Im Vorfeld
Meine Wahl fiel auf Wien, da ich hier schon einige Leute kannte und deshalb auch während des Lockdowns nicht auf mich gestellt war. Zudem hatte ich im Vorfeld nur Positives über die Stadt gehört. Da ich sehr gerne Sprachen lerne, wollte ich meine Leidenschaft mit dem Praktischen verbinden. Durch Zufall stieß ich auf der Website der Sprachschule auf das Jobangebot und wurde auch ohne Job-Interview direkt angestellt.

Über „WG-Gesucht“ fand ich direkt einige passende Zimmer. Durch meine Bekannten hatte ich klare Vorstellungen von meinem Traum-Bezirk. Mich hat es schlussendlich in den vierten verschlagen, etwa zehn Minuten von meiner Arbeitsstelle entfernt. Der vierte Bezirk ist meiner Meinung nach perfekt: divers, relativ ju ng (unter anderem wegen einiger Studierendenwohnheimen und einer Uni) und nah an allem dran. So waren es knapp 20 Minuten bis zu allen wichtigen Museen und der Haupteinkaufsstraße (Maria-Hilfer-Straße), ebenso wie dem Hauptbahnhof. Ich kann den vierten Bezirk jedem wärmstens ans Herz legen – alternativ sind aber auch der siebte, achte, neunte und 18. nicht zu unterschätzen!

Ein weiterer Vorteil war mein Fahrrad, das mir die Zwischenmieterin zur Verfügung gestellt hatte. Neben dem Ersparnis eines Tickets für den ÖV, ist ein Fahrrad die beste Möglichkeit, die Stadt zu erkunden.

Erster Tag
Der erste Tag begann gegen neun Uhr. Im Vorfeld wurde mir gesagt, dass mit mir noch eine andere Praktikantin anfangen würde, die ich auch zu diesem Zeitpunkt kennenlernen durfte. Betriebssprache war Englisch. Hier kam die Überraschung: neben uns beiden sollten noch zwei andere Praktikantinnen anfangen. Das bedeutete, dass in einem Betrieb von sechs Festangestellten vier Praktikantinnen arbeiteten. Und nicht nur das – später sollte noch ein weiterer Praktikant dazustoßen – trotz nur vier Laptops.

Unser erster Tag begann damit, dass wir eine Führung durch die Räume bekamen, ebenso wie eine kleine Vorstellung aller Mitkolleg:innen. Sie waren allesamt sehr nett und wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut.

Danach wurden wir eingewiesen: neben Social Media waren wir zuständig für verschiedene anfallende Aufgaben im Büro, unter anderem für das Erstellen von Verträgen und des Kursplans sowie für das Abhalten von Job-Interviews.

Corona-Maßnahmen wurden zum großen Teil nicht wirklich beachtet. Wir Praktikant:innen trugen zwar immer Masken, aber alle anderen im Büro nicht wirklich oder falsch. Zudem wurden uns weder Masken noch Desinfektionsmittel zur Verfügung gestellt. In einer Schule, in der ständig fremde Menschen ein- und ausgehen, war ich überrascht, dass kein einziger Corona-Fall während meines Praktikums bekannt wurde.

Der Betrieb
Bei der Sprachschule handelt es sich um einen Franchise-Zweig einer. Sie wurde circa 2015 gegründet und organisiert verschiedene Sprachkurse. Hauptsächlich handelt es sich um Deutsch-Sprachkurse, von A1-C2. Es können aber auch Sprachkurse in 34 weiteren Sprachen belegt werden, solange sich mindestens zwei Interessierte für denselben Zeitraum und dieselbe Sprache interessieren. Die Schule organisiert Firmenkurse, Privatkurse, Intensivkurse (15 Stunden pro Woche) und Gruppenkurse, die entweder einmal oder zweimal die Woche stattfinden. Dafür stehen zwölf Räume zur Verfügung. Neben diesen Räumen gibt es auch die Rezeption, die auch als Hauptbüro dient.

Der Betrieb bestand zum Zeitpunkt meines Praktikums aus sechs festangestellten Personen und einer Werkstudentin.

Aufgaben und Tagesablauf
Ich arbeitete im Wechsel von 9-15:30 oder 11-17:30. Grundsätzlich gingen wir den oben beschriebenen Tätigkeiten nach, wobei es Zeiten gab, in denen es sehr viel zu tun gab, und andere, in denen wir nur die Zeit absaßen.

Leider waren die Arbeitsbedingungen teils belastend. Es scheint ein allgemeines Problem mit dem Management dort zu geben: deutlich wird dies durch scheinbar sinnlose Aufgaben (wie dem Formatieren von Tabellen, oder dem fünften Überarbeiten von allen [!] Kopf- und Fußzeilen aufgrund widersprüchlicher Angaben), unterbezahlte Büromitarbeiter:innen und Lehrer:innen, der Nutzung von gratis Office-Produkten (die häufig zu Problemen führten, da Dokumente nicht gleichzeitig geöffnet werden durften) und einer etwas unangenehmen Arbeitsatmosphäre (gekennzeichnet durch häufige Kündigungen, wie auch während unseres Praktikums deutlich wurde – der Ersatz kündigte dann nach einem Tag ebenfalls). Zudem gab es häufig sexistische Bemerkungen, die trotz vermehrten Hinweisen nicht unterlassen wurden.

Zusätzlich war die Praktikumsanleitung uninformiert über einige Social Media Aspekte. Somit fehlte mir leider ein bisschen eine Lernerfahrung.

Wien
Das Ankommen in Wien mit Ausländern war relativ einfach. Schwerer gestaltete es sich mit den richtigen Österreicher:innen. Trotz eines Ehrenamts im Altersheim und bei einem österreichischen Blog, ebenso wie österreichischen Mitbewohnerinnen, empfand ich es ziemlich schwer, langfristige und gute Freundschaften direkt in Wien aufzubauen. Zudem war es ungewohnt, in einem Land, wo man doch dieselbe Sprache spricht, als Ausländerin zu gelten und sogar öfter darauf angesprochen zu werden (obwohl mir der Begriff „piefke“ zum Glück erspart wurde). Zudem erlebte ich einige Micro-Aggressionen gegenüber Menschen in unserem Umfeld.

Trotz alledem: Wien ist eine Traumstadt. Die Architektur ist wunderschön, die Auswahl an Museen riesig, ebenso wie das kulturelle Leben. Für sechs Wochen meiner Zeit hier waren diese auch geöffnet, sodass ich so gut wie alles von meiner Touri-To-Do-Liste abhaken konnte. Zudem hinterließ mir die eigentliche Bewohnerin meines Zimmers ihr Fahrrad, sodass ich oft lange und ausgedehnte Fahrradtouren machen konnte. Allgemein gibt es viele Grünanlagen, und eine Tradition von Stadtwanderwegen, die man alle schnell erreichen konnte. Das Praktikum war ebenfalls ein großer Glücksgriff in dem Sinne, dass ich neben einem geregelten Alltag auch unglaublich nette Leute kennenlernte, die schnell zu guten Freunden wurden.

Fazit
Erstmal: so negativ wie mein Bericht auch ist – ich bereue meine Entscheidung keine Minute.
Das Praktikum war nicht das, was ich mir gewünscht hatte. Einerseits, weil ich schon einiges an Praktikumserfahrung und Erfahrung in dem Bereich Social Media habe, und deshalb leider nur sehr wenig dort gelernt habe. Zudem herrschte arger Sexismus auf dem Arbeitsplatz, ebenso wie einigem anderen Verhalten, das ich als sehr unprofessionell empfinde.

Trotzdem war mein Leben in Wien eine bereichernde Erfahrung. Ich habe tolle Menschen kennengelernt, schöne Erfahrungen gemacht, viel über andere Länder gelernt (besonders durch meine Mitpraktikant:innen) und hatte zudem die Möglichkeit, Russisch- und Koreanisch-Sprachkurse zu belegen. Auch habe ich gelernt, worauf ich bei der Arbeitssuche besonders in der Zukunft achten werde und was für Ansprüche ich für mein zukünftiges Arbeitsleben habe.

Und zu guter Letzt: vermutlich wird es im Oktober für mich wieder zurück nach Wien gehen.