Motivation und Vorbereitung
Im Rahmen des Neurosciences-Master an der Uni Bremen sind zwei Forschungspraktika, sogenannte lab rotations, vorgesehen, die im zweiten Studienjahr in Forschungseinrichtungen mit neurowissenschaftlichem Bezug durchgeführt werden. Mögliche Einrichtungen sind sowohl die Abteilungen an der Uni Bremen, die am Neurosciences-Master beteiligt sind, als auch entsprechende Labore oder Abteilungen an Universität auf der ganzen Welt. Um für eine spätere berufliche Tätigkeit im internationalen Kontext gut vorbereitet zu sein und um schon frühzeitig Kontakte zu knüpfen, entschied ich mich dafür, nach der Rückkehr aus Australien, wo ich meine erste lab rotation absolviert hatte, auch die zweite lab rotation im Ausland durchzuführen, nämlich in den Niederlanden. Bei meiner Suche nach Laboren mit für mich passenden Forschungsthemen stieß ich schließlich auf die Behavioural Neuroscience-Gruppe an der Universität in Groningen, speziell auf ein Labor, das psychische Störungen in Tiermodellen mit pharmakologischen Ansätzen untersucht. Nach meiner Kontaktaufnahme per E-Mail bot man mir dort tatsächlich die Mitarbeit an einem Projekt an, das gut zu meinen Vorstellungen für meine lab rotation passte, da es sich um ein spannendes Forschungsthema handelte und ich dabei die Möglichkeit bekam, mein Repertoire an Labor-Skills auszuweiten. Schon in der Vorbereitungsphase der lab rotations waren wir von Vertretern unseres Fachs auf die Möglichkeit hingewiesen worden, bei Forschungsaufenthalten innerhalb Europas eine finanzielle Förderung aus dem Erasmus-Programm zu erhalten. Nach meiner Zusage aus Groningen bewarb ich mich daher um eine Förderung und diese wurde kurz darauf auch bewilligt.

Projekt und Tätigkeiten
Ich arbeitete in einem Labor, das zum Groningen Institute for Evolutionary Life Sciences (GELIFES) gehört, einem interdisziplinären Institut, das Forschung im Bereich von Ökologie, Evolution und der Verhaltens- und Neurowissenschaften vereint. Die Kommunikation in der Abteilung lief, soweit ich daran beteiligt war, durchgehend auf Englisch, was mir sehr entgegen kam, da meine Niederländisch-Kenntnisse doch bestenfalls als absolute Grundkenntnisse bezeichnet werden können. Zudem war ich nicht die einzige Person dort, die kein Niederländisch sprach, da es auch einige internationale Forschende in der Abteilung gab. Das Projekt, an dem ich an der Universität Groningen mitarbeitete, untersuchte die Auswirkungen von Antidepressiva während der Schwangerschaft auf Nachkommen bei lebendgebärenden Fischen. Dazu wurde dem Aquarium-Wasser der Fische über mehrere Wochen ein Antidepressivum zugegeben. Anschließend wurde in den Gehirnen sowohl von erwachsenen Fischen aus diesen Aquarien als auch von Nachkommen, die während des Zeitraums der Medikamentenexposition geboren wurden, die Expression zweier Gene des Serotonin-Systems, dem Gen für den Serotonin-Transporter und dem Gen eines spezifischen Serotonin-Rezeptors, analysiert. Da der pharmakologische Teil des Experiments bereits abgeschlossen war, waren meine Hauptaufgaben während des ursprünglich für meine lab rotation geplanten Aufenthalts von zwei Monaten die Sektion der Fischbabys aus dem Experiment, die bis dahin im -80 °C Gefrierschrank gelagert wurden, sowie die Extraktion von RNA aus dem extrahierten Hirngewebe. Schon nach wenigen Wochen entschied ich mich dazu, mein Praktikum in Groningen um sechs Monate zu verlängern, um bei dem Projekt bis zum Abschluss dabei sein zu können und alle Analyseschritte selbst durchführen zu können. In den folgenden Monaten arbeitete ich an der Genexpressionsanalyse, von der Synthese von cDNA über das Design eines Primers für die PCR bis zur Durchführung der quantitativen PCR. Während meiner Arbeit war sowohl die leitende Professorin der Abteilung als auch eine Doktorandin, die bereits an meinem Projekt arbeitete, meine Ansprechpartnerinnen. Es gab wöchentlich Labor-Treffen, um den aktuellen Stand der laufenden Projekte zu besprechen sowie Seminare, in denen Masterstudierenden und Promovierende ihre Forschungsvorhaben und -ergebnisse vorstellten.

Die Räumlichkeiten des Labors befinden sich auf dem Zernike Campus, der etwas außerhalb nordwestlich der Innenstadt liegt und mit dem Fahrrad vom Zentrum aus in 15-20 Minuten zu erreichen ist.

Da sich mein Praktikumszeitraum mit dem Beginn der Covid-19 Pandemie überschnitt, ergaben sich in dieser Zeit zahlreiche Änderungen für meinen Arbeitsalltag. Nachdem Ende März vorsorglich alle Universitätsgebäude in Groningen geschlossen wurden, arbeitete ich für einige Wochen von zu Hause aus und nutzte die Zeit für Literaturrecherchen und die schriftliche Dokumentation meiner Arbeit. Da ich das Projekt unbedingt abschließen wollte, entschied ich mich, das Praktikum trotz der Einschränkungen durch die Maßnahmen zur Eindämmung des Virus nicht abzubrechen. Im Laufe des Sommersemesters wurden an der Universität Groningen Konzepte erarbeitet, die das Arbeiten im Labor wieder ermöglichen konnten. Schließlich konnte ich unter Einhaltung einer Vielzahl von Sicherheitsvorkehrungen wieder an meinen Arbeitsplatz im Labor zurückkehren. Dazu gehörten die Beschränkung der Personenzahl in Räumen und Gebäuden und die genaue Erfassung dessen, wer zu welcher Zeit in welchem Teil der Universität anwesend ist. Da alle Mitarbeitenden, die augenblicklich keine praktische Laborarbeit zu erledigen hatten, das gesamte Semester lang im Home Office blieben, lief die Kommunikation mit meinen Supervisorinnen über Videotelefonate und Emails. Auch wenn die Einschränkungen den Fortschritt meiner Arbeit leicht verzögerten und den Kontakt zu anderen Mitarbeitenden und Studierenden an der Universität einschränkten, bin ich froh, das Projekt auch unter widrigen Bedingungen abgeschlossen zu haben.

Unterkunft
Vor Beginn meines Praktikums hatte ich online nach einer Unterkunft gesucht. Da ich zunächst davon ausging, dass mein Aufenthalt in Groningen nur zwei Monate dauern würde, hatte ich der Einfachheit halber für diesen Zeitraum ein Privatzimmer über Airbnb gebucht. Nach meiner Entscheidung, das Praktikum zu verlängern, wollte ich aber nach einer Alternative suchen; zum einen aus Kostengründen und zum anderen, um so in mehr Kontakt zu niederländischen Studierenden zu kommen. Wie in vielen deutschen Universitätsstädten ist auch die Wohnungslage in Groningen für Studierende eher angespannt. Die meisten Studierenden wohnen in Wohngemeinschaften in Häusern, die speziell an Studierende vermietet werden. Ein-Zimmer-Apartment, insbesondere für (internationale) Studierende sind zwar verfügbar, liegen preislich aber deutlich über WG-Zimmern. Die Suche nach einem Zimmer gestaltet sich am einfachsten online über verschiedene Plattformen, über die Nachmieter für freie WG-Zimmer gesucht werden. So fand auch ich ein Zimmer in einer 5-Personen-WG nahe der Innenstadt von Groningen. Meine Suche war schnell erfolgreich, weil ich gezielt nach einem Zimmer gesucht hatte, das nur für einen begrenzten Zeitraum frei war. Ausgehend von den Häusern für Studierende, die ich mir angesehen habe, kann man festhalten, dass es dort einen etwas anderen Standard bezüglich Instandhaltungen und Schönheitsreparaturen als in Deutschland gibt: die meisten Häuser scheinen sehr selten renoviert zu werden, weil sie über lange Zeit am Stück an WGs vermietet werden. Außerdem ist es in vielen Häusern üblich, dass sich in den Schlafzimmern Waschbecken oder sogar ganze Küchenzeilen befinden. Die monatliche Miete für ein solches WG-Zimmer in Groningen ist durchaus vergleichbar mit den Preisen für WG-Zimmer in Bremen.

Mobilität
Die Anreise in Groningen gestaltete sich für mich sehr einfach, da es nur eine zweistündige Autofahrt von Bremen entfernt liegt. Problematisch war dagegen die Parkplatzsuche in Groningen, da Parkplätze in Innenstadtnähe nur für kurzfristiges Parken vorgesehen sind und Falschparkern empfindliche Strafen drohen. Da in Groningen – wie in den gesamten Niederlanden – das Fahrrad das Hauptverkehrsmittel für kurze Strecken darstellt, entschied ich mich dafür, mein Auto etwas außerhalb des Zentrums abzustellen und den Weg zwischen meiner Unterkunft und der Uni mit dem Fahrrad zu bestreiten. Fahrradwege sind in Groningen wie zu erwarten zahlreich und gut ausgebaut, sodass ich diese Art der Fortbewegung dort nur empfehlen kann. Bei schlechtem Wetter bieten sich die öffentlichen Verkehrsmittel an, z.B. Busse, die im gesamten Stadtgebiet unterwegs sind. Bei regelmäßiger Nutzung bietet es sich an, eine OV-chipkaart zu kaufen, eine persönliche Karte für öffentliche Verkehrsmittel, die mit Guthaben aufgeladen werden kann.

Alltag und Freizeit
Auch wenn man kein Niederländisch spricht, kommt man in Groningen im Alltag gut zurecht, denn sehr viele Niederländer sprechen englisch oder sogar deutsch. Ein deutlicher Unterschied zu Deutschland zeigt sich beim Geld – in den Niederlanden wird deutlich häufiger mit EC-Karte bezahlt als in Deutschland. Möchte man mit Bargeld bezahlen, erntet man überraschte Blicke oder es ist, wie z. B. beim Ticketkauf im Bus, gar nicht möglich. Ein Konto bei einer niederländischen Bank einzurichten, war für einen so kurzen Zeitraum aber nicht für notwendig. Ich konnte immer problemlos und ohne Gebühren mit meiner deutschen Karte bezahlen und Gebühren beim Geldabheben sind bei mir – mangels Bedarfs an Bargeld – auch nicht angefallen. Zum Einkaufen gibt es ein großes Angebot von Supermärkten und Geschäften, die in der Regel auch sonntags geöffnet sind. Für Lebensmittel lohnt es sich auf den Markt zu gehen, der mehrmals wöchentlich in der Innenstadt auf dem Vismarkt stattfindet. Dort gibt es unter anderem günstiges Obst und Gemüse sowie typisch niederländische Fisch- und Käse-Spezialitäten zu kaufen. Auch abseits des Markts lädt die Stadt mit ihren malerischen Grachten und historischen Gebäuden zu Spaziergängen und Entdeckungstouren ein. Aufgrund der hohen Zahl von Studierenden, die in der 200.000-Einwohner-Stadt leben, wirkt das Stadtbild sehr jung und es gibt eine Menge gemütlicher Cafés und Bars. In den Sommermonaten ist der Stadtpark im Norden der Innenstadt, der Noorderplantsoen, ein beliebter Treffpunkt für junge Leute. Für Erasmus-Studierende gibt es mit dem Erasmus Student Network (ESN) Groningen eine Organisation, die Veranstaltungen und Aktivitäten plant, bei denen man andere internationale Studierende kennen lernen kann. Zu Beginn des niederländischen Frühlingssemesters im Februar wurde unter anderem eine Einführungswoche mit Gruppenaktivitäten und Partys veranstaltet, bei der man schnell neue Leute kennen lernte und nützliche Infos über das Leben in Groningen bekam. Leider mussten die Veranstaltungen der ESN Groningen über den Sommer wegen der Kontaktbeschränkungen zeitweise eingestellt werden.

Fazit
Groningen eignet sich sehr gut für einen Erasmus-Aufenthalt, denn es ist eine attraktive Stadt mit freundlicher Atmosphäre, die für junge Leute viel zu bieten hat. Auch das GELIFES Institut an der Universität von Groningen kann ich Studierenden im Neurosciences-Master, aber auch von verwandten Studiengängen, die ein Praktikum im Ausland absolvieren möchten, sehr empfehlen. Besonders gefallen hat mir, dass ich dort die Möglichkeit hatte, weitgehend selbstständig an einem Projekt zu arbeiten und gleichzeitig so viel Unterstützung bekommen habe, wie ich brauchte, um neue Labortechniken zu erlernen und die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen.