1. Vorbereitung
Praktikumssuche
Teil des Produktionstechnik-Studiums an der Uni Bremen ist ein Industriepraktikum von 12 Wochen, wobei ich dieses von Anfang an bevorzugt im englischsprachigen Ausland absolvieren wollte. Um meinen präferierten Zeitraum für das Praktikum mit Beginn Mitte Oktober zu bekommen, startete ich ein 4 Monate davor meine Vorbereitungen. Da ich zu damaliger Zeit als studentische Hilfskraft im Fachbereich Technische Thermodynamik angestellt war und mich der Themenbereich interessierte, fragte ich bei meiner Dozentin und Chefin nach, ob sie von ausgesschriebenen Pratikastellen bei ihren Geschäftspartnern wisse oder sie mich vermitteln könne. Ihr fiel spontan das britische Unternehmen Calgavin in Alcester ein und sie gab mir eine kurze Beschreibung zur Firma, welche sich mit Wärmeübertragung beschäftigt. Nachdem ich ihr mein Interesse bekundete, fragte sie bei ihrem dortigen Ansprechpartner, Leiter der R&D-Abteilung, an.
Mitte Juli erhielt ich über meine Dozentin die Nachricht, dass Calgavin eine Praktikumsstelle in der R&D Abteilung für den Zeitraum offen hätte und ich mich bewerben könne. So gab ich Anfang August meine schriftliche Bewerbung ab und erhielt 2 Wochen später eine positive Zusage. Im weiteren Verlauf hielt ich mit dem R&D-Leiter im Unternehmen Kontakt via Mail, der für all meine Fragen offen war und und immer recht schnell antworte.
Für die Praktikumsuche kann ich jedem raten, bei Dozenten/Professoren anzufragen. Es erleichtert die Suche erheblich und man hat dann sowohl in der Uni als auch im Unternehmen direkt einen Ansprechpartner. Auch ist es sinnvoll sich frühzeitig um eine Praktikumsstelle zu kümmern, um den gewünschten Zeitraum zu bekommen, sich um alles weitere zu kümmern (halbes Jahr) und auf eventuelle Absagen reagieren zu können.
Wohnungssuche
Da von der Unternehmensseite keine Unterkunft gestellt wurde, suchte ich nach einer Unterkunft in der näheren Umgebung. Mein Ansprechpartner im Unternehmen schrieb mir, dass die meisten Studenten, die im Unternehmen gearbeitet hatten, in der Nachbarstadt Stratford-upon-Avon gewohnt haben und mit dem Bus gependelt sind. So beschränkte ich meine Suche auf eben diese Stadt und Alcester , wo der Unternehmenssitz ist. Auf spareroom.co.uk fand ich dann in Stratford ein kleines Zimmer für 480 £ pro Monat inklusive Nebenkosten in einer WG.
Für die Wohnungssuche sollte man sich räumlich nicht nur auf die Stadt fokussieren in der man arbeitet, sondern auch die öffentlichen Verkehrsmittel in die umliegenden Städte prüfen, um so für eine Unterkunft in der Nachbarstadt offen zu sein. Dadurch wird das Wohnungs- und Zimmerangebot deutlich erhöht. Die Internetseite spareroom.co.uk ist empfehlenswert und vergleichbar mit wg-gesucht.de.
Versicherung
Versicherungstechnisch wurde das Meiste von meine Unternehmen abgedeckt, sodass ich nur noch eine private Unfallversicherung abschließen musste. Ich habe eine bei der DAAD abgeschlossen, welche speziell für Auslandpraktika von Studenten angeboten wird. Diese war mit Abstand die günstigste und umfangreichste, die ich gefunden habe und wird auch von ERASMUS empfohlen.
Unterkunft
Ich habe mit meinen zwei Mitbewohnerinnen in einem kleinen Haus in Zentrumsnähe von Stratford-upon-Avon gelebt. Stratford, bekannt für seinen berühmten Sohn W. Shakespeare, ist eine Stadt in mit 25.000 Einwohnern der Graftschaft Warwickshire nahe Birmingham. Mein keines Zimmer (7qm ) war möbliert mit einem großen Bett einem Schrank, einem Regal und Boxen untem Bett. Zur allgemeinen Nutzung standen eine vollausgestattete Küche, ein Wohnzimmer im Sofas und TV, einer Toilette und einem Bad zur Verfügung. Einkaufsmöglichkeiten gab es um die Ecke mit einem Shoppingcenter sowie einem Tesco bzw. Aldi.
2. Praktikum
Ziele
Meine persönlichen Ziele dieses Auslandpraktikums waren im Voraus vielfältig. Zum einen gefiel mir das Angebot als Teil eines kleinen Teams in der R&D-Abteilung eine Testanlage zu entwickeln und aufzubauen, um verschiedene Aspekte der Filmströmung und den Einfluss von hiTRAN Elemente zu untersuchen. Diese hatte Ähnlichkeit mit meiner Arbeit als studentische Hilfskraft an der Universität, die ich im Bereich der Meerwasserentsalzung gemacht hatte und mir sehr zusagte.
Auf der anderen Seite wollte ich durch die Erfahrung in Großbritannien zu leben und zu arbeiten einen tieferen Einblick in die britische Gesellschaft und (Arbeits-)Kultur bekommen, um dadurch meinen Horizont zu erweitern und neue Blickwinkel/Perspektiven zu erfahren.
Außerdem wollte ich meine Sprach- und Grammatikkenntnisse in der täglichen Praxis nicht nur anwenden, sondern mein Vokabular auch fachspezifisch erweitern.
Vorstellung des Unternehmens
Das mittelständische britische Unternehmen Calgavin ist im Bereich der Wärmeübertragung tätig hat seinen Sitz im englischen Alcester in der Grafschaft Warwickshire, südlich von Birmingham.
Insgesamt arbeiten bei Calgavin 25 Mitarbeiter, die sich auf die Bereiche Produktion, Logistik, Auslegung/Kundenbetreuung, Einkauf/Verkauf, Verwaltung und R&D verteilen. Das Kerngeschäft von Calgavin liegt sowohl in der Verbesserung von bestehenden, als auch in der Auslegung neuer Rohrwärmeüberträgern, die mit dem dafür entwickelten und hergestellten Produkt hiTRAN ausgerüstet werden. hiTRAN beschreibt ein Drahtgestell, welches in die Rohre der Wärmeüberträger eingeschoben wird. Dadurch wird ein höherer Turbulenzgrad der Strömung erhöht, sodass als Resultat ein höherer Wärmeübergang erreicht wird. Zu den Kunden des vor mehr als 30 Jahren gegründeten Unternehmens zählen internationale Großkonzerne wie zum Beispiel BP, ExxonMobil, BASF, Dow oder auch Lanxess. Um den Wünschen der Kundschaft auch in Zukunft gerecht zu werden, betreibt Calgavin eine eigene Forschung& Entwicklungsabteilung. Diese untersucht in ihren Testanlagen den Einsatz von hiTRAN bei verschiedenen Systemvoraussetzungen, deren Daten nachher in eine Software zur Auslegung von Wärmetauschern mit hiTRANintegriert werden. Darüber hinaus werden auch neue Systeme zur Verbesserung des Wärmeaustausches getestet.
Meine Tätigkeiten
In meiner ersten Woche bei Calgavin bekam ich zu Beginn von meinen Betreuer, dem R&D Manager. eine Führung durch die Firma und wurde den Kollegen vorgestellt. Mein Arbeitsbereich war die R&D-Abteilung, in der ein weiterer Forschungsstudent und eine technischer Mitarbeiter beschäftigt waren. Die Räumlichkeiten bestanden aus einen Testanlagenraum mit einer kleinen Werkstatt, einem Labor mit Arbeitsplätzen und einem Lager. Die restlichen Angestellten arbeiteten entweder in den angrenzenden Produktionshallen oder in einem anderen Teil des Gebäudes in zwei großen offenen Büros.
Zusammen mit einem anderen Kollegen, der zeitgleich mit mir seinen ersten Arbeitstag bei Calgavin hatte, bekamen wir im Laufe der ersten Woche Präsentationen zur Theorie von Wärmeübertragung in Rohren, die Funktionsweise von hiTRAN, die Auslegung von Wärmeüberträgern mit hiTRAN und Kondensation bzw. Verdampfung in einer Röhre vom Leiter der R&D-Abteilung. Die Präsentationen empfand ich als sehr hilfreich, da zum einem mein Wissen aus der Universität im Bereich der Wärmeübertragung und der Strömungslehre wieder aufgefrischt und zum anderen mein Verständnis über die Funktionsweise von hiTRAN deutlich verbessert wurde. Auch gab der Chef eine Präsentation zum Unternehmen selbst, in der die Geschichte, das Tagesgeschäft bzw. große Projekte sowie die zukünftige Entwicklung und Ausrichtung der Firma beleuchtete. So bekam ich auch einen Einblick in das operative Geschäft.
Im weiteren Verlauf meines Praktikum wurde für alle Mitarbeiter im wöchentlichen Zyklus einerseits Fortbildungen im Rahmen von sogenannten Webinars gegeben und andererseits präsentierten Abteilungen ihrer Ergebnisse oder Jahresberichte, sodass man auch einen Überblick bekam, was in den anderen Abteilungen passierte.
Insgesamt fühlte ich mich schnell in das Team integriert und hatte vielfältige und abwechslungsreiche Aufgaben im Unternehmen. Einerseits führte ich Tests zum Wärmeübergang bei hochviskosen Flüssigkeiten mit hiTRANs an einem bestehenden Versuchsstand durch, andererseits konnte ich selber kleine Versuchsstände für zwei Phasen Strömungen (Kondensation und Verdampfung) entwerfen und bauen. Auch durfte ich technische Illustrationen für Präsentationen am PC zeichnen und dadurch neue Fähigkeiten aneignen.
3. Alltag und Freizeit
Formalitäten
Um in England ein Einkommen zu erhalten, ist es notwendig ein britisches Konto zu besitzen, da so die Steuern eingetrieben werden. Die Kontoeröffnung war in meinem Fall (bei der Lloyd-Bank) recht unkompliziert. Es war lediglich ein Nachweis für einen Wohnsitz in UK notwendig. Dafür wurde mein Mietvertrag in Kombination mit einem Schreiben von meinem Arbeitgeber akzeptiert.
Öffentliche Verkehrsmittel
Da ich während meines Aufenthaltes kein Auto zu Verfügung hatte, war ich auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Das 4-Wochen-Ticket für den Bus, den ich täglich zur Arbeit nutzte, kostete 70.80£. Dieser fungierte am Morgen auch als Schulbus, sodass es dann immer ziemlich voll war. Zu erwähnen ist, dass man auf jeden Fall den Bus an der Bushaltestelle stoppen sollte, wenn man einsteigen möchte. Andernfalls kann es sein das er einfach vorbei fährt.
Für Ausflüge an Wochenenden habe ich meisten den Zug genommen. Startford-upon-Avon hat einen eigenen Bahnhof mit Direktverbindung nach Birmingham, Leamington Spa und London Marylebone. Wichtig ist dabei zu beachten, dass sich das Preissystem immer an peak- (Hauptverkehrszeiten: meistens 7-10 Uhr und 16-19 Uhr) und off-peak-Zeiten gekoppelt ist. Der Preisunterschied kann erheblich sein. Auch lohnt es sich immer ein return-Ticket zu kaufen, da es fast genauso teuer ist wie ein einfaches Ticket.
Billiger geht es meistens mit Reisebussen, jedoch war Stratford nicht so gut an das Netz angeschlossen. Dafür ist Birmingham, mit Verbindungen ins ganze Land, als Ausgangsort besser geeignet. Von dort bin ich zu meinem Trip nach Cardiff gestartet und habe keine negative Erfahrungen gesammelt: der Bus war pünktlich und sauber.
Allgemein
Mein Tag an Werktagen startete immer um 8.10 Uhr mit einer Busfahrt von Stratford-upon-Avon nach Alcester, sodass ich pünktlich um 9 Uhr zur Arbeit erscheinen konnte. Dort arbeitete ich mit einer halbstündigen Mittagspause bis 17 Uhr, um dann nach Startford zurück zu kehren. In den Abendstunden nutzte ich an zwei Abenden um Sport zu treiben. Zum einen ging ich im Leisure Centre (bietet diverse Sportarten an) in Stratford schwimmen und zum anderen spielte ich mit meiner Mitbewohnerin in der Nachbarstadt Squash. Allgemein lässt sich sagen, dass Stratford viele Ausgeh-und Shoppingmöglichkeiten bietet. Dies liegt wahrscheinlich vor allem daran, dass Stratford-upon-Avon die Shakespeare-Stadt ist und von Touristen aus aller Welt besucht wird. Es gibt zahlreiche Pubs, Bars und Restaurants sowie viele Geschäfte auch internationaler Marken. Man kann viele Sehenswürdigkeiten (meistens mit Bezug zu Shakespeare) besichtigen, einfach am Fluss Avon entlang spazieren, ins Kino gehen oder sich ein Stück in der Royal Shakespeare Company angucken. Letzteres kann ich nur empfehlen, da ein Studenten-Ticket lediglich 5£ kostet.
An Wochenenden eignet sich Stratford gut um Ausflüge wie z.B. nach Birmingham (40min), Oxford(1h), London(2h) zu machen.
Auch habe ich mir ein Fahrrad zugelegt, jedoch sollte ich darauf hinweisen, dass in England außerorts ein allgemeines Fahrradwegenetz so gut wie nicht existiert, sodass man meistens auf Straßen fahren muss.
Beachten sollte man außerdem, dass die Mieten und Lebenserhaltungskosten (insbesondere London) in Großbritannien sehr hoch sind. Da auch der Wechselkurs 1 Euro ≈0,85 Pfund nicht zu deutschen Gunsten ausfällt, ist ein GB-Aufenthalt von Deutschland aus mit Euro finanziert sehr teuer.
Fazit
Zum Abschluss kann ich über mein Praktikum bei Calgavin Ltd. ein positives Resümee ziehen. Durch das gute Betriebsklima und die sehr netten und hilfsbereiten Mitarbeiter der Firma fühlte ich mich schon am ersten Tag sehr wohl, was den Einstieg erheblich erleichterte. Auch mit der englischen Sprache kam ich sehr gut zurecht, wenn auch der Birmingham Akzent mancher Personen mir anfangs einige Probleme bereitete.
Somit blicke ich auf eine interessante und erfahrungsreiche Zeit zurück, in der ich einen Einblick in den Alltag und den Tätigkeiten in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung erhalten und neben meinem Fachwissen über Wärmeübertragung auch meine englische Sprache verbessern konnte.
Auch allgemein habe ich mich sehr wohl gefühlt in England und habe viel in meiner Zeit dort gesehen und erfahren, sodass es eine große persönliche Bereicherung für mich war.
Ich kann jedem nur empfehlen ein Auslandspraktikum oder –semester zu machen.
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