türkischen Fähigkeiten sich erweitert haben.Dies Geschah größtenteils durch Interaktionen mit Ortsansässigen. Ein weitere Erwartung an dem Praktikum war die Auseinandersetzung mit „meiner eigenen Kultur“ und „meinen Wurzeln“. Zudem wollte ich für eine kurze Zeit aus dem Studentenalltag ausbrechen und an einer Schule tätig sein.

4. Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede haben Sie als Türkeistämmige/r aus Deutschland in ihrer Heimat-und Gastkultur entdecken können? Gab es Verhaltensweisen, die Ihnen fremd waren?
Mein etwa elf Wochen andauernder Aufenthalt in der Türkei führte dazu, dass ich mich immer mehr meiner Umgebung anpasste. Obwohl mir, auch wenn klischeebehaftet, die türkische Kultur nicht fremd war, entdeckte ich einen großen Unterschied.
Zu Beginn des Praktikums war ich noch sehr terminiert und zielstrebig/sorgfältig an meiner Tätigkeit beschäftigt. Bereits am ersten Tag war ich eine Dreiviertelstunde vor dem eigentlichen Unterricht in der Schule. Nach etwa einer halben Stunde sammelten sich die ersten Leute im Lehrerzimmer. Auch während des Unterrichts hielt ich Notizen, reflektierte meine Tätigkeiten und dokumentierte sie. Auch Unterrichtsmaterial wollte ich individueller gestalten, doch es passte nicht in das Bildungssystem.
Im Laufe der Zeit wurde ich von der Gemütlichkeit der „Türken“ mitgezogen und passte mich an. Die anfänglich, man könnte von deutschen Eigenschaften (Pünktlich, Sorgfältig, Zielstrebig), waren nicht mehr vorhanden.
Auch ein ehemaliger Schüler der TAKEV-Schule, der mittlerweile in Heidelberg studiert, ist während seines Gastvortrags an der Schule auf dieses Thema eingegangen.

5. Schildern Sie ein irritierendes Ereignis. Haben Sie dafür eine Erklärung? Denken Sie an das Interkulturelle Training für mögliche Erklärungsansätze.
Da die Schule zum einen Teil neben der deutschen Sprache auch die deutsche Kultur repräsentieren soll, wurde auch an dieser Schule Fasching gefeiert. Ich sah, dass die SchülerInnen sich viel Mühe für ihre Verkleidung gaben, doch war enttäuscht/ irritiert von der Beteiligung der Lehrkräfte aus der Deutschabteilung. Diese Abteilung hatte keinen Einfluss auf die Gestaltung des Faschingsfestes und machte regulären Unterricht. Einige Kinder, die noch in Deutschland zur Schule gingen, sprachen sich mit mir über ihr Enttäuschung hierüber aus. Einen Erklärungsansatz aus dem Interkulturellem Training finde ich nicht und würde davon ausgehen, dass sich keiner zusätzlich Arbeit machen möchte.

6. Wie gestaltete sich Ihr Kontakt zu Ortsansässigen?
Der Kontakt zu Ortansässigen gestaltete sich angenehm, da ich der türkischen Sprache mächtig bin. Auch die offene und warme Haltung der Personen erleichterte den Kontaktaufbau. Bei längeren Gesprächen bemerkten die Ortsansässigen, dass ich nicht aus der Region komme. Dies führte zu netten Gesprächen mit diesen Personen, da sie Fragen zum Leben im Ausland hatten. Ebenso konnte ich Fragen stellen.

7. Schildern Sie bitte ein spannendes oder schönes Ereignis, das sich durch den Kulturaustausch ergab.
Eines abends lernte ich den Koordinator für Deutsch des türkischen Abiturs der TAKEVSchule (Klasse 9-12) kennen. An einem entspannten Abend lernten wir uns beim Essen kennen und er erzählte mir seinen beruflichen Werdegang.
Über das Bundesverwaltungsamt hat er sich nach dreijähriger Lehre in Deutschland ins Ausland versetzen lassen. Zu Beginn war er in Lybien für 7 Jahre und entschied sich im Anschluss in Istanbul tätig zu sein. Nach 10 Jahren in der Türkei zog er nach Izmir und ist dort bereits seit 6 Jahren. Er nannte sich selbst Türke mit deutschem Migrationshintergrund. Ich fand die Bezeichnung interessant, da ich nie von „Gegenstücken“ zu den Deutschen mit türkischem Migrationshintergrund ausging.
Durch diese Begegnung erfuhr ich einige seiner langjährigen Erkenntnisse und Erfahrung mit der türkischen Bevölkerung.

8. Wie hat der Auslandsaufenthalt Ihren Blick auf Ihre persönliche Kultur verändert? Tragen Sie Ihre interkulturellen Erfahrungen nach Ihrer Rückkehr mit in Ihren Alltag? Inwiefern beeinflussen sie Ihr Verhalten, Ihre Einstellung und Werte?
Da der Kulturbegriff bisher für mich ein sehr komplex war, kann ich keine großen Veränderungen wahrnehmen. Ich versuche bei bestimmtem Themen die Perspektive zu wechseln und andere Meinungen zu verstehen und zu akzeptieren.

9. Inwiefern hat der Auslandsaufenthalt Ihre interkulturelle Kompetenz gefördert?
Als eine Person, die aufgeschlossen gegenüber „fremden“ Kulturen ist, fiel mir der Kontaktaufbau nicht schwer. Wichtig war mir, dass ich bestimmte, auch heikle Themen, nicht aufgegriffen habe. Zu diesen Themen gilt insbesondere die Innerpolitik oder auch religiöse Ansichten von Menschen. Eine Regel, die mir von einem Einheimischen übermittelt wurde war, dass ich drei Themen während eines Gespräches vermeiden sollte. Diese drei Themen sind Politik, Religion und Fußball, da es zu viele Missverständnissen führen könnte. Im Laufe meines Praktikums konnte ich somit sensibler mit diesen Themen umgehen und mich somit in Gruppen einbringen ohne auf unangenehme Themen einzugehen.

10. Inwiefern hat das Praktikum Ihre (Fach-)sprachlichen Kenntnisse gefördert?
siehe Abschnitt 3 (Erwartungen an das Praktikum)

11. Wenn Sie jetzt zurückblicken: Welche Vorteile hat Ihnen die Teilnahme am Roots-Programm für Ihren persönlichen und berufspraktischen Werdegang bieten können?
Während des Studiums merkt man früh, dass man als angehender Lehrer wenig Praxiserfahrung sammelt. Durch meine Position als „Deutschlehrer“ an einer türkischen Schule konnte ich diese Erfahrungen teilweise erwerben. Die vorherigen Kurse vom Roots-Programm, insbesondere das interkulturelle Training, schafften interkulturelle Kompetenzen, die den Zugang ins Schulleben (Kollegium, SchülerInnen etc.) erleichterten.
Zudem zeige ich großes Interesse darin eine Stelle als Koordinator für die deutsche Sprache im Ausland anzugehen, da die Arbeitsatmosphäre und die Umgebung mir zusprachen.

12. Sonstige Bemerkungen, wie z.B. zur Betreuung durch das International Office, zum Sprachkurs oder Interkulturellen Training
Das Semester vor dem Praktikum absolvierte ich zwei Sprachkurse zur türkischen Sprache über das Fremdsprachzentrum der Universität Bremen. Diese Sprachkurse waren vom Aufbau sehr unterschiedlich. Das eine Seminar wurde von einem Dozenten der Universität Bremen und Hamburg organisiert, der viel Wert auf die Struktur der Sprache gelegt hat, so dass wir während des Seminars einige Texte selber verfassen und präsentieren sollte. Das andere Seminar wurde von einer Uniexternen Person gestaltet, die während ihres Seminars darauf geachtet hat, dass wir die Sprache kommunikativ anwenden. Ihre Methoden variierten, so nutze sie tagespolitische Themen als Reiz zum debattieren, wendete Lernspiele (z.B. Tabu) oder veranstaltete ein gemeinsames Essen. Beide Kurse erweiterten meine Kenntnisse über die türkische Sprache.
Der Kurs zum interkulturellen Training war durch die Gastdozentin aus der Türkei die erste Herausforderung für das anstehende Praktikum im Ausland. Die Dozentin bot uns an auf drei Sprachen (Englisch, Deutsch, Türkisch) zu kommunizieren, doch die Mehrheit der Gruppe entschied sich den Kurs in der türkischen Sprache zu bewältigen. Ich versuchte mich auch meine Aussagen auf türkisch zu übermitteln und konnte die erste Hürde somit überwinden. Nebenbei haben wir durch zahlreiche Übungen in Gruppen interkulturelle Kompetenzen antrainiert.
Die Betreuung vom International Office war sehr zuvorkommend. Durch den vorab genannten Zielort (Izmir) und die von mir gewünschte Institution Schule, konnte die Betreuung mir schnell mögliche Praktikumsmöglichkeiten heraussuchen.
Während der kompletten Bewerbungsphase konnte man auf die Unterstützung des International Offices bauen. Auch der Kontakt während des Praktikums wurde aufrechtgehalten.