Im Rahmen des Bachelorstudiums Public Health/ Gesundheitswissenschaften absolvierte ich in meinem fünften Fachsemester ein Praxissemester an der University of Aberdeen und arbeitete am Insitute of Applied Health Sciences (IAHS) in der Epidemiology-Group. Die University of Aberdeen (UoA) wurde 1495 gegründet und ist die fünft-älteste Universität im Vereinigten Königreich. Zurzeit studieren ca. 14500 Studenten an der UoA und es gibt eine weite Bandbreite an Forschungsfeldern in technischen, naturwissenschaftlichen, medizinischen, politischen und geisteswissenschaftlichen Bereichen. Das IAHS ist ein populations-bezogenes Forschungsinstitut, das neben epidemiologischer Forschung auch Arbeitsgruppen in den Bereichen der Gesundheitspsychologie, der Gesundheitsökonomie und Gesundheitsversorgung hat. Vorwiegend werden Muskel- und Skeletterkrankungen, reproduktive Gesundheit, Atemwegserkrankungen, Urologie, Nieren-Erkrankungen und Krebs behandelt. Die Epidemiology-Group des IAHS wird von Prof. Gary MacFarlane geleitet und besteht aus ungefähr 20 Mitarbeitern. Die Hauptthemen der Gruppe sind Arthritis und die Gesundheit des Bewegungsapparates, sodass insbesondere Krankheitsbilder wie Fibromyalgie, chronische Schmerzen, Fatigue, axiale Spondylarthritis, Psoriasis-Arthritis und Vaskulitis Themenschwerpunkte vieler derzeit laufender Studien bilden. Die Studien haben zumeist das Ziel Risikofaktoren dieser Erkrankungen zu identifizieren, die Wirkung von Therapien zu untersuchen oder den derzeitigen Gesundheitsstatus in der UK zu erfassen. Dabei wird größtenteils klassisch epidemiologisch quantitativ geforscht, doch für einige derzeit laufende Projekte wurde auch ein „mixed-method“-Ansatz gewählt, sodass auch qualitative Forschung innerhalb der Gruppe eine Rolle spielt.
Ich arbeite in meinem Praktikum in der Arbeitsgruppe von Professor Patrice Forget. Seine epidemiologische Forschung und somit auch mein derzeitiger Themenschwerpunkt liegen insbesondere bei perioperativem Opioid Gebrauch.
Aufgaben
Die Mitarbeiter der Epidemiologie-Gruppe arbeiten größtenteils an Projekten rund um axiale Spondyloarthritis und Fibromyalgie. Mit meinem Supervisor Prof Patrice Forget, welcher nur wenige Tage vor mir in an der University of Aberdeen anfing, kam die Thematik der Schmerzmittelforschung in die Gruppe. Meine genaue Arbeit lässt sich grob in vier Gebiete unterteilen.
Bei dem ersten Arbeitsgebiet handelt es sich um mein eigenes Projekt, an dem ich mit der Unterstützung meines Supervisors arbeitete. Dieses Projekt ist eine Systematic Review über postoperativen persistenten Opioid Gebrauch in Europa. Die Notwendigkeit dieser Arbeit entstand aus der sogenannten „Opioid-Krise“, die man derzeit und in den letzten Jahren, in den USA vorfinden kann. Dabei handelt es sich um den sehr starken Anstieg der durch Opioid-Gebrauch direkt oder indirekt gestorbenen Bevölkerung. Eine der häufig genannten Gründe für diesen Sachverhalt ist der große Anteil von Patienten, welche nach Operationen langfristig mit Opioiden, wie Oxycodon, behandelt werden und so eine Abhängigkeit entwickeln. In Europa lässt sich eine weniger drastische Situation feststellen, doch auch in einigen europäischen Ländern erhöhen sich in den letzten Jahren die Anzahl von Opioid-Verschreibungen stetig. Das Ausmaß des langfristigen bzw. persistenten Opioid Gebrauch, ist bisher eher unklar. Um einen Überblick über den derzeitigen Publikationsstand des postoperativen persistenten Opioid Gebrauchs in Europa zu bekommen, fertigte ich eine Systematic Review an, um Veröffentlichungen zu dieser Thematik systematisch zu analysieren und Hypothesen für in der Epidemiologie-Gruppe folgende Studien zu generieren. Besonders in den ersten 2 Monaten meines Praktikums verbrachte ich viel Zeit damit, eine Such-Methode zu entwickeln und die gefunden Studien auszuwerten. Im November und Dezember, verschriftlichte ich meine Ergebnisse und Mitte Dezember wurde die Studie beim „European Journal of Anaesthesiology“ eingereicht.
Mein zweites großes Arbeitsgebiet und gleichzeitig das zeitintensivste, war die Unterstützung in den neu entstehenden Projekten POSE und POGrampian. Die zuvor beschriebene Review diente zum Teil als Vorarbeit für diese zwei größeren Projekte. Bei POGrampian handelt es sich um eine retrospektive Analyse von perioperativen Opioid Verschreibungen im National Health Service (NHS) Grampian Bereich. POSE hingegen ist eine prospektive Kohortenstudie, welche Daten zum perioperativen Opioid Gebrauch in mehreren europäischen Ländern sammeln soll. Bei beiden Projekten war ich seit der ersten Konzeptidee dabei und unterstütze das Projekt durch weitergehende Recherchen, Vorbereitungen von Präsentationen, dem Schreiben von Anträgen und Protokollen und Ähnlichem.
Nachdem die Review fertig gestellt wurde und der Bürokratieprozess von POGrampian und POSE viel Wartezeit beinhaltet, arbeitete ich ab Januar ein einem neuen kleineren Projekt. Bei diesem Projekt handelt es sich um die explorative Datenauswertung einer zweijährigen Untersuchung von Brustkrebs-Patientinnen nach ihrer Operation. Prof. Forget hatte diese Daten im Rahmen eines vorherigen Projektes gesammelt und konnte mir diese zur Verfügung stellen, nachdem alle identifizierbaren Variablen entfernt wurden. Diese Arbeit dient eher meiner eigenen Neugier und meiner Übung im Umgang mit statistischen Software-Programmen, als dass sie einen tatsächlichen Zweck verfolgt.
Der letzte Arbeitsbereich ist die Teilnahme an den sonstigen Ereignissen in der Epidemiology-Group. Dazu gehören die monatlich stattfindenden „Literature Review Meetings“, „Journal Clubs“, „Presentation Meetings“ und sonstige Gruppen-Treffen. Je nach Art des Treffens werden neue Studien oder Methoden diskutiert, neue Ergebnisse präsentiert oder anderes Aktuelles besprochen. Ferner habe ich die Möglichkeit Vorträge anderer Gruppen und, für mich relevante, Fortbildungen zu besuchen. Diese Termine ziehen sich durch die gesamte Praktikumszeit und sind nicht an ein bestimmtes Projekt gebunden.
„ERASMUS plus“ in Schottland
Ich entschied mich mein Praxissemester in Schottland, anstatt in Deutschland zu machen, da ich gerne die Chance nutzen wollte, Erfahrungen im Ausland zu sammeln und mein Englisch zu verbessern. Mit dieser Entscheidung bin ich auch nach wie vor sehr zufrieden, da meine Zeit in Aberdeen größtenteils von sehr positiven Erlebnissen geprägt war. Komplett auf Englisch und in einem Team mit sehr vielen internationalen Mitarbeitern zu arbeiten war sehr bereichernd für mich. Ich verstehe nun eindeutig besser, wie international agierende, wissenschaftliche Arbeit aussieht und wie unterschiedliche Erfahrungen in einem Team zu neuen Ideen und Ergebnissen führen können.
Neben fachlichen Erfahrungen war es jedoch auch sonst eine erlebnisreiche Zeit für mich. Die University of Aberdeen ist eine sehr international ausgerichtete Universität, so dass ich unglaublich viele verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen kennenlernen durfte und so nicht nur der schottischen Kultur nähergekommen bin. Ich habe viele neue Freunde dazu gewonnen, mit denen ich an vielen Wochenendausflügen das wunderschöne Schottland erkundete.
Zudem war es sehr spannend für mich alle Geschehnisse rund um das Verlassen des Vereinigten Königreiches (UK) aus der EU während meines Aufenthaltes dort mitzuerleben. Ich war während der Brexit-Verzögerung im Oktober 2019, während der Neuwahlen im Dezember 2019 und beim tatsächlichen Verlassen der EU im Januar 2020 im Land. In dieser Zeit habe ich sowohl Menschen kennen gelernt, welche den Brexit unterstützen, als auch vehemente Gegner des Austritts. Gerade in Schottland, ein Teil der UK, der größtenteils für einen Verbleib in der EU gestimmt hatte, in einer Universitätsstadt mit unzähligen europäischen Studierenden, habe ich eine große Abneigung gegen die Tory Regierung und Boris Johnson miterlebt. Das Thema mit Leuten zu besprechen, die tatsächlich die Folgen erleben werden, war sehr interessant.
Fazit
Abschließend lässt sich sagen, dass mein Praktikum in Aberdeen eine sehr bereichernde Zeit war. Ich habe sehr viel gelernt, viele Erfahrungen gesammelt und bin glücklich, dass ich die Möglichkeit hatte mit ERASMUS + mein Praxissemester in Schottland zu verbringen.
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