Ich habe an der Universität Bremen Produktionstechnik im Master studiert und war nach meinem Abschluss als Erasmus-Forschungspraktikant in einem Projekt für vier Monate im Bereich Materialwissenschaften and der Tampere University tätig.

Wohnungssuche
Bei der Wohnungssuche wurde ich von meinem Supervisor im Voraus mit einschlägigen Tipps versorgt, sodass ich zügig über die ansässige private Wohnungsgesellschaft TOAS (vermittelt Studierendenwohnungen) ein günstiges Angebot für ein Zimmer in meiner gewünschten Wohngegend erhalten habe. Das ganze Prozedere ist sehr unkompliziert und die Abläufe sehr zuvorkommend für ausländische Studierende gestaltet. Mein Zimmer war in einer 3er-WG in einem Wohnblock (Paawola) in Hervanta, einem Stadtteil im Süden Tamperes, in dem sich auch der Campus des technischen Teils der Tampere University befindet. Sauna und ein bescheiden ausgestatteter Fitnessraum waren in der Miete inbegriffen. Die Mitbewohnenden werden von TOAS zusammengewürfelt, wobei sich überwiegend Menschen gleicher Nationalität in einer Wohngemeinschaft wiederfinden. Die Wohnungen sind spartanisch, aber funktional mit dem nötigsten eingerichtet. Es fehlt jedoch jeglicher Inhalt in den Schränken (Küchenausstattung, Putzzeug, etc.). Es werden daher aber Küchen- und Survivalpakete (Bettzeug, Bettwäsche, Lampen, Töpfe, Pfannen, Besteck, Teller, Messer, Käsereiben, Schäler, usw.) durch das Studierendenwerk als Leihgabe ausgegeben.

Die Universität
Die Tampere University besteht in ihrer Form seit knapp einem Jahr und ging aus der Fusion drei eigenständiger Hochschulen, der technischen Hochschule, der Kunsthochschule und der Tampere University hervor. Bis heute laufen daher noch nicht alle verwaltungstechnischen Abläufe reibungslos. In meiner Position als Forschungspraktikant (und nicht Austauschstudent) war es mir aufgrund bisher nicht gelöster bürokratischer Hürden beispielsweise nicht möglich, Teil des Studierendenwerks (Trey-Union) zu werden und so von den entsprechenden Vorteilen zu profitieren, obwohl ich offiziell den Studentenstatus habe und ja auch noch an der Universität Bremen immatrikuliert war. In meiner Rolle als Hochschulpersonal war es mir dennoch problemlos möglich, an einigen Kursen, wie zum Beispiel einem Finnisch-Sprachkurs an der Uni, teilzunehmen. Die Ausstattung der Uni hat mich sehr beeindruckt. Die Labore sind überwiegend auf dem neuesten Stand und mit sehr guten Geräten ausgestattet. Daneben ist allen Studierenden und Angestellten der Zugang zu einer großen Werkstatt, dem FabLab (Digital fabrication Lab for learning and innovation) möglich.

Es gibt mehrere Mensen (Ravintola) auf dem Campus, welche als Buffet aufgebaut sind. Das Gericht kostet 2,70 Euro und die Portionsgröße darf selbst bestimmt werden. Allerdings gibt es keinen Nachschlag. Es werden immer auch vegetarische Alternativen angeboten. Kulinarische Höhenflüge sind nicht zu erwarten, da sucht man in der finnischen Küche aber generell lange. Wobei Geschmäcker ja aber auch (zum Glück) verschieden sind. Der Zugang zu allen Gebäuden erfolgt über eine Keycard und ist jederzeit möglich. Alle Gebäude auf dem Campus sind miteinander verbunden, sodass einem auch Schneestürme nichts anhaben können. Kleiner Tipp: Hausschuhe für die Uni sind sehr zu empfehlen um Käsefüße nach einem Tag in Winterschuhen zu vermeiden.

Freizeit und Umgebung
Sehr positiv ist mir außerdem das umfassende Sportangebot durch die Uni aufgefallen. Für knapp 60 Euro erhält man einen Zugang zu allen Sportanlagen der Uni für das gesamte Semester. Die Kursangebote und Trainingszeiten in den verschiedenen Hallen und Standorten sind online über eine Kalendertool einsehbar. Angeboten werden beispielsweise Basketball, Eishockey, Hockey, Futsal (Hallenfußball) und Badminton. Für ausgefallenere Angebote wie etwa Yoga, Langlaufskifahren und Kravmaga werden teilweise Aufschläge verlangt. Fast überall in Hervanta finden sich Eisflächen zum Schlittschuhlaufen und in der Umgebung gibt es zahlreiche sehr gut gepflegte Langlaufloipen. Es ist generell sehr einfach seine Freizeit in Tampere mit vielfältigen Aktivitäten zu füllen. Es gibt für fast alles einen Club oder Verein indem die Mitgliedschaft für ein Semester fast überall lediglich 5 Euro kostet. Ich kann sehr den Fotografie-Club Vastavalo empfehlen, wo Filmfotografiebegeisterte nicht nur Gleichgesinnte, sondern auch ein sehr gut ausgestattetes Fotolabor mit Darkroom vorfinden werden. Vorteil an dem Leben in Hervanta, wenngleich 20 min mit dem ÖPVN vom Stadtzentrum entfernt, ist definitiv die Nähe zur Natur. Nur wenige Gehminuten entfernt lädt die atemberaubende finnische Natur mit immergrünen Wäldern und unzähligen Seen zum Joggen, Wandern, Eisbaden und Langlauf ein. Wem das noch nicht genug ist, kann zusätzlich sein Abendprogramm mit den vielfältigen Angeboten der Studierendenvereinigungen (Kneipen- und Clubtouren, Saunaparties, Ausflügen) füllen. Viele der Angebote sind dabei speziell für Austauschstudierende. Wer in Tampere aber auf der Suche nach Subkultur ist, sucht leider auch hier etwas länger.

Fazit
In Finnland, und speziell in Tampere lässt es sich definitiv sehr gut leben. Mit der Zeit versteht man, was es mit der finnischen Genügsamkeit und Zufriedenheit auf sich hat und lernt sie zu schätzen. Ich würde jedem raten, offen auf die Menschen vor Ort zuzugehen und auch etwas Proaktivität an den Tag zu legen, um schneller Anschluss zu finden. Das gilt wahrscheinlich bei jeder Auslandserfahrung, kann aber vor allem in Finnland nicht schaden und das Ankommen beschleunigen. Finanziell ist es auch ratsam sich trotz der Erasmus-Förderung vor dem Aufenthalt ein Puffer anzulegen, da auch Finnland in Skandinavien liegt. Finnland hat definitiv kulturell, historisch und landschaftlich einiges zu bieten und besitzt dabei seinen ganz eigenen Charme, den man zugegeben aber manchmal auch mögen muss. Die Erfahrung ist es allemal wert.