Mina drömmars stad. Meine ersten schwedischen Worte, die ich am Flughafen in Frankfurt von einem der Mitarbeiter an der Sicherheitskontrolle lernte. Nach sechs Monaten kann ich definitiv bestätigen, dass Stockholm eine Traumstadt ist.
Doch um es in den Worten meiner Mutter zu sagen, stand mein Auslandsaufenthalt zuerst „unter keinem guten Stern“. Am 10. April 2020, als die erste Corona-Welle ihre Hochphase erreichte, begann meine Reise. Unsicher ob mein Flug nicht in letzter Minute gecancelt wird, ob mein Studentenzimmer wirklich existiert und wie sich Corona auf mein Praktikum auswirkt, machte ich mich auf.
Entgegen meiner Befürchtungen kam ich in Stockholm an und lernte eine völlig andere Welt kennen. Nicht unbedingt bezogen auf die Kultur und Sprache, sondern eher auf eine sehr andere Umgangsweise mit dem Coronavirus. Keine Mundschutzpflicht, kein Lockdown. Stattdessen volle Nudel- und Klopapierregale und ein paar Bodenmarkierungen, die darauf hinweisen 1,5m Abstand zu halten – übertrieben gesagt.
Bewerbung
Am 10. März habe ich die Zusage für mein Praktikum bei Cure Media bekommen. Ich hatte es über LinkedIn gefunden und mein kompletter Bewerbungsprozess hat etwa einen Monat gedauert. Ich habe mich dann direkt um die Bewerbung bei Erasmus+ gekümmert und die Zusage für die Förderung am 8. April erhalten. Mein Praktikum startete am 14. April.
Wohnung
Wie bereits erwähnt, war ich mir nicht 100%ig sicher, dass mein WG-Zimmer existiert, als ich nach Stockholm kam. In Stockholm ist es bekanntermaßen nicht sehr leicht eine Wohnung oder ein Zimmer zu bekommen. Grund dafür sind extrem viele Scammer und die Tatsache, dass das Kaufen gängiger als das Mieten bei den Schweden ist – selbst im jungen Alter. Wenn man auf eine zentrale Lage verzichten kann und sich außerhalb Stockholms etwas sucht, macht es die Suche ein wenig leichter und es wird kostengünstiger. Durch Corona wollte ich aber die Möglichkeit haben mit dem Fahrrad zur Arbeit zu fahren, statt auf Öffis angewiesen zu sein.
Mit viel Glück fand ich ein Zimmer in einer Zweier-WG in dem Stadtteil Gärdet (10 Fahrradminuten von meiner Arbeit). Kurz nachdem ich den Mietvertrag unterschrieben hatte, postete der Admin der Facebook-Gruppe, in der ich das Zimmer gefunden hatte, dass die Anzeige ein Fake ist. Nach einigem Hin und Her mit dem Vermieter sagte er mir zu, dass ich die Miete erst nach meiner Ankunft überweisen müsste (ich hatte das Zimmer ab dem 01.04. gemietet, aber kam erst am 10.04 an). An der Stelle zeigt sich die typisch schwedische Gelassenheit – in Deutschland hätte das ganz sicher kein Vermieter mitgemacht.
Generell rate ich jedem das Zimmer persönlich zu besichtigen oder von einem Kollegen/Freund besichtigen zu lassen bevor Geld überwiesen wird – mir kam dabei Corona in die Quere. Facebook-Gruppen sind grundsätzlich ein gutes Mittel für die Suche, aber auch da sollte man vorsichtig sein. Bei mir hat sich im Endeffekt herausgestellt, dass der besagte Admin der Gruppe überhaupt nicht glaubwürdig ist und auf Grundlage von fragwürdigen Beweisen die Anzeige für mein WG-Zimmer als Fake bezeichnet hat.
Eine weite Plattform für die Zimmer-/Wohnungssuche ist Blocket. Die Gefahr einem Scammer zu begegnen ist dort sehr viel geringer, da die Plattform einige Sicherheitsvorkehrungen für beide Parteien trifft. Mir haben tatsächlich fast alle Vermieter / potenzielle Mitbewohner dort geantwortet und mir eine virtuelle Besichtigung gegeben. Laut Feedback lag das vor allem daran, dass ich in meiner Nachricht richtig vorgestellt habe.
Mein Zimmer kostet 5500sek, ist um die 12qm groß und befindet sich in einem Studentenwohnheim – die wohl günstigste Alternative, um zentral zu wohnen. Wenn ihr die Möglichkeit habt, würde ich euch aber empfehlen euch als Student einzuschreiben, da es die Wohnungssuche einfacher gestaltet.
Lebensunterhaltungskosten
Das Leben in Stockholm ist bekanntlich nicht billig. Gerade wenn man im Zentrum wohnt, sind die Preise in den Supermärkten ziemlich hoch im Vergleich zu Deutschland. So richtig teuer wird’s, wenn man Alkohol kaufen möchte. Das geht nur in dem sogenannten Systembolaget und nur wenn man mindesten 20 Jahre alt ist – obwohl der Alkoholverzehr an sich ab 18 Jahren erlaubt ist. In Bars und Restaurants bekommt man also auch ab 18 Jahren etwas Alkoholisches zu trinken. Allerdings kann ein kleines Bier umgerechnet schon mal 8 Euro kosten.
Freizeitangebote
Durch Corona ist das Angebot zurzeit natürlich beschränkt. Ich wäre gerne einer internationalen Organisation oder ähnlichem beigetreten, um mir das Ankommen in Stockholm zu erleichtern. Das liegt aber leider alles nach wie vor auf Eis.
Seit dem Sommer wurden einige Aktivitäten wieder angeboten, wie Sportkurse in kleineren Gruppen. Allerdings haben diese, sowie die Mitgliedschaft in einem Fitness-Studio, stolze Preise und fangen bei ca. 50 Euro pro Monat an.
Glücklicherweise gibt es auch ganz kostenfrei eine Menge in Stockholm zu erleben. Da die Stadt aus zig kleinen Inseln besteht und für eine Hauptstadt relativ kompakt ist, ist man in Nullkommanichts am Wasser und/oder in der Natur. Ich habe mir hier ein Fahrrad zugelegt und so die Stadt ausgekundschaftet – besonders in Zeiten von Social Distancing die perfekte Lösung.
Auch kulinarisch wird in Stockholm einiges geboten. Restaurants, die man zumindest einmal probieren sollte, sind meiner Meinung nach TAK (super teuer, hat aber den besten Ausblick über die Stadt), Mälarpaviljongen (Restaurant auf dem Wasser – auch super für Fika), The South Indian (gemütliches Restaurant für den großen Hunger – meine Empfehlung ist das „Best Menu“) und Hermans (eines der wenigen Restaurants mit internationalem Studentenrabatt, bietet vegetarisches Buffet und liegt direkt am Wasser).
Eine der Sachen, für die Schweden am bekanntesten sind, ist wohl Fika. Und es gibt tausende großartige Cafés zum Fikan. Mein absoluter Favorit ist Vintervikens Trädgard – das liegt ein wenig außerhalb der Stadt, aber der Weg lohnt sich. Ein Must-Visit in Sachen Fika ist außerdem Mr Cake – das Café macht die besten Torten und ist nicht ohne Grund eine Touri-Attraktion.
Meinen Sommerurlaub habe ich dazu genutzt, mit einer Freundin auf Van-Tour zu gehen und Südschweden zu erkunden. Wenn ihr also von einem unvergesslichen Sommerabenteuer träumt, kann ich euch so eine Tour nur ans Herz legen.
Arbeitsleben
Der eigentliche Grund, warum ich nach Stockholm gekommen bin. Ich habe ein internationales Arbeitsumfeld erwartet, wo auch die Arbeitsatmosphäre passt – und ich wurde nicht enttäuscht. Neben dem Feinschliff meiner Englischkenntnisse bekam ich auch die Möglichkeit Schwedisch zu lernen. Als Praktikantin schätze ich besonders die flachen Hierarchien und wie viel Wert auf das allgemeine Wohlbefinden der Mitarbeiter gelegt wird. In meiner Firma haben wir wöchentliche Umfragen zur allgemeinen Stimmung, regelmäßige (virtuelle) After Works, Teambuilding-Workshops, monatliche Meetings mit dem jeweiligen Manager und ein gemeinsames Frühstück jeden Montag bei dessen Ende sogenannte „Value Cards“ verteilt werden. Die Karten können auf der Rückseite beschrieben werden und von jedem an jeden vergeben werden. Es soll als Anerkennung für eine gute Leistung in der vergangenen Woche dienen. Diese Leistung kann klein oder groß sein: ich habe bspw. auch schon mal eine Karte für meinen Lernfortschritt in Schwedisch erhalten.
Ich konnte mir nicht nur fachspezifisch etwas abschauen. Meine Kollegen – oder eventuell auch allgemein Schweden – sind großartig im Netzwerken. Auf der anderen Seite habe ich die Erfahrung gemacht, dass es schwierig ist eine Freundschaft mit einem Schweden auszubauen. Obwohl jeder Schwede jeden Alters gutes Englisch spricht, fühlen sie sich auf privater Ebene eher in ihrer Sprache wohl. Es ist also eine Herausforderung in einen schwedischen Freundeskreis aufgenommen zu werden. Glücklicherweise ist Stockholm super international, weswegen man Freundschaften mit Leuten aus aller Welt aufbauen kann.
Fazit
Ich bleibe. Obwohl dieser Bericht ganz offensichtlich nicht durchweg positiv ist, habe ich beschlossen zu bleiben. Die Entscheidung habe ich aufgrund der Freundschaften, die ich hier geschlossen habe und meine Aussicht auf einen guten Job getroffen. Zumindest bis nächsten Herbst findet man mich also weiterhin in mina drömmars stad.
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