Mein Interesse das im Curriculum des Studiengangs integrierte vierzehnwöchige Pflichtpraktikum bei der Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der Europäischen Union absolvieren zu wollen, wurde bereits früh geweckt. Wichtig war mir, meiner Begeisterung für die Interessenvertretung auf der EU-Ebene nachzugehen, mit dem Hauptinteresse der Außenpolitik, insbesondere derer der Institutionen, Organisationen und Verbände der Europäischen Union. Ich fand es immer faszinierend, wie einzelne Akteur*innen mit teilweise vollkommen unterschiedlichen Zielen in einer globalisierten Welt auf diplomatischem Wege Konflikte lösen und zusammenarbeiten. Insbesondere im Hinblick auf transnationale Zusammenhänge zwischen dem Deutschen Recht sowie dem europäischen und internationalen Recht.
Da mein Studienabschluss ebenfalls auf Tätigkeiten in internationalen und europäischen Behörden, Verbänden und Organisationen sowie in grenzüberschreitend tätigen Unternehmen ausgelegt ist, stellte sich ein Pflichtpraktikum in Brüssel als ein spannender Weg dar, das Alltagsgeschehen der europäischen Außenpolitik hautnah mitzuerleben.
Da meine Zeit in Brüssel zunehmend von den Ausnahmesituationen der Coronavirus-Pandemie geprägt wurde, habe ich 2/3 des Pflichtpraktikums in Brüssel bei der Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der Europäischen Union vor Ort absolviert. 1/3 galt es dann unter den gleichen Konditionen und Aufgabenbereichen in der Europaabteilung der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa in Bremen zu arbeiten, welches im Nachhinein ebenfalls einen spannenden Aspekt darstellte.
1. Beschreibung der Praktikumsinstitution
Eröffnet wurde die Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der Europäischen Union 1987 und repräsentiert das Land Bremen primär bei europäischen und internationalen Organisationen in Brüssel, Straßburg und Luxemburg. Neben ihrer Funktion, das Land Bremen nach außen hin zu repräsentieren, zählt es auch, die für Bremen relevanten politische Entscheidungsprozesse sowie relevanten Rechtsakte bei den europäischen Institutionen frühzeitig zu erkennen, zu bewerten und den Senat wie auch seine Dienststellen in aufbereiteter Form darüber zu unterrichten. Sie steht in enger Zusammenarbeit mit der Vertretung des Landes Bremen beim Bund in Berlin sowie der Europaabteilung der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa in Bremen, die allerdings alle eigenhändig voneinander agieren. Des Weiteren fungiert die Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der Europäischen Union als „Schaufenster Bremens und Bremerhavens in Brüssel“, indem sie repräsentativ Kultur- sowie Politikveranstaltungen, Besucher*innenprogramme und Konferenzen organisiert oder ihre Räumlichkeiten für eben solche Begegnungen zur Verfügung stellt.
Nicht von unerheblichem Maße für ihre Aufgabe gilt zudem das Aufrechterhalten vorhandener sowie die Knüpfung neuer Kontakte zu diversen Entscheidungsträger*innen. Ihr weitreichendes Netzwerk an Kontakten ermöglicht der Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der Europäischen Union Senat und Bürgerschaft, Verwaltung, Wissenschaft, Wirtschaft und Verbänden mit Entscheidungsträger*innen auf europäischer Ebene zusammenzubringen, den Informationsaustausch fortlaufend voranzutreiben und somit ihrer Aufgabe als Ansprechpartner bei den EU-Organen gerecht zu werden. Auch hilft sie in Bezug auf europäische Förderprogramme, Förderpotenziale für das Land Bremen zu erkennen und begleitet diese unterstützenden mit entsprechenden Anträgen auf Fördermittel.
Insbesondere zu Zeiten von Distanz und Abstandsregelungen ist es daher von enormer Wichtigkeit, Netzwerke aufrecht zu erhalten und zu pflegen. Die Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der Europäischen Union setzt daher unter anderem auf Präsenz sowie Organisation von digitalem Austausch in Form von Dialogveranstaltungen und Diskussionsrunden.
Insgesamt beschäftigt die Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der Europäischen Union zehn Mitarbeiter*innen. Nicht eingerechnet sind Praktikant*innen und Hospitant*innen, deren Zahl zwischen null und drei schwanken kann. Die Stellen setzen sich aus einer Abteilungsleitung, die die Leitung der Europaabteilung der Bremer Verwaltung innehat, einer Referentin für die Geschäftsstelle zur Koordinierung der Deutschen Delegation im Ausschuss der Regionen, sieben Spiegelreferent*innen der Fachressorts aus dem Bremer Senat und zwei Sekretärinnen zusammen. Insbesondere die Spiegelreferent*innen befassen sich mit den Aufgabenbereichen der Senator*innen auf europäischer Ebene und setzen sich somit mit fachspezifischen Inhalten und Entwicklungen auseinander. Diese Angelegenheiten umfassen dabei unter anderem die Bereiche Umwelt, Finanzen, Wissenschaft, Arbeit bis hin zu Soziales und Inneres sowie EU-Rechtsgrundlagen.
Anzumerken ist, dass es sich insgesamt um ein recht überschaubares Team handelt und es daher keine festen, hierarchischen strukturierten Kommunikationsabläufe gibt. Vielmehr wird das meiste in Form von direkter Unterhaltung geklärt. Jeden Donnerstagmorgen gibt es zudem den sogenannten „Jour Fixe“, bei welchem teamrelevante Informationen besprochen werden.
Meine Zeit in der Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der Europäischen Union habe ich zum Teil als einzige dort beschäftigte Praktikantin verbracht. Betreut wurde ich primär von dem Spiegelreferenten für Soziales, Jugend, Frauen, Integration, Sport sowie Entwicklungszusammenarbeit. Aber auch durfte ich viel mit der Spiegelreferentin für Inneres, Justiz, Medien, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik und EU-Rechtsgrundlagen zusammenarbeiten sowie anderen Spiegelreferent*innen in diversen Angelegenheiten über die Schulter schauen und unterstützend zur Seite stehen.
2. Tätigkeitsbereich und wesentliche Aufgaben während des Pflichtpraktikums
Mein Pflichtpraktikum begann am 24.08.2020 und endete am 30.11.2020. Die gesamte Dauer belief sich dementsprechend auf 14 Wochen. Der zeitliche Umfang betrug stets 40 Stunden pro Woche. Mir stand es grundsätzlich frei, meine Arbeitsstunden flexibel zu wählen, dementsprechend entschied ich mich, um 9:00 Uhr zu beginnen und je nach Arbeitsaufwand gegen 18:00 Uhr den Feierabend anzutreten.
Meine Arbeit bestand primär darin, meinem betreuenden Spiegelreferenten in Angelegenheiten seines Fachressorts zu unterstützen. Diese Zuordnung bestimmte dementsprechend auch die Themen, mit welchen ich mich auseinandersetzte. Dennoch durfte ich bei Interesse stets einen Einblick in die anderen Fachressorts erhalten und wurde im Gegenzug auch oft um Unterstützung zu diversen europarechtlichen Themen gebeten oder auf diverse interessante Veranstaltungen und Arbeitskreise, die bedingt durch die Coronavirus-Pandemie natürlich nur in digitaler Form stattfanden, in allen Bereichen eingeladen.
Zu meinen Aufgaben gehörte es zunächst, mich inhaltlich in gewisse politische Vorgänge zu vertiefen, um mir und meinem Betreuer einen Überblick zu verschaffen. Konkret schrieb ich des Öfteren an Ausschussvorlagen für den Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten der Bremischen Bürgerschaft mit oder verfasste Berichte und Vermerke für die Senator*innenhäuser, in welchen ich diverse relevante Dokumente der Europäischen Kommission wie Strategien, Ratsempfehlungen oder Mitteilungen gezielt ausfindig machte, ihre rechtliche Wirkung untersuchte und zusammenfasste.
Dauerhaft durfte ich mich intensiv mit allen Angelegenheiten des Fachressorts meines betreuenden Spiegelreferent befassen. Daraus ergaben sich meine thematischen Schwerpunkte, welche waren
(1) Strategie für die Rechte von Opfern
(2) Stand des Brexits, insbesondere im Bezug auf die Soziale Sicherung
(3) Stärkung des Europäischen Jugendaustauschs zu Zeiten der Coronavirus-Pandemie
(4) Stand des europäischen Lieferkettengesetzes
(5) EU-Kindergarantie
(6) Stand der Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere im Bezug auf die Neuverhandlungen des Cotonou-Partnerschaftsabkommens, des Instruments für Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Kooperation (NDICI) und dem neuen Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung plus (EFSD+)
(7) Lage der Union 2020
(8) Richtlinie zur Einführung europaweiter Mindestlöhne
(9) Strategischer EU-Rahmen für Gleichstellung, Inklusion und Partizipation von Sinti und Roma
(10) Gleichstellungsstrategie die Rechte von LGBTIQ
Ebenfalls war es Teil meiner Aufgabe, thematisch relevante Veranstaltungen ausfindig zu machen und diese für meine Dokumentation zu nutzen. Da durchaus viele Veranstaltungen vorteilhaft digital stattfanden, konnte ich viel aus Debriefings, Informationsveranstaltungen von Verbänden und Thinktanks sowie Debatten und Anhörungen im Europäischen Parlament oder dem Ausschuss der Regionen mitnehmen.
Zeitnah zu meinem Pflichtpraktikum wurde die erste digitale Veranstaltung der Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der Europäischen Union organisiert. Dementsprechend war ich intensiv in der Planung sowie dem Ablauf der Diskussionsrunde involviert.
Auch habe ich an diversen Artikeln zu Themen wie dem Migrationspaket, der Strategie für Opferrechte oder dem Gleichstellungsindex mitgeschrieben, die allesamt auf dem Newsletter der Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der Europäischen Union veröffentlicht wurden.
3. Reflexion der Pflichtpraktikumserfahrungen
Mein Pflichtpraktikum bei der Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der Europäischen Union hat mir die Arbeit in Sachen Interessenvertretung noch einmal verdeutlicht. Die Außenpolitik steht meiner Meinung nach wie vor als der Schlüssel einer funktionierenden Demokratie. Dennoch zeigt sich, dass insbesondere die Aufrechterhaltung sowie die Ausweitung des bestehenden Netzwerkes für die Repräsentation von nicht unerheblichem Maße ist.
Während meines Pflichtpraktikums konnte ich mich mit verschiedenen Politikfeldern beschäftigen und meine Kenntnisse in transnationalen Zusammenhängen im Hinblick auf das europäische Recht vertiefen. Arbeitsaufträge durfte ich eigenständig bearbeiten und mich bei Fragen stets an alle Spiegelreferent*innen oder Mitarbeiter*innen wenden. Insbesondere konnte ich viel aus der intensiven Zusammenarbeit mit meinem betreuenden Spiegelreferenten nehmen. Nach Beendigung einer Aufgabe erhielt ich ebenfalls stets ein mündliches oder schriftliches Feedback, welches mir im Hinblick auf mein zukünftiges Arbeiten unglaublich hilfreich war. Kritik wurde dabei stets vorsichtig formuliert und in ein allgemein positives Feedback eingebettet. Bei vollständig neuen Themenbefassen oder Verständnis komplexer politischer Abläufe gab es ein ausführliches Gespräch vorab, sodass das Einarbeiten im Anschluss vertieft werden konnte.
Die Zusammenarbeit im Team und mit den einzelnen Mitarbeiter*innen war stets sehr freundlich und wenig hierarchisch geprägt. Es gab keine streng festgelegten Kommunikationsabläufe und von beinahe allen wurde mir nach kurzer Zeit das „Du“ angeboten. Auch bei Fragen, welche keinen direkten Bezug zu einem Arbeitsauftrag hatten, sondern vielmehr das Arbeitsleben an sich sowie Praxistipps und Praktika betrafen, wurde mir ausführlich berichtet. Das gesamte Team hat mich stets dazu ermuntert, so viele interessante Veranstaltungen digital mitzunehmen, wie mir nur möglich. Bei Veranstaltungen, die nicht unbedingt in meinem Themenbereich lagen, wurde ich dennoch stets eingeladen, diese zu besuchen. Viele leiteten mir Veranstaltungsankündigungen und -einladungen weiter, von denen sie dachten, sie könnten von Interesse für mich sein.
Mit Blick auf mein Studium kann ich sagen, dass die dort erworbenen europabezogenen Vorkenntnisse nicht nur hilfreich, sondern notwendig waren. Dies war jedoch auch zu erwarten, da der Abschluss Grundstudiums überhaupt erst die Voraussetzung war, sich auf den Praktikumsplatz bewerben zu können. Beispielsweise sind institutionelle Grundkenntnisse notwendig, um überhaupt die Arbeitsweise auf europäischer Ebene zu verstehen und ein tieferes Verständnis der politischen Positionen in Bezug auf die Europäische Union aufbauen zu können.
Durch meine vielfältigen Erfahrungen bei der Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der Europäischen Union habe ich einige Ideen für meine Bachelorarbeit sammeln können. Interessant wäre es beispielsweise, mich mit den Auswirkungen des kürzlich verabschiedeten Migrationspakets zu befassen, welches zu einem meiner Themenbereiche während meiner Pflichtpraktikumszeit wurde. Viele der Spiegelreferent*innen der Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der Europäischen Union teilten mir ferner mit, dass sie alle für Fragen und Tipps bezogen auf meine Bachelorarbeit erreichbar wären und mir mit ihrer eigenen Expertise gerne zur Seite stehen würden. Gerne werde ich dieses Angebot bei Gelegenheit nutzen.
Auch für meine Überlegungen hinsichtlich eines Masterstudiengangs und meinen beruflichen Plänen war das Pflichtpraktikum ausgesprochen hilfreich. Gerne würde ich meine Kenntnisse in transnationalen Zusammenhängen fortlaufend vertiefen. Außerdem wurde mir die Bedeutung von Fremdsprachenkenntnissen wieder vor Augen geführt. Die fast viermonatige Einbindung in den Arbeitsalltag der öffentlichen Verwaltung hat mir durchaus einige Vor- und Nachteile in diesem Arbeitsfeld aufgezeigt. Ohne genau sagen zu können, ob ich in diesem Bereich später arbeiten möchte, kann ich nun doch sagen, dass es für mich eine ernst zu nehmende Option darstellt.
Ich kann ein Praktikum in der Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der Europäischen Union nur weiterempfehlen, wenn es darum geht, dem Interesse an Verwaltungsarbeit, Interessenvertretung und europäischer Politik- sowie Rechtsprozesse nachzugehen. Durch die dort erworbenen Erfahrungen wird das theoretische Wissen aus dem Studium durch Praxiserfahrungen ergänzt. Ferner sind die Betreuung und die Zusammenarbeit im Team sehr angenehm. Das Pflichtpraktikum hat mich in meinem Fachwissen weitergebracht, aber auch dabei geholfen, mich in der beruflichen Welt besser zu orientieren.
4. Fazit
Meine erworbenen Kenntnisse bei der Vertretung der Freien Hansestadt Bremen bei der Europäischen Union haben mir verdeutlicht, worauf ich im Studium Wert legen sollte und auf welche Fähigkeiten ich hinarbeiten möchte. Wichtig war für mich vor allem, theoretisches Wissen mit praktischen Anwendungsmöglichkeiten zu verbinden und zu sehen, inwiefern diese Kenntnisse mich in Zukunft weiterbringen können. Besonders die Atmosphäre am Arbeitsplatz und die Art zu Arbeiten hat mir besonders gefallen, sodass ich mir in Zukunft durchaus vorstellen kann, einer solchen oder vergleichbaren Tätigkeit nachzugehen.
Alles in allem ist der generelle Wert von Praktika und Praxiserfahrung nur positiv hervorzuheben, um Erfahrungen zu sammeln und Kontakte zu knüpfen. Der Austausch mit meinen Arbeitskolleg*innen hat mich ebenfalls in meinem europapolitischen sowie -rechtlichen Interesse gestärkt. Dieses bereichernde Pflichtpraktikum hat mich in meiner beruflichen Richtung bestärkt und mir eine gewisse Orientierung gegeben, der ich in Zukunft gerne nachgehen möchte.
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